Von Markus Plate
(San José, 5. Juni 2017, npl).- Landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Costa Rica: Europa denkt da vor allem an Bananen und Ananas, tropische Früchte eben. Aber das kleine zentralamerikanische Land produziert alles, was man sich vorstellen kann. Auf den Wochenmärkten liegen Äpfel neben Mangos, Maniok neben Kartoffeln, Brombeeren neben Brotfrüchten, Kochbananen neben Karotten. Die unterschiedlichen Klimazonen machen diese Vielfalt möglich. Doch während die Ananas-, Orangen- und Bananenplantagen im Tiefland von Exportrekord zu Exportrekord rasen, haben Costa Ricas Bauernfamilien im Hochland zu kämpfen. Seit den Finanz- und Wirtschaftskrisen der 80er und 90er Jahre hat der Staat seine Unterstützung für die kleinbäuerliche Landwirtschaft weitgehend eingestellt. Viele Bauernfamilien leben heute am Existenzminimum. Doch es gibt Alternativen.
„Bei uns ist alles biologisch und zertifiziert“, preist der 24 Jahre junge Ökobauer Jonathan Castro Granados auf dem Wochenmarkt seine Produkte an. Sieben Familien haben sich vor Jahren zu einer Kooperative zusammengeschlossen und können heute eine lange Liste von 85 Erzeugnissen anbieten. Vorher hatte ihnen die konventionelle Landwirtschaft die Böden ausgelaugt und gesundheitliche Probleme gebracht. Heute produziere man gesunde Produkte, die aber auch wirtschaftlich Sinn machen: „Bio ist sicherlich teurer wegen des Arbeitseinsatzes und der Zertifizierungskosten. Dafür bringen unsere Erzeugnisse mehr ein. Wir verkaufen auch Warenkörbe, die wir direkt zu den Kunden bringen, die Kunden wissen, wann sie was bekommen – und wir können besser planen.“
Renaissance des Kaffeeanbaus
Das Dorf Santa Maria de Dota ist eines der Zentren des costa-ricanischen Kaffeeanbaus. Um das Dorf herum und die Hügel hinauf leuchtet das Dunkelgrün der Kaffeebüsche, dazwischen Bananenstauden oder Mangobäume, darüber Wald. Anfang des Jahrtausends brachen die Kaffeepreise dramatisch ein und Costa Rica mit seinen hohen Lebenshaltungs- und Produktionskosten war plötzlich nicht mehr konkurrenzfähig – zahllose Kaffeebäuer*innen mussten aufgeben. In Santa Maria de Dota hat der Kaffee überlebt – und gedeiht mittlerweile wieder prächtig.
COOPEDOTA, die Kooperative der Kaffeeproduzenten von Santa Maria de Dota und Umgebung liegt am Ortseingang. Silos, Mühlen und Trockenanlagen dominieren schon optisch das Stadtbild. 1960 wurde COOPEDOTA gegründet, weil die Bauern damals keine Möglichkeiten hatten, für die Ernte einen guten Preis zu erzielen. Heute hat die Kooperative 900 Mitglieder. Manager Roberto Mata Naranjo sitzt in seinem Büro direkt hinter dem Labor der Qualitätskontrolle, ein acht bis zehn Stundentag bei Kaffeeduft: „Anderswo sind die Kaffeebauern komplett den Händlern, den Transnationalen ausgesetzt. Obwohl sie sehr guten Kaffee haben, erzielen sie miese Preise – und die Großhändler freuen sich diebisch.“ COOPEDOTA hat dagegen den gesamten Prozess in der Hand: „Wir waschen und trocknen die Kaffeebohnen und bereiten sie für den Export auf. Wir mahlen und
rösten den Kaffee für den nationalen Markt. Dadurch erzielen wir fast den doppelten Preis.“
Die Kooperative exportiert von der Rainforest Alliance zertifizierten Kaffee, also Kaffee, der nachhaltig Regenwald schonend produziert ist. Ein zweites Zertifikat weist COOPEDOTA als CO2 neutral aus. Fast 90 Prozent der Wälder um Santa Maria de Dota sind geschützt, die meisten davon noch Primärwälder. Wie beim fair gehandelten Rohrzucker sind auch beim umwelt- und klimaschonend produzierten Kaffee viele Verbraucher*innen auf der Welt bereit, einen höheren Preis zu zahlen. Den Bäuer*innen von COOPEDOTA bringt das nach Angaben des Managers ein Extra von mindestens 25 US-Dollar pro Zentner Kaffee.
