
(Mexiko-Stadt, 7. Oktober 2025, cimac noticias).- Die von Nayib Bukele geführte Regierung El Salvadors hat den Gebrauch der inklusiven Sprache in allen öffentlichen Bildungszentren verboten. Dieser Beschluss trägt nicht nur zur Ausblendung und Unsichtbarmachung der Frauen bei, sondern reflektiert auch die schwere Menschenrechtskrise in der Region.
Mit dieser Vorschrift wird die Verwendung von Ausdrücken wie „amigue“, „compañere“, „niñe“, „alumn@“ oder „todas y todos“ untersagt sein [bei denen der Vokal „o“ im sogenannten generischen Maskulinum durch ein „e“ oder ein „@“ ersetzt wird, um deutlich zu machen, dass auch das mit „a“ geschriebene feminine Äquivalent mit diesem einen Wort ausgedrückt werden soll, bzw. wo die „mitgedachte“ weibliche Form des spanischen Wortes für „alle“ explizit neben der Form im grammatischen Maskulinum mit angegeben wird – Anm. d. Übers.]. Die Entscheidung wurde mit dem Argument getroffen, „den guten Gebrauch der Sprache“ in allen Arten von Materialien, Büchern und Verwaltungsdokumenten zu gewährleisten.
Somit bleibt die inklusive Sprache ein Terrain des symbolischen und kulturellen Streits, bei dem nicht nur die Art zu sprechen diskutiert wird, sondern auch die Art und Weise, wie die Gegenwart von Frauen, die historisch gesehen selbst in der Lexik unsichtbar gemacht wurden, anerkannt oder ausgeblendet wird.
Angeblicher Schutz vor „ideologischer Einflussnahme“
Die Verordnung wurde von Karla Edith Trigueros, Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Technologie, unterzeichnet. Sie informierte auf ihrem Konto bei X darüber, dass mit der Umsetzung dieser Initiative diesen Monat begonnen werde, um „die junge Generation vom Kleinkind- bis zum Jugendalter vor ideologischer Einflussnahme, die ihre ganzheitliche Entwicklung beeinträchtigt, zu schützen.“
Der Beschluss hat Kritik hervorgerufen, denn er bedeutet einen Rückschlag für Frauen. Laut dem Artikel El lenguaje inclusivo y no-sexista. Una mirada general desde el enfoque iusfilosófico y sociojurídico („Inklusive und nicht-sexistische Sprache. Ein allgemeiner Überblick aus rechtsphilosophischer und sozialrechtlicher Perspektive“) stellt diese Art von Sprache eine historische Antwort auf die Unterpräsentation und Marginalisierung der Frauen dar. Sie zu unterdrücken fördert demnach soziale Ungerechtigkeit und verstärkt die strukturellen und symbolischen Ungleichheiten, die die Unterordnung aufrechterhalten.
Die Studie stützt sich auf die kritische Rechtstheorie und argumentiert, dass Sprache ein Machtinstrument sei, das die Fähigkeit zur Unterdrückung oder Befreiung habe. Aus dieser Perspektive heraus bestimmt die Diskurskontrolle die Strukturen, aus denen heraus die Beziehungen zwischen (grammatischem) Genus und (biologischem) Sexus betrachtet und wahrgenommen werden.
In diesem Sinne vertritt die feministische Theoretikerin Silvia Federici in ihrem Buch El patriarcado del salario („Das Lohnpatriarchat“) die These, dass die inklusive Sprache dazu beitrage, die patriarchalischen Strukturen abzubauen und eine größere Geschlechtergleichheit zu fördern, was sie als ersten Schritt zu einer tiefgreifenderen Veränderung der Machtverhältnisse und der sozialen Wahrnehmung des Geschlechts betrachtet.
Sprache ändert sich
Nach Aussage der salvadoranischen Ministerin Trigueros soll der Beschluss die Sprache „schützen“. Der oben genannte Artikel El lenguaje inclusivo y no-sexista. Una mirada general desde el enfoque iusfilosófico y sociojurídico widerlegt dieses Argument, indem er daran erinnert, dass Sprache „lebendig“ sei und sich ständig entwickele. Dadurch, dass sie kulturell und durch Nachahmung erworben werde, sei sie empfänglich für Änderungen.
Durch diese Wandlungsfähigkeit werden die sozialen und kulturellen Prozesse jeder Epoche widergespiegelt. In diesem konstanten Innovationsfluss verwandelt Sprache sich in ein Zeugnis der sozialen Evolution, indem sie sich anpasst und sich verändert und dadurch neuen Erfahrungen und Realitäten Ausdruck verleiht.
Konservativer Widerstand
Der Widerstand gegen inklusive Sprache ist nicht auf El Salvador beschränkt. Verschiedene konservative und traditionalistische Gruppierungen in Lateinamerika behaupten, dass ihre Verwendung eine „ideologische Bevormundung“ sei, die gegen traditionelle Werte und etablierte Normen der spanischen Sprache verstoße. Aus dieser Sichtweise heraus „verzerrt“ inklusive Sprache die Standardsprache und stellt keine positive Veränderung dar.
