Lithiumabbau – Das Eldorado des 21. Jahrhunderts heißt Bolivien

von Carola Caggiano

(Berlin, 22. November 2009, npl).- Die neue revolutionäre Entwicklung in der Automobilindustrie trägt den Namen „Chevrolet Volt“. Das neue Modell aus dem Hause General Motors wird, man lese und staune, mit elektrischer Energie betrieben. Mit dem neu entwickelten Elektrofahrzeug bietet der Automobilmarkt nun endlich eine umweltfreundliche Alternative zum Verbrennungsmotor.

Die Funktionsweise des „Steckdosen–Autos“ ist recht simpel und entspricht in etwa der eines Mobiltelefons: Ist die Batterie leer, lädt man sie auf und setzt die Nutzung fort. Das A und O ist somit die Kapazität der Batterie. Lithium ist zur Herstellung leistungsfähiger Batterien besonders geeignet. Die Materialdichte des Leichtmetalls liegt um 50 Prozent unter der von Wasser, trotz seines niedrigen Gewichts verfügt Lithium jedoch über eine sehr hohe Energiedichte und Spannungslage sowie eine lange Lebensdauer. Da es somit exakt die Eigenschaften in sich vereint, die vonnöten sind, um das Auto der Zukunft voranzutreiben, hat sich das Leichtmetall quasi über Nacht zu einem heiß begehrten Schatz entwickelt. Das Eldorado des 21. Jahrhunderts heißt Bolivien.

Untersuchungsergebnissen des Geologischen Instituts der USA zufolge befinden sich etwa 50 Prozent der weltweiten Lithium–Vorkommen unter dem Salar de Uyuni, dem im Südosten Boliviens gelegenen größten Salzsee der Welt. Doch Bolivien hat nicht nur riesige Lithium–Vorkommen, sondern auch einen neuen Präsidenten und eine neue Verfassung. Der 2006 zum Staatsoberhaupt gewählte Evo Morales befürwortet die Verstaatlichung der bolivianischen Rohstoffvorkommen. So wurden Teile der Öl– und Erdgasvorkommen bereits zu Volkseigentum erklärt. Da auch der Lithiumabbau als ausgesprochen einträgliches Geschäft eingeschätzt wird, muss nun dafür gesorgt werden, dass die lockenden Gewinne nicht von landesfremden Interessenten abgeschöpft werden.

Die Markteinführung des Chevrolet Volt ist für 2010 vorgesehen. General Motors ist jedoch bei weitem nicht der einzige Lithium–Interessent. Auch andere führende Autohersteller wie Nissan, Mitsubishi, Sumitomo, Ford, BMW und Mercedes arbeiten an der Entwicklung eigener „Steckdosen–Modelle“. Um das Lithium verkaufen zu können, muss man es abbauen. Dafür bedarf es einer entsprechenden Industrie, die jedoch in Bolivien, dem ärmsten Land Lateinamerikas, nicht vorhanden ist.

Also müssen Investoren gewonnen werden, die in der Lage sind, die technologischen Voraussetzungen für den Lithiumabbau zu schaffen. Morales reiste im Februar nach Russland und Frankreich, um Sponsoren für das Projekt zu begeistern. Wie es scheint, ist die französische Bolloré–Gruppe, die Batterien für die italienische Unternehmen Pininfarina herstellt, an der Zusammenarbeit interessiert. Auch der Iran und Südkorea stellten in Aussicht, sich durch Investitionen in Millionenhöhe am Lithiumabbau zu beteiligen. Für die zweite Phase der Ausbeutung der Lithium–Vorkommen des Salar de Uyuni, die Fertigung von Batterien im eigenen Land, brachte der Generaldirektor des Bergbauministeriums, Freddy Beltrán, Brasilien als Partner ins Gespräch.

