Amtsantritt mit Hindernissen

Bernardo Arévalo
Indigene Unterstützung für Arevalo am 14.1., darunter Rosalina Tuyuc (Mitte), Vorsitzende des indigenen Witwen- und Frauenverbands CONAVIGUA. Foto: Carlos Bernardo Euler Coy (mit freundlicher Genehmigung/cortesía)

(Mexiko-Stadt, 25. Januar 2024, npla).- Es hat gedauert, aber nun ist Bernardo Arévalo endlich Präsident von Guatemala. Eigentlich hätte Arévalo am Sonntag, den 14. Januar um 13:00 vereidigt werden sollen. Am Ende mussten Zehntausende Guatemaltek*innen und extra angereiste Staats- und Regierungschefs mehr als zwölf Stunden warten. Der Grund: Der von Arévalo so angeprangerte „Pakt der Korrupten“ hatte bis zuletzt versucht, die Machtübergabe zu verhindern. Wir haben mit alten guatemaltekischen Freund*innen über diesen 14. Januar gesprochen. Mit dem Fotografen und Kurator Lilo Euler – und mit Alba Patricia Hernández Soc, deren Familie während der Diktatur nach Mexiko fliehen musste.

Alba hat den gesamten Sonntag mit anderen Exil-Guatemaltek*innen guatemaltekisches Fernsehen am Computer verfolgt: „Wir hatten uns sehr auf diesen Tag gefreut, an dem Arévalo sein Amt antreten würde. Aber wir sind erneut überrascht worden vom Ausmaß dieser Korruption, innerhalb des Verfassungsgerichtes und vor allem im Kongress.“ Es habe für empörtes Kopfschütteln gesorgt, dass Abgeordnete mit allen Mittel versucht haben, die Konstituierung des neuen Kongresses zu verhindern. „Das erfüllt uns mit Scham, vor allem aber wirft es ein Schlaglicht auf diese Korruption und Straflosigkeit, die in Guatemala herrscht.“

Spaniens König reiste unverrichteter Dinge wieder ab

Lilo war am 14. Januar mit seiner Fotokamera unterwegs: „Das unangenehmste dieses Tages war zu verstehen, dass alle Strukturen des Staates von diesem Pakt der Korrupten vereinnahmt sind und dass sich Beamte in für die Demokratie lebenswichtigen Institutionen solchen Aktionen verschreiben, dass sie zu verhindern versuchen, dass der neue Präsident, die neue Regierung und der neue Kongress die Arbeit aufnimmt – ohne sich um den Ruf des Landes zu scheren.“

Der Versuch der Abgeordneten des alten Kongresses, die Machtübergabe zu torpedieren, wurde im Fernsehen übertragen und von den internationalen Delegationen angeprangert. Kolumbiens Präsident Gustavo Petro versicherte, er werde das Land nicht verlassen, bevor Arévalo als Präsident vereidigt sei, auch wenn dies bedeute, dass er seine Reise zum Weltwirtschaftsforum in Davos verpasse. Chiles Präsident Gabriel Boric und Spaniens König Felipe mussten am Ende noch vor der Zeremonie abreisen. Eine internationale Peinlichkeit ersten Ranges, verursacht von einem Dutzend korrupter Abgeordneter.

Arévalo warnt vor Autoritarismus

Der als sozialdemokratisch geltende Arévalo versprach in seiner Rede mehr soziale Gerechtigkeit, die Achtung der Menschenrechte, vor allem aber einen gleichberechtigten Dialog mit den indigenen Völkern. Und er ging mit den autoritär-korrupten Strukturen ins Gericht, die nicht nur in Guatemala eine Geißel und ein Staat im Staat sind: Die Welt sehe sich einer neuen Welle des Autoritarismus konfrontiert, mit der Propagierung der Intoleranz, mit neuen autoritären Phänomenen, „wie der korrupten Vereinnahmung staatlicher Institutionen durch kriminelle Gruppen, die ihren demokratischen Anschein ausnutzen, um Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit, auszuhebeln. Das ist der Kampf, den wir in Guatemala, in Mittelamerika und weltweit führen.“

Für Alba war dieser 14. Januar 2024 eine Wasserscheide in der Geschichte Guatemalas. Am meisten beeindruckt hat sie die 105-tägige Präsenz der indigenen Völker Guatemalas, die mit allen Mitteln die Demokratie verteidigt hätten, juristisch, mit Demos, mit Kommuniqués, mit Aufrufen an die internationale Gemeinschaft. Es seien vor allem die Aktionen der Indigenen gewesen, die sichergestellt hätten, dass Bernardo Arévalo sein Amt am 14. Januar antreten konnte.

Unterstützung durch Indigene

Bernardo Arévalo
Spirituelle Maya-Führer am 14. Januar bei einer Zeremonie zu Ehren der Ahnen. Foto: Carlos Bernardo Euler Coy (mit freundlicher Genehmigung/cortesía)

Auch Lilo glaubt, die Beteiligung und der Einsatz der indigenen Völker seien fundamental gewesen, in dem monatelangen Konflikt zwischen dem gewählten Präsidenten Arévalo und seiner Partei Semilla auf der einen Seite. Auf der anderen Seite steht der „Pakt der Korrupten“, dessen sichtbarste Vertreter*innen Generalstaatsanwältin Consuelo Porras, verschiedene Richter und Mitglieder des letzten Kongresses sind. Tausende Indigene hatten bis tief in die Nacht gewartet, um den Gruß des neuen Präsidenten zu hören und sich mit ihm auszutauschen. Mit der Anerkennung der Indigenen durch Arévalo und ihrer Beteiligung an der neuen Regierung ehre der neue Präsident dieses Engagement der Indigenen. Und andererseits sei es „super schön“ gewesen, die Zivilgesellschaft zu sehen, wie sie auf der Plaza de la Constitución den ganzen Sonntag Nachmittag bis in die Morgenstunden des Montags geduldig gewartet habe, auch wenn Montag ein normaler Werktag war und die meisten am Morgen zur Arbeit mussten.

Nun ist Bernardo Arévalo also der neue Präsident Guatemalas, mit ihm verbunden sind die Hoffnungen auf einen zweiten demokratischen Frühling. Der erste ist eng mit dem Namen seines Vaters verbunden, der ebenfalls Präsident war. Das allerdings ist schon achtzig Jahre her. Als erste Amtshandlungen hat Arévalo an einer Maya-Zeremonie teilgenommen, ein Akt mit erheblichem Symbolcharakter. Und von Consuelo Porras, Guatemalas berüchtigter korrupter Generalstaatsanwältin, hat er Rechenschaft gefordert – kündigen kann er sie nicht. Die nächsten Monate werden zeigen, ob der Antikorruptionspräsident Arévalo etwas gegen den Pakt der Korrupten ausrichten kann.

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