Über die Hälfte der pflanzlichen Lebensmittel mit Agrargiften belastet

(São Paulo, 11. Dezember 2019, Brasil de Fato).- Von zehn Lebensmitteln kann eines Vergiftungssymptome innerhalb von weniger als einem Tag hervorrufen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der brasilianischen Behörde für Gesundheitsüberwachung Anvisa (Agência Nacional de Vigilância Sanitária). Dem Bericht zufolge enthält mindestens die Hälfte der Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs, die in Brasilien konsumiert werden, Rückstände von Agrargiften.

Nur Bundesstaat Paraná verweigerte sich der Untersuchung

Insgesamt 4.616 Proben von 14 Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs wurden analysiert. Diese stellen einen Querschnitt durch die Ernährung der brasilianischen Bevölkerung dar, zum Beispiel Reis, Salat, Karotten, Orangen, Tomaten und Trauben. Die Wissenschaftler*innen fanden in 51 Prozent der Proben gesundheitsschädliche Rückstände. Anvisa sammelte die Proben in Einzelhandelsläden aus 77 Städten in fast ganz Brasilien – nur der im Südosten gelegene Bundesstaat Paraná wollte sich nicht beteiligen.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 23 Prozent der untersuchten Lebensmittel eine Konzentration an Agrargiften enthielten, die über dem von der Behörde selbst festgelegten Höchstwert liegt. Ein hohes Risiko für das Auftreten von Vergiftungssymptomen innerhalb von weniger als einem Tag wurde für 41 Proben ermittelt. Demzufolge droht bei einem von hundert untersuchten Lebensmitteln Schaden für die Gesundheit der Verbraucher*innen.

Schwachpunkt: Nur auf 270 von 500 registrierten Agrargiften geprüft

Trotzdem hält Anvisa den Verzehr von Lebensmitteln in Brasilien insgesamt für unbedenklich. Von einem grundsätzlichen Risiko für die Gesundheit der Verbraucher*innen lasse sich nicht zwingend sprechen. Der Ingenieur Alan Tygel, Koordinator der Dauerkampagne gegen Agrargifte und für das Leben (Campanha Permanenen contra os Agrotóxicos e pela Vida), gibt jedoch zu bedenken, dass der Giftanteil der untersuchten Lebensmittel noch größer wäre, würde die Studie sich nicht auf 270 der 500 in Brasilien registrierten Agrargifte beschränken. Tygels Vorwurf: Die Behörde spiele die Risiken der Agrargifte herunter. „Es bereitet uns große Sorge zu wissen, dass die brasilianische Bevölkerung Tag für Tag vergiftete Lebensmittel, mindestens die Hälfte, isst.“ Schwer wiege auch, dass 1 Prozent der Lebensmittel gravierende Gesundheitsschäden hervorrufen könne. Ausgerechnet die für die Gesundheit der Bevölkerung zuständige Behörde aber verharmlose diese potenziellen Schäden. Die Behörde Anvisa sehe die Verwendung von Agrargiften offenbar als etwas ganz Normales an.

Der Ingenieur kritisiert außerdem, dass der Bericht an keiner Stelle den Konsum umweltfreundlicher, ohne Agrargifte hergestellter Lebensmittel, empfehle. Dies zeuge von einem fehlenden Willen zur Aufklärung der Verbraucher*innen und mangelndem Respekt vor der Bevölkerung. Die Behörde Anvisa mache sich zur Verteidigerin der Interessen der Großunternehmen.

Vorwurf: Behörde stellt sich in den Dienst der Agrargift-Hersteller

Der Bericht endet mit der Empfehlung, einige Bestandteile von Agrargiften, die ein erhöhtes Risiko für die Verbraucher*innen bedeuten, zu überprüfen. Ziel sind effektivere Restriktionen. Zudem solle die Bevölkerung zu Lebensmitteln der jeweiligen Saison greifen, auf der Angabe des Erzeugers bestehen und die Lebensmittel vor dem Verzehr waschen. Tygel lobt diese Haltung, habe es in vergangenen Berichten doch keine Handlungsempfehlungen der Behörde gegeben. Bedauerlicherweise aber halte Anvisa von Unternehmen finanzierte Studien für wichtiger und stelle sich in den Dienst des Großkapitals, sprich der Hersteller von Agrargiften.

 

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