Diejenigen, die ihre Verwendung befürworten, erinnern an Folgendes: „Herr der Sprache sind alle, die sie sprechen, und nicht die Akademie; die Akademie regelt nur ihren Gebrauch.“ [Gemeint ist die Real Academia Española, die „Königlich Spanische Akademie“, deren Vorgaben bezügliche Grammatik und Orthographie für die Schulen und Behörden in den spanischsprachigen Ländern verbindlich sind. – Anm. d. Übers.]
Trotz des Widerstandes wird der Vormarsch der inklusiven Sprache vorangetrieben, hauptsächlich von Menschenrechts- und feministischen Bewegungen, die sie als ein Werkzeug des Widerstandes und des Empowerments bewerben. Ihre Verbreitung wird auch durch öffentliche Politik und den Druck internationaler Organisationen unterstützt, welche versuchen, die Prinzipien der Gleichheit und Nichtdiskriminierung zu stärken.
Abbau von Rechten
Es ist wichtig zu erwähnen, dass der Beschluss zum Verbot geschlechtsneutraler Sprache inmitten einer Situation kommt, die im Land zu beobachten ist, seitdem Nayib Bukele 2019 Präsident wurde.
Mit dem Aufstieg Bukeles an die Macht wurde die Basis für eine autoritäre Regierung gelegt, die sich im Jahr 2022 mit der Verhängung des Ausnahmezustandes unter dem Argument der Bandenbekämpfung festigte. Diese Maßnahme hatte jedoch eine Verschlimmerung der Menschenrechtsverletzungen sowie Folterfälle von Seiten des Staates zur Folge, wie Verteidigerinnen und Journalistinnen beklagten, die bedroht, zum Exil gezwungen oder sogar kriminalisiert wurden.
Laut der Weltorganisation gegen Folter sind im Land noch immer mindestens 34 Menschenrechtsverteidiger*innen im Gefängnis.
Ein besonders repräsentatives Beispiel dieser Unterdrückung ist der Fall Ruth López, Leiterin des Referats für Korruptionsbekämpfung bei Cristosal [eine der wichtigsten Menschenrechtsorganisationen in Mittelamerika – Anm. d. Übers.], die am 18. Mai dieses Jahres wegen angeblicher unrechtmäßiger Bereicherung festgenommen wurde. Sowohl sie als auch die Organisation haben die Anschuldigungen zurückgewiesen und behaupten, dass es sich um einen politischen Racheakt handle, hervorgerufen durch ihre Nachforschungen und ihre kritische Stimme gegenüber einer Regierung, die mit einem angeblichen Fortschritt prahlt.
Am 4. Juni fand die erste Anhörung von Ruth López statt. Im Zusammenhang mit der Festnahme der Menschenrechtsverteidigerin hatte es eine Reihe von Unregelmäßigkeiten geben, so ist dokumentiert, dass die mutmaßliche Straftat geändert wurde und dass es Probleme mit dem ordnungsgemäßen Verfahren und der Unschuldsvermutung gegeben hat.
Die Verhaftung von López stellte für Cristosal den Wendepunkt dar, der die Organisation zwang, ihre Tätigkeit im Land einzustellen. Es war nicht der einzige Fall von Schikane, denn Teammitglieder berichteten auch von Überwachung und Einschüchterung durch die Polizei.
Repression gegen die Presse
Die Repression betraf nicht nur Menschenrechtsverteidigerinnen, sondern hat auch die Journalist*innen schwer getroffen. Am 1. Juni dieses Jahres berichtete das salvadorianische Medium El Faro, dass alle seine Mitglieder ins Exil nach Guatemala gehen werden, da sie nach der Veröffentlichung einer Nachforschung, die Vereinbarungen zwischen Banden und der Regierung von Bukele aufdeckte, Angst vor willkürlichen Verhaftungen hätten. Das erste Kapitel mit dem Titel „Charlis Geständnisse“ wurde am 1. Mai veröffentlicht und löste eine heftige Reaktion der Regierung aus.
In seiner Fotoreportage „Fragmente aus einem neuen Exil“ dokumentierte El Faro die schwierige Situation, in der sich seine Journalist*innen befinden, und wies darauf hin, dass nach Angaben des salvadorianischen Journalistenverbandes, der das Ganze als einen „Massenexodus“ bezeichnete, bis zum 13. Juni mindestens 40 zwangsweise vertrieben worden seien. Auch wenn die genaue Zahl der Menschenrechtsverteidiger*innen, die nach der Verhaftung von Ruth López ins Exil gingen, unbekannt ist, so weiß man doch, dass viele das Land auch aus Sicherheitsgründen verlassen haben, so wie die Mitglieder von Cristobal.
Diese Serie von Aktionen, die gegen die Menschenrechte verstoßen, lassen erahnen, dass der Beschluss, inklusive Sprache zu verbieten, kein zufälliges Ereignis ist, sondern einer patriarchalischen und ultrakonservativen Struktur entspricht, die seit sechs Jahren im Aufbau befindlich ist und nicht enden will.
Übersetzung: Christa Röpstorff
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