Wo das Recht, selbst zu entscheiden, immer noch ein Verbrechen ist

Reproduktive Rechte und Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen
Das „pañuelo verde“ (dt. grünes Tuch) gilt in Lateinamerika als Symbol des feministischen Aktivismus für reproduktive Rechte. Ursprünglich entstand es in Argentinien. Foto: Fotomovimiento via flickr, CC BY-NC-ND 2.0.

(San Salvador, 25. September 2024, Agencia Presentes).- Jedes Jahr am 28. September findet der weltweite Aktionstag für einen legalen, sicheren und zugänglichen Schwangerschaftsabbruch statt. Er steht im Zeichen des feministischen Kampfes für eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Lateinamerika und der Karibik.

Das Datum geht auf das 5. Lateinamerikanische und Karibische feministische Treffen 1990 zurück. Damals wurde der 28. September – inspiriert von der Erklärung der „Freiheit des Unterleibs“ am 28. September 1888 in Brasilien – zum Symbol für den Kampf für reproduktive Rechte der Frauen in der Region erklärt.

Viele Frauen, die in Lateinamerika einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen, erfahren Kriminalisierung und Diskriminierung. Da diese medizinische Maßnahme überhaupt nur in wenigen Gesundheitseinrichtungen durchgeführt wird, sind sie oft dazu gezwungen, unsichere Verfahren zu wählen und dabei ihre Gesundheit und ihr Leben zu gefährden.

Seit 1998 sind Abtreibungen in El Salvador ohne Ausnahme verboten. Das gilt auch für Fälle von Vergewaltigung, Inzest, Gefahr für Leben und Gesundheit der Mutter oder wenn der Fötus nach der Geburt nicht lebensfähig sein wird. Diese extreme Gesetzgebung hatte bereits viele negative Folgen für die Gesundheit betroffener Frauen und entspricht nicht den Menschenrechten. Die Bürgerinitiative für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs hat die Folgen des totalen Abtreibungsverbots in El Salvador und dessen Zusammenhang mit Verurteilungen wegen schweren Mordes untersucht. Zwischen 1999 und 2019 verzeichneten sie 181 Fälle, in denen Frauen wegen Abtreibung oder gynäkologischen Notfällen, die den Embryo gefährdeten oder zu dessen Tod führten, strafrechtlich verfolgt wurden. Während andere Länder der Region weiter auf straffreie Schwangerschaftsabbrüche hinarbeiten, kriminalisiert El Salvador nach wie vor diejenigen, die über ihren eigenen Körper entscheiden wollen.

Dabei ist die Möglichkeit, einen sicheren Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen, nicht nur ein Recht, sondern auch eine Frage von Leben und Tod. Die WHO weist darauf hin, dass Komplikationen während der Geburt eine der Hauptursachen für Müttersterblichkeit sind. Die Verweigerung des Zugangs zu einem sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch führt daher nicht zu einer Verringerung der Sterblichkeit, sondern erhöht das Risiko in unsicheren Verfahren.

Legaler Schwangerschaftsabbruch: Fortschritte und Rückschläge in den Amerikas

Im Gegensatz zu El Salvador haben Mexiko und Kolumbien bedeutende Fortschritte gemacht. Der Oberste Gerichtshof Mexikos erklärte die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs für verfassungswidrig und auch Kolumbien schloss sich den feministischen Forderungen der „marea verde“ an. Mit der Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen setzte das Land einen Meilenstein für die reproduktiven Rechte in der Region.

In den Vereinigten Staaten, wenngleich sie nicht zu Lateinamerika gehören, hat sich die Situation hingegen verschlechtert. Der Oberste Gerichtshof hat 2022 das Urteil Roe v. Wade gekippt und damit das Recht auf Abtreibung auf Bundesebene abgeschafft. Diese Entscheidung hat in mehreren Bundesstaaten zu restriktiven Gesetzen geführt und ist ein schwerer Rückschlag für die reproduktiven Rechte von Frauen in den USA.

In Lateinamerika und der Karibik sind Schwangerschaftsabbrüche nur in El Salvador, Nicaragua und der Dominikanischen Republik ohne Ausnahme verboten.

Ein fundamentales Recht

Abtreiben zu können ist ein Grundrecht und eng mit der Gleichstellung, der Gesundheit und der Autonomie von Frauen verbunden. Unterzeichnerstaat der Frauenrechtskonvention CEDAW („Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“) werden dazu aufgefordert, ihre Abtreibungsgesetze zu überarbeiten, sichere reproduktive Gesundheitsdienste zu gewährleisten und Strafmaßnahmen gegen Frauen zu beenden.

Am 9. März 2022 veröffentlichte die WHO neue Leitlinien für die Betreuung von Schwangerschaftsabbrüchen. Damit sollte die Gesundheit von Frauen und Jugendlichen geschützt werden und die mehr als 25 Millionen unsichere Schwangerschaftsabbrüche, die jedes Jahr durchgeführt werden, verhindert werden. Diese sind weltweit eine der Hauptursachen für Müttersterblichkeit. Dabei ist ein legaler, sicherer und kostenloser Schwangerschaftsabbruch eine notwendige Maßnahme zum Schutz der sexuellen und reproduktiven Rechte der Frauen sowie ihrer Menschenrechte.

Bei einem Schwangerschaftsabbruch handelt es sich um ein sicheres und einfaches Verfahren, sofern er mit Methoden durchgeführt wird, die die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, dem Schwangerschaftsstadium angemessen ist und von geschultem Personal vorgenommen wird. Allerdings wird nur die Hälfte aller Schwangerschaftsabbrüche unter diesen Bedingungen durchgeführt. Unsichere Abtreibungen führen jährlich zu etwa 39.000 Todesfällen und mehreren Millionen Krankenhausaufenthalten, die für betroffene Frauen nach Komplikationen notwendig werden. Die meisten Todesfälle ereignen sich in Ländern mit niedrigem Einkommen, wobei mehr als 60 % in Afrika und 30 % in Asien zu verzeichnen sind. Auch dort sind jeweils Personen aus den am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen am meisten betroffen.

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