Costa Ricas Landwirtschaftsminister Luis Felipe Araus redet gerne über die zwei Säulen costa-ricanischer Landwirtschaftspolitik: Den Export von Agrarprodukten, der Devisen bringt und den Erhalt der heimischen Landwirtschaft durch die Förderung lokaler Märkte. Ein bisschen Ernährungssouveränität will der Minister also erhalten – trotz des Ananasbooms und des großen Einflusses der Großgrundbesitzer*innen und transnationalen Agrounternehmen auf die Politik: „Wenn wir wollen, dass die Landwirtschaft auch weiterhin produziert, was wir essen, dann müssen die jungen Menschen Liebe zur Landwirtschaft entwickeln und in der Produktion eine Perspektive sehen.“ Das könne durch Forschung geschehen, durch Hilfe bei der Vermarktung oder durch die Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte. Ziel dabei sei immer, die Produktivität zu steigern und Mehrwert zu schaffen. Hört sich super an, nur in der Praxis sagen viele Landwirt*innen: Da tut sich wenig. Förderungen für umweltschonende Landwirtschaft gebe es, sie seien aber mickrig und mit viel Bürokratie verbunden. Auf der anderen Seite lasse die Politik zu, dass immer mehr landwirtschaftliche Flächen zu giftigen Monokulturen werden.
Wald als Alternative zu Monokultur
Die Karibikküste Costa Ricas ist seit einem guten Jahrhundert Bananenland. Kilometerweit ziehen sich die Plantagen die Hauptstraße entlang. Direkt an der Küste ist vom tropischen Regenwald auf langen Strecken nicht mehr viel zu sehen. Ein paar Kilometer landeinwärts von der Ansiedlung Hone Creek führt der Deutsche Manuel Tobias Mittelhammer Naturliebhaber*innen stundenlang durch sein 130 Hektar großes Regenwaldreservat. Gestresste Banker, die mal ohne Strom, Internet und Handyempfang abschalten wollen, sind ebenso zu Gast wie Studentinnen oder Yoga-Begeisterte.
Aber Wald kann noch viel mehr, als nur optisch oder akustisch beeindrucken. Er kann, zum Beispiel im Rahmen von Permakultursystemen, sogar eine Alternative zur giftigen Monokulturwirtschaft sein, sagt der diplomierte Forstingenieur, der seit zehn Jahren in Costa Rica lebt: „Tropischer Wald besitzt ein unglaubliches Potenzial.“ Es können Bananen geerntet werden oder Maniok, Wasserbrotwurzeln, mexikanischer Baumspinat, Süßkartoffeln, Kokosnüsse, Avocados, Wasseräpfel, Mangos. Dazu sei der Wald eine Apotheke, in der Heilpflanzen gegen Wehwehchen, aber auch schlimmere Krankheiten wachsen. „Diese Systeme sind eigentlich rentabler, gerade als die großen Monokulturen. Denn bei denen ist natürlich das Problem, dass die Böden immer mehr auslaugen und dann immer mehr Pestizide und künstliche Dünger eingesetzt werden müssen, was dann einen großen Teil vom Ertrag auch wieder zunichte macht.“
Die sozialen, Umwelt- und Klimafolgen der globalisierten Monokultur-Landwirtschaft haben neues Interesse für eine regionale, ökologische, tropische Landwirtschaft geweckt. Auch wenn kein Ökobauer, kein Fairtrade-Produzent, kein Genossenschaftler auf seinem Land reich werden dürfte. Aber solange die Hauptstadtregion San José zwar Jobs bietet, die aber bei den hohen Lebenshaltungskosten dort auch kaum zum Leben reichen, ist man vielleicht auf seinem kleinen Bauernhof besser aufgehoben. Diejenigen zumindest, die neue Wege gehen.
Den dazugehörigen Audio-Beitrag findet ihr hier.
Alternative Landwirtschaft – Costa Ricas Kleinbäuer*innen suchen sich Nischen von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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