
(Berlin, 29. Juli 2025, poonal).- Kriminell sind immer die anderen. Diesen Eindruck kann man gewinnen, wenn die US-Regierung über im Land lebende Ausländer*innen spricht, die es abzuschieben gelte. Doch tatsächlich ist es nun in einem kuriosen Fall anders herum passiert:
Im Rahmen eines Gefangenenaustausches zwischen Venezuela und den USA wurden am 18. Juli 252 Venezolaner nach monatelanger Inhaftierung in El Salvador nach Venezuela geflogen und freigelassen. Die Männer waren im März von der Regierung von US-Präsident Donald Trump verhaftet und in einer spektakulären Aktion nach El Salvador abgeschoben worden. Die US-Regierung warf ihnen vor, der kriminellen venezolanischen Organisation Tren de Aragua anzugehören und nutzte für deren umstrittene Deportation ein Gesetz über „ausländische Feinde“ aus dem Jahr 1798. Die Migranten kamen in El Salvador im berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis Cecot in Haft. Menschenrechtsorganisationen zufolge sollen von ihnen jedoch nur sieben Männer verurteilt gewesen sein, die übrigen sollen aufgrund von Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht oder das Tragen von Tattoos inhaftiert worden sein. Am 18. Juli landete zudem ein Flugzeug mit weiteren 251 aus den USA abgeschobenen Venezolaner*innen in Caracas, die dort von Staatschef Nicolás Maduro und seiner Frau empfangen wurden.
Im Rahmen des Gefangenenaustauschs, der zwischen den Regierungen der USA und Venezuelas ausgehandelt und durch den Vatikan und den spanischen Expräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero vermittelt wurde, kamen auch 80 in Venezuela inhaftierte Oppositionelle sowie zehn US-Bürger frei.
Ein von der (in Kolumbien ansässigen) venezolanischen US-Botschaft verbreitetes Foto zeigt die zehn aus dem venezolanischen Gefängnis freigelassenen US-Bürger fröhlich hinter der US-Flagge. „Wir haben ein paar Mörder für euch eingetauscht“, soll Venezuelas Innenminister Diosdado Cabello bei der Begrüßung der 252 aus salvadorianischer Haft kommenden Venezolaner gesagt haben. Und tatsächlich: Unter den zehn freigetauschten US-Amerikanern befindet sich ein verurteilter Mörder.
Der Dreifachmörder von Usera
Der 54-jährige Dahud Hanid Ortiz besitzt neben der US-amerikanischen auch die venezolanische Staatsangehörigkeit. Nach Recherchen der spanischen Tageszeitung El País kam Ortiz auf die Liste der freizulassenden Gefangenen, obwohl er wegen dreifachen Mordes verurteilt ist. Ortiz hatte 19 Jahre bei den US-Marines gedient und wurde ausgezeichnet, aber 2014 wegen Dokumentenfälschung entlassen. Er war zuletzt in Süddeutschland stationiert und mit der Deutschen Irina Trippel verheiratet. Im April 2016, da lebten beide bereits getrennt, soll Trippel eine Affäre mit dem spanischen Anwalt Victor Salas begonnen haben, der eine Kanzlei im Stadtteil Usera in Madrid besaß. Ortiz soll daraufhin gedroht haben, Salas umzubringen und fuhr am 20. Juni 2016 vom süddeutschen Würzburg aus nach Madrid. Zwei Tage später tauchte Ortiz in der Kanzlei von Salas auf, erstach zwei dort angestellte Frauen und danach einen dort vorbeikommenden Klienten. Der gesuchte Anwalt war nicht unter den Opfern. Ortiz legte Feuer und fuhr zurück nach Bayern. Ein Foto aus den Ermittlungsakten zeigt ihn, wie er am Tag nach der Tat in Würzburg entspannt ein Bierchen trinkt. Erst danach erfuhr er, dass der von ihm ermordete Mann nicht Victor Salas war.
Obwohl Ortiz’ Frau Irina Trippel bald Verdacht schöpfte und bei der spanischen Polizei aussagte, verging genau ein Jahr, bis die spanische Justiz Anklage erhob. Das lag auch daran, dass der Ermittlungsrichter Juan Carlos Peinado zunächst nicht gegen Ortiz, sondern lieber gegen die mexikanische Mafia ermitteln wollte. So hatte Ortiz genug Zeit, um aus Deutschland über Kolumbien nach Venezuela zu fliehen. Dort wurde er erst 2018 festgenommen und auch das nur durch Zufall: Wegen seiner Militärkleidung, ausländischer Dokumente und dem US-Militärausweis war Ortiz der venezolanischen Geheimpolizei verdächtig vorgekommen, doch erst nach dessen Festnahme stellten sie fest, dass gegen ihn ein Haftbefehl vorlag. Am 9. Januar 2024 wurde er in Caracas wegen des Dreifachmordes zu 30 Jahren Haft verurteilt.
Doch schon anderthalb Jahre nach dem Urteilsspruch landete er mit neun anderen US-Amerikanern in Texas und kam sofort frei. „Es gibt in Venezuela keine unrechtmäßig inhaftierten US-Amerikaner mehr“, formulierte die Sprecherin von US-Außenminister Rubio. Auf Filmaufnahmen ist zu sehen, wie Ortiz winkend das Flughafengelände verlässt. „Scheinbar hat das niemand genau überprüft“, sagte ein Beamter gegenüber der Washington Post. Ortiz war aus dem Irakkrieg mit psychologischen Schäden zurückgekehrt und gilt als gefährlich. Ob die Behörden nun wieder nach ihm fahnden und ob er wieder festgenommen werden soll, darüber geben weder die US-amerikanischen, noch die venezolanischen oder spanischen Behörden eine Auskunft.
Dreifacher Mörder durch US-Gefangenentausch freigekommen von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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