Wenn wir einen Job wollen, brauchen wir eine Trans-Quote

(Buenos Aires, 04.09.2020, Cosecha Roja).- 1% der nationalen Stellen im öffentlichen Sektor werden künftig mit Transvestiten und Transsexuellen besetzt. Die per Dekret angekündigte Maßnahme ist ein erster Schritt zur Nivellierung einer strukturellen Ungleichheit, die zu Diskriminierung, Armut, fehlendem Zugang zu Grundbedürfnissen und verkürzter Lebenserwartung führt.

Struktureller Ungleichheit entgegenwirken

Die Quotenregelung für die Beschäftigung von Transvestiten und Transsexuellen in der öffentlichen Verwaltung ist ein historischer Schritt, weil sie eine strukturelle Ungleichheit anerkennt. Unser Leben ist von gesellschaftlicher und institutioneller Gewalt und Diskriminierung geprägt. Diese greift in dem Moment, in dem wir beginnen, unsere geschlechtliche Identität zum Ausdruck zu bringen. Ausgrenzung innerhalb der Familie und im Bildungsumfeld sind oft die Folge.

Hinter uns liegen harte Jahre. Arbeitslosigkeit führt nicht nur zu Armut und Hunger, sondern hinterlässt auch Spuren in unserem Leben und in unserem Selbstwertgefühl. Fehlende Möglichkeiten, die eigene Situation zu ändern, führten zu verminderter Lebenserwartung und schwindendem Lebensmut. Die Einführung einer Quotenregelung bedeutet nun, dass Staat und Politik sich unserer Belange annehmen, und das heißt einiges für unsere Lebensrealität.

Mir persönlich blieben seit meinem 17. Lebensjahr alle Türen, die mit der Suche nach einer Arbeitsstelle zu tun hatten, verschlossen. In den 90er Jahren und Anfang 2000 war ich wie so viele Menschen auf Arbeitssuche, und ich wurde nirgendwo angenommen. Meinen ersten Job bekam ich im Alter von 26 Jahren. Es war keine formelle Anstellung, sondern lief über den Vater einer Freundin. Er half mir, weil sie ihn darum gebeten und ihm gesagt hatte, dass es mir wirklich schlecht geht.

Immer sah es danach aus, als sei es ein unentrinnbares Schicksal, irgendwann auf dem Strich zu landen. Wir brauchen diese Quote, denn wenn wir die Jobvergabe allein dem guten Willen der Leute überlassen, werden wir nicht genommen. Wir Transmänner und Transfrauen in der Stadt und auf dem Land, wissen, was strukturelle Arbeitslosigkeit heißt; alle