Mauerbau – Bekämpfung der Armen statt der Armut

(Montevideo, 22. Februar 2022, desinformémonos) – Bisher wurden in Lateinamerika Mauern errichtet, um wohlhabende Bezirke von den Armenvierteln zu trennen, wie etwa in Rio de Janeiro, wo die Favelas durch Mauern von den „Bairros Nobres“ abgegrenzt werden, oder in Lima, wo die berühmte „Schandmauer“ einen großen Slum in Pamplona Alta von dem wohlhabenden Viertel Casuarinas trennt.

Mobilität wird beschränkt, Migration eingedämmt

Bisher gab es zwischen einigen Ländern mehr oder weniger ausgedehnte Grenzanlagen. Argentinien errichtete eine fünf Meter hohe und 1,3 Kilometer lange Mauer, um die Stadt Posadas vom paraguayischen Ort Encarnación zu trennen, obwohl beide Länder Mitglieder des Mercosur sind. Der Bau wurde im Jahr 2015 während der Regierungszeit von Cristina Fernández vom Staat und der Provinzregierung in Auftrag gegeben. Ein neokolonialistischer Beschluss, der die Mobilität der Armen einschränkt. Schlimmer sieht es an der Grenze zwischen Mexiko und Guatemala aus: Mit Unterstützung der US-Regierung wurde hier eine umfangreiche Grenzsicherungsanlage errichtet, die die Migrant*innen zwingt, auf gefährlichere Strecken auszuweichen, wo ein höheres Risiko besteht, in die Hände von Schmugglern und Menschenhändlern zu fallen. Die 1974 in Amsterdam gegründete Non-Profit Organisation Transnational Institute (TNI) spricht in ihrem Bericht „Mundo amurallado, hacia el Apartheid Global” aus dem Jahr 2020 von einer zunehmenden Militarisierung der Grenzanlagen. Ecuador hatte 2017 versucht, eine kleine Mauer an der Grenze zu Peru zu errichten, stellte die Arbeiten aufgrund der massiven Kritik jedoch wieder ein.

Fast die Hälfte der Grenze wird zur Mauer

Am 20. Februar begann die Dominikanische Republik unter der Regierung von Luis Abinader mit dem Bau des ersten richtig langen Grenzzauns zwischen zwei Ländern der Region Lateinamerika und Karibik. Geplant ist eine fast vier Meter hohe und 20 Zentimeter dicke Konstruktion aus Stahlbeton mit 70 Wachtürmen, Bewegungssensoren, Gesichtserkennungskameras, Radar- und Infrarotsystemen. Mit einer Länge von 160 Kilometern würde sich die Mauer etwa über die Hälfte der Strecke, die die Grenze zwischen den beiden Ländern ausmacht, erstrecken. Die Gesamtkosten des Baus belaufen sich auf etwa 31 Millionen Dollar. Es gehe vor allem darum, organisierte Kriminalität einzudämmen, so die Regierung. Ebenso wichtig ist es ihr jedoch auch, die Einwanderung zu unterbinden.

Haiti, das ärmste Land der westlichen Hemisphäre

In den letzten Monaten hatte die Dominikanische Republik ihre Migrationspolitik gegenüber Haiti verschärft, zum Teil als Folge der schweren Krise, in der das Land sich befindet. Medienberichte brachten die Hintergründe deutlicher auf den Punkt: Haiti sei „einer der ärmsten Orte Lateinamerikas und der Welt“, während die Dominikanische Republik „ein sehr beliebtes Reiseziel in der Region ist, das in den letzten Jahrzehnten einen beträchtlichen Aufschwung verzeichnen konnte.“ In Haiti leben elf Millionen Menschen, von denen nach Aussagen der Organisation Médecins du Monde weit mehr als ein Drittel auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Etwa 500.000 Haitianer*innen leben in der Dominikanischen Republik, wo sie im Baugewerbe 29 Prozent, in der Landwirtschaft etwa 28 Prozent der Beschäftigten stellen. Rund neunzig Prozent der Haitianer*innen sind afrikanischer Abstammung, während in der Dominikanischen Republik Menschen mit europäischem Hintergrund und hellerer Haut dominieren. Menschen aus Haiti werden marginalisiert. Die zunehmende Militarisierung der Region, Begleitmusik des Mauerbaus, richtet sich überwiegend gegen Arme und Migrant*innen und schürt Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Insofern war es sicher kein Zufall, dass das Bauprojekt am Ufer des Masacre-Flusses, wo sich der wichtigste Grenzübergang der Insel befindet, in Anwesenheit einer großen Militärdelegation aus den höchsten Rängen der Streitkräfte stattfand.

 

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