(Curitiba, 27. August 2024, brasil de fato).- Das leichte Wachstum der brasilianischen Wirtschaft in der Zeit zwischen 2022 und 2023 – dem Ende der Regierung von Jair Bolsonaro und Anfang der Regierung von Luiz Inácio Lula da Silva – führte zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit im Land, einer Erhöhung des Arbeitseinkommens sowie einer Verringerung der extremen Armut. Trotzdem stieg die Konzentration der Einkommen.
Die brasilianische Beobachtungsstelle für Ungleichheiten, die die Daten am 27. August veröffentlicht hat, ist eine Initiative der Brasilianischen Aktion zur Bekämpfung von Ungleichheiten (ABCD), die 2023 gegründet wurde. Die Aktion wird von sozialen Organisationen, Gemeindeverbänden, Gewerkschaftszentren, staatlichen und juristischen Körperschaften unterstützt.
Im Jahr 2023 stellte die Beobachtungsstelle erstmals eine Reihe von 42 Indikatoren vor, die zur Messung der Ungleichheit in Brasilien beitragen. Dieses Jahr wurde das Monitoring aktualisiert und zeigte mehr Verbesserungen als Verschlechterungen auf.
Von den 42 beobachteten Indikatoren zeigten 19 eine Verbesserung auf (44 Prozent). Neun Indikatoren verschlechterten sich, weitere neun Indikatoren konnten nicht aktualisiert werden, weil die verfügbaren Daten unzureichend waren. Die Übrigen zeigten keine Veränderung.
Laut der Beobachtungsstelle ist der Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben, von 2022 bis 2023 um 40 Prozent gesunken. Die Studie beruft sich auf Daten des brasilianischen Instituts für Geografie und Statistik (IBGE), wonach Menschen mit einem Einkommen von bis zu 105 Reais (17 Euro) pro Monat im Jahr 2022 und bis zu 109 Reais (17,60 Euro) pro Monat im Jahr 2023 als extrem arm gelten. Der Rückgang der Armut bei schwarzen Frauen war mit 45,2 Prozent noch größer.
Arbeitslosigkeit ging zurück, Einkommensungleichheit steigt
Die Beobachtungsstelle wies auch auf eine Verringerung der Arbeitslosigkeit im Land um etwa 20 Prozent von 2022 bis 2023 hin, auch unter Verwendung von IBGE-Daten. Das Institut registrierte zudem eine Steigerung der Einkommen von Arbeitnehmer*innen um etwa 8,3 Prozent. Diese Steigerung war mit 9,6 Prozent bei Frauen höher als bei Männern (7,7 Prozent).
Allerdings stieg die Einkommensungleichheit in Brasilien leicht an. 2022 hatte das reichste eine Prozent der Bevölkerung ein 30,2-mal höheres Einkommen als die ärmsten 50 Prozent. Im Jahr 2023 war das Einkommen der Reichsten 31,2-mal so hoch wie das der Ärmsten. „Das ist eine sehr große Ungleichheit“, sagte der Soziologe Clemente Ganz Lúcio, Koordinator des Forums der Gewerkschaften und einer der Mitarbeiter der Beobachtungsstelle, in einem von Brasil de Fato produzierten Interview mit Central do Brasil.
Ihm zufolge sind die Ungleichheiten in Brasilien ein strukturelles Problem, das schwer zu bewältigen sei. „Andererseits wird bereits beobachtet, dass es im Jahr 2023 aufgrund wichtiger öffentlicher Maßnahmen insbesondere auf Bundesebene eine Auswirkung auf die Verringerung der Ungleichheit gab“, fügte er hinzu.
Weitere Verbesserungen
Im Bildungs- und Gesundheitswesen stieg der Anteil der schwarzen Frauen zwischen 18 und 24 Jahren an den Hochschulen um 12,3 Prozent, so die IBGE. Darüber hinaus ging der Anteil der Mütter bis 19 Jahre, die Kinder zur Welt brachten, um 14 Prozent zurück.
Im Umweltbereich gab es einen Rückgang der Abholzung um 13,1 Prozent in indigenen und Naturschutzgebieten. Der Rückgang war laut Daten des Peregum Black Reference Institute im Norden mit 46,4 Prozent am stärksten.
Höhere Säuglingssterblichkeit, höherer CO2-Ausstoß
Im Gegensatz dazu gab es zwischen 2022 und 2023 einen Anstieg der Mangelernährung bei indigenen Kindern, was laut der Beobachtungsstelle für Ungleichheit auf eine „ansteigende Krise“ hinweist. „Zu den möglichen Ursachen dieser Verschlechterung gehören sowohl geografische Probleme als auch struktureller Rassismus, der indigene Menschen in städtischen Kontexten unsichtbar macht und Barrieren für den Zugang zu Dienstleistungen aufwirft“, heißt es im Bericht.
Es gab auch einen Anstieg der Säuglingssterblichkeit zwischen 2021 und 2022 um fünf Prozent, und eine Zunahme der „vermeidbaren“ Todesfälle im gleichen Zeitraum um 22 Prozent.
Der Bericht der Beobachtungsstelle stellt zudem fest, dass von 2019 bis 2022 das Wohnungsdefizit auf 6,4 Millionen Wohnungen gestiegen ist. Die CO2-Emissionen, die den Treibhauseffekt verursachen, haben sich im gleichen Zeitraum um 30 Prozent erhöht.
„Die Daten bis 2022 zum Wohnungsdefizit zeigen, dass es einen Anstieg gab. Wahrscheinlich werden wir, wenn wir die Aktualisierung dieser Indikatoren haben, beobachten, dass die Politik der Wiederaufnahme von Minha Casa Minha Vida (Programm zur Wohnungspolitik, Anm. d. Ü.) diese Auswirkungen verringern wird“, so Ganz Lúcio.
Übersetzung: Fabiana Raslan
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