von Raquel Sierra
(Lima, 19. Mai 2012, semlac).- Wenn man auf die kubanischen Familien im Jahr 2012 schaut, wäre es schon merkwürdig, wenn der Blick nicht auf jene Familien fällt, die von einem komplexen und weltweiten Phänomen geprägt sind: dem Phänomen der internationalen Migration, mit seinen zahlreichen Gründen, Auswirkungen und Dimensionen. Das Phänomen der kubanischen Emigration erfordert eine genauere Beleuchtung der Gesellschaft, der Gesetzgebung und den Interessen der Personen.
Weltweite Migration von KubanerInnen
Ein Trend, der in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann, führte dazu, dass Kubaner und Kubanerinnen heute auf allen Breitengraden anzutreffen sind. Zwar ließen sich die meisten in den USA und Europa nieder, jedoch zog es viele auch an fernere Orte, wie Südafrika oder Australien. Laut offiziellen Statistiken umfasst die Gemeinschaft der im Ausland lebenden Kubaner*innen derzeit etwa 1,7 Millionen Menschen.
Die Migration hat Auswirkungen sowohl für die Menschen, die Kuba verlassen, als auch für jene, die auf der Insel bleiben. Sie findet unter einer Gesetzgebung statt, die seit Jahren nicht ausgewertet und daher auch nicht aktualisiert worden ist.
Auswirkungen auf Familienstrukturen
In ihrer Konferenz „Wer hat keine ausgewanderten Familienmitglieder? Psychosozialer Ansatz zur Erforschung von Gesundheit, Identität und Gleichheit“, unterstreicht Consuelo Martín, Profesorin der Universität von Havanna, dass Migrationsprozesse mittlerweile fester Bestandteil der kubanischen Familien seien.
In dem Ständigen Forum der Reflexions- und Solidaritätsgruppe Oscar Anulfo Romero OAR (Foro Permanente del Grupo de Reflexión y Solidaridad Oscar Arnulfo Romero) erklärte Martín am 3. Mai, dass sich die Emigration auf Strukturen, Dynamik und Funktionen der Familien auswirke. Sie bringe Neuverteilung und Bedeutungsänderung der Rollen und Funktionen mit sich und mache zudem das Verhältnis zwischen anwesenden und abwesenden Familienmitgliedern komplexer. Die Emigration sei außerdem eine Herausforderung für den Sozialisierungsprozess und den Lebenszyklus.
„Vor 15 oder 20 Jahren tauchte unter den Gründen für psychologische Beratung zum Beispiel das Thema der Migration auf. Im Wesentlichen handelte es sich um Fälle von Kindern, die von ihrem Vormund, fast immer den Großeltern, begleitet wurden, da beide Elternteile ausgewandert waren“, so Martín.
Migration und wirtschaftliche Ungleichheit
Die Ungleichheit, betont sie, hänge mit den soziodemografischen Eigenschaften derjenigen zusammen, die das Land verlassen. Größtenteils handele es sich um Migration weißer Kubaner*innen – Mestizen und Schwarze dagegen emigrieren weniger häufig. Mögliche finanzielle Rücksendungen der Emigrant*innen wirken sich positiv auf die zurückbleibenden Familien aus und verbessern deren Lebensbedingungen. Für andere Teile der Bevölkerung gelte dies jedoch nicht.
Desweiteren ziehe die Migration von Fachleuten auch neue Migrant*innen an, die ebenfalls zu denselben sozialen Schichten gehören, erklärt Martín.
Die Forscherin Denisse Delgado des Zentrums für psychologische und soziologische Studien CIPS (Centro de investigaciones Psicológicas y Sociológicas) erinnerte ihrerseits daran, dass der politische Faktor als wesentlicher Antrieb für das Verlassen des Landes seit den 1990er Jahren durch den wirtschaftlichen Faktor ersetzt worden sei. Dies sei zurückzuführen auf die rezessionsbedingte Wirtschaftskrise, die Kuba erfasst habe.
Feminisierung der Migration
Eine Studie aus dem Jahr 2010 bestätigte die Tendenz hin zur Feminisierung der Migrationsbewegungen. Komme es aufgrund der abnehmenden Fruchtbarkeit zu keinem Bevölkerungsausgleich, führe die Feminisierung der Migration in Verbindung mit dem Alterungsprozess zu einem Bevölkerungsschwund.
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