Porto Alegre: Radikale Christen versus Goethe-Institut

(Rio de Janeiro, 11. Mai 2018, taz).- Religiöser Groll macht dem Goethe-Institut im südbrasilianischen Porto Alegre zu schaffen. Statt Kulturschaffenden seien dort „Satanisten“ am Werk, sie sollten ihre „Ideologie der Hölle“ weit weg aber nicht in Brasilien verbreiten, ist im Netz zu lesen. Jede Menge Hasstiraden per Facebook und die Warnung, dass gute Christ*innen beim Goethe-Institut nicht mehr deutsch lernen wollen. Der sichtbare Stein des Anstoßes wurde Anfang Mai unkenntlich gemacht: Ein Graffito auf der Außenmauer des deutschen Kulturinstituts wurde übertüncht, samt dem Hinweis „Er ist auferstanden“.

Nach Meinung der religiösen Eiferer war es ein Abbild von Jesus, das der Graffiti-Künstler Rafael Augustaitiz an die Wand pinselte. Zu sehen war nur ein abgeschnittener Kopf, der waagerecht auf einem Teller liegt. Augustaitiz ist für seine provokativen Arbeiten mit religiösen Symbolen bekannt, er will damit „spirituelle Versklavung“ und Puritanismus thematisieren. „Solche Darstellungen eines abgeschnittenen Kopfes kommen in der westlichen Kunstgeschichte hundertfach vor“, sagt Marina Ludemann, Leiterin des Instituts in Porto Alegre.

Das Graffito ist Teil einer Ausstellung, mit der das Goethe-Institut just in die Debatte über Kunst oder Vandalismus eingreifen will. Bei „Pixo/Graffiti: Parallele Realitäten“ geht es um Street-Art und die Frage, ob solche ästhetischen Interventionen den öffentlichen Raum verunstalten. Letzteres meint beispielsweise der Bürgermeister von São Paulo, João Doria, der gleich nach seinem Amtsantritt Anfang 2017 unzählige Graffiti in der Stadt mit grauer Farbe überstreichen ließ.

Grau statt bunt

Die Ausstellung, die neben den Sprüharbeiten von Augustaitiz auch gesprayte Traumwelten des Künstlers Amaro Abreu zeigt, ist seit März zu sehen. Doch erst ein Video auf Youtube löste jetzt den Shitstorm aus. Die Kunst wird darin als Verfolgung von Christ*innen bezeichnet und mit Bildern aus dem Nahen Osten verglichen. Wegen dieses „Verbrechens“ solle juristisch gegen das Goethe-Institut vorgegangen werden. Der Autor des Videos war bereits im September vergangenen Jahres an einer Kampagne gegen eine Queer-Ausstellung ebenfalls in Porto Alegre beteiligt. Damals war die Kampagne erfolgreich: Die Bank Santander schloss die Ausstellung in ihrem Kulturzentrum und der evangelikale Bürgermeister von Rio de Janeiro verbot, die Werke in städtischen Räumen zu zeigen.

Nicht die immer stärkeren evangelikalen Pfingstkirchen, sonder radikale katholische Gruppen stehen hinter der Hetzkampagne, unter anderem das ‚Centro Dom Bosco‘ in Rio de Janeiro. Mit dabei ist laut Recherchen des Instituts auch die erzkonservative Gruppe MBL (Movimento Brasil Livre), die eine wichtige Rolle im Rechtsruck hat und 2016 Massenproteste gegen die damalige Mitte-Links-Regierung von Dilma Rousseff mit initiierte. „Offenbar wird hier Religion für den bevorstehenden Wahlkampf missbraucht“, sagt Ludemann.

Die Institutsleiterin freut sich, dass es zumindest im Kulturbereich viel Solidarität gibt. „Einige sagen, dass dank des Goethe-Instituts jetzt überall über diesen Konflikt geredet wird.“ Marina Ludemann weiß, dass die Hetze weitergehen wird. Sie setzt auf Dialog, will „aber nicht klein beigeben wie damals Santander“.

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