Einerseits treffen also die Gewinninteressen von Investoren aus allen Teilen der Welt in Bolivien aufeinander. Andererseits sichert Artikel 30 der neuen Verfassung den Indígenas die Beteiligung an den Erträgen zu, die durch den Abbau von Rohstoffen in ihren Territorien erwirtschaftet werden. Die politische Lage verlangt also einiges an Geschick. Man muss dem ausländischen Kapital die Pforten öffnen, darf sie aber auf keinen Fall zu weit aufreißen. Wirtschaftsexperte Juan Carlos Zulueta warnte sogar, eine „allzu harte Hand“ verschrecke die Investoren und bringe sie dazu, ihr Geld woanders anzulegen. Auch Chile und Argentinien verfügen über große Lithium–Vorkommen und haben außerdem direkten Zugang zum Meer, was den Export des Metalls nach dem Abbau erleichtern würde.

Eine weitere schwierige Aufgabe, der sich die Regierung stellen muss, ist die Umweltbelastung, die der Lithium–Abbau für den Salar de Uyuni bedeuten könnte. Die Regierung geht davon aus, dass der Abbau des Lithiumkarbonats den See nur geringfügig beeinträchtigen wird. Der Salzsee als sehr beliebte Touristenattraktion zählt wiederum selbst zu den Reichtümern des Landes. Mit einer Oberfläche von 12.000 km² ist er die größte Salzwüste der Welt. Diese einzigartige Naturlandschaft befindet sich in einer der wirtschaftlich ärmsten Regionen Boliviens.

Zweifelsohne verfolgt Bolivien für die nähere Zukunft ehrgeizige Industrialisierungspläne. Am 1. April 2008 gab Morales grünes Licht für das Dekret 29496, das die Ausbeutung von Evaporitvorkommen, wie die unter dem Salar de Ayuni gelegenen Lithium–Vorräte, zum Vorhaben von nationaler Priorität erklärt. Entsprechend wurde die Dirección Nacional de Recursos Evaporíticos de Bolivia (Landesamt für Evaporitvorkommen) ins Leben gerufen. Diese ist vorrangig damit betraut, die Extraktion der Salzablagerungen in die Wege zu leiten. Die Kosten für die zu diesem Zweck eigens konstruierte Anlage werden auf 5,7 Millionen Dollar beziffert. Der Grundstein für die Anlage wurde am 24. März von Morales selbst gelegt. Aus den auf diese Weise geborgenen Ablagerungen sollen monatlich etwa 40 Tonnen des wertvollen Leichtmetalls gewonnen werden. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll eine Maschine mit einer Förderkapazität von 1.000 Tonnen pro Monat für den Abbau eingesetzt werden. Die Regierung hofft, die Lithium–Ausfuhr in einem Zeitraum von zehn Jahren zum Massenexport auszubauen.

Während die Morales–Regierung noch an ihrer Strategie feilt, klettert der Lithium–Preis weiter in die Höhe. Der Preis für eine Tonne des begehrten Leichtmetalls ist heute achtmal so hoch wie noch vor sechs Jahren und liegt mittlerweile bei 3.000 Dollar. Auch die Nachfrage steigt kontinuierlich an. Man schätzt, dass sich ihr Niveau bis 2020 um das Vierfache erhöht.

Bolivien wird mittlerweile als das „neue Saudi–Arabien“ gehandelt. Dennoch bleibt die Frage, wie das Land es schaffen kann, möglichst großen finanziellen Nutzen aus dem „Lithium–Fieber“ zu ziehen, ohne den Löwenanteil der Gewinne an die transnationalen Konzerne zu verlieren und ohne den Salar de Uyuni zu zerstören oder die knappen Wasservorräte der Wüstenregion zu verschmutzen. Angesichts des tiefen Grabens, der das Land in zwei Lager spaltet, tut Morales gut daran, keinen falschen Schritt zu tun. Die nächsten Wahlen stehen nur wenige Monate bevor.

(hierzu gibt es auch einen Audiobeitrag: „Bolivien: das neue Saudi Arabien?“ der Autorin im Rahmen der Kampagne „Knappe Ressourcen? – Gemeinsame Verantwortunf!“ des NPLA mit der URL: http://www.npla.de/old/onda/content.php?id=1005

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