Menschenrechtskommission lässt INGRID-Gesetz für ungültig erklären

(Mexiko-Stadt, 6. März 2023, cimacnoticias).- Am 2. März erklärte der Oberste Gerichtshof der Nation (SCJN) das INGRID-Gesetz im Bundesstaat Mexiko für ungültig. Die Verbreitung audiovisueller Materialien, die das Opfer erneut viktimisieren, ist ab sofort nicht mehr strafbar. Laut dem Obersten Gerichtshof der Nation (SCJN) verletzt das INGRID-Gesetz die Rechtssicherheit. Da es nicht spezifisch genug ist, könnte jede Person gerichtlich verfolgt werden, auch wenn ihre Absicht nicht die erneute Viktimisierung der Betroffenen ist.

Menschenrechtskommission klagt auf Verfassungswidrigkeit

Das INGRID-Gesetz trat nach dem Feminizid an Ingrid Escamilla Vargas in Kraft. Die 25-jährige Frau aus Puebla war 2020 von ihrem Partner ermordet worden. Einen Tag später verbreiteten lokale und nationale Medien das Bild von Ingrids totem Körper, was in der Öffentlichkeit Empörung über die erneute Viktimisierung und den damit verbundenen gravierenden Mangel an Respekt und Empathie sowohl für die Ermordete als auch für ihre Angehörigen auslöste. Die Reproduktion oder Verbreitung von audiovisuellem Material, in dem Details eines Mordes oder einer Körperverletzung aufgezeigt werden, die Gegenstand von Ermittlungen sind, wurde mit dem INGRID-Gesetz unter Strafe gestellt. Im Bundesstaat Mexiko war das Gesetz seit August 2021 im lokalen Strafgesetzbuch verankert, die Höchststrafe betrug vier Jahre und sechs Monate Gefängnis. Obwohl das Gesetz einen Schutz für die Opfer bedeutete, hat die Nationale Menschenrechtskommission (CNDH) im Bundesstaat Mexiko eine Aktion wegen Verfassungswidrigkeit gegen das INGRID-Gesetz eingeleitet und einen entsprechenden Antrag beim Obersten Gerichtshof der Nation (SCJN) eingereicht, der am 2. März dem Antrag des CNDH stattgab und die Bestimmungen über dieses Gesetz in Artikel 227a des lokalen Strafgesetzbuches für ungültig erklärte.

„Ley INGRID trifft die Falschen“

Diesbezüglich erklärte Ministerin Ana Margarita Rios Fajardo, das Gesetz sei grundsätzlich für die Bestrafung von Angehörigen der Polizei oder des Beamtenapparats eingeführt worden, die ihren Zugang zu Dateien wie Fotos oder Videos von Straftaten missbrauchen. Der Gesetzestext lasse jedoch alle Türen für die Bestrafung weiterer Personen offen, darunter Medien, suchende Familien und Forscher*innen, denen die Nutzung des Bildmaterials nützlich sein könnte. Minister Javier Laynez Potisek bekräftigte diese Meinung und erklärte, diese Vorschrift führe einfach zu weit,  bis hin zur gerichtlichen Verfolgung von Familienangehörigen, die aufgrund ihrer Teilnahme am gerichtlichen Verfahren Zugang zu Bildmaterial haben. Minister Luis María Aguilar Morales stimmte diesem Punkt zu und argumentierte, das INGRID-Gesetz verstoße aus diesem Grund gegen den Grundsatz des minimalen Eingriffs des Strafrechts und schränke zudem sowohl die Meinungsfreiheit als auch das Recht der Opfer auf Zugang zu Beweismaterial ein.

Zehn Ja-Stimmen und eine Gegenstimme

Die einzige Stimme gegen die Ungültigkeitserklärung der Maßnahme kam von Ministerin Loretta Ortiz Ahlf. Die Ministerin wies darauf hin, dass die Privatsphäre der Opfer durch keine  anderen Maßnahmen geschützt werde, deshalb müsse das INGRID-Gesetz in Kraft bleiben. Solche Initiativen seien wichtig, um das Narrativ der Gewalt gegen Frauen* in Mexiko umzugestalten, denn das sei angesichts der Häufigkeit von Feminiziden und anderen Gewalttaten in Mexiko dringend notwendig. Mit zehn Ja-Stimmen und einer Gegenstimme wurde das INGRID-Gesetz im Bundesstaat Mexiko annulliert. Die Minister*innen betonten, mit dieser Entscheidung sollte nicht der erneuten Viktimisierung Betroffener Vorschub geleistet, sondern die Verfassung spezifischer Gesetze zum Schutz der Menschenrechte von Frauen, Mädchen und Jugendlichen in unserem Land gewahrt werden.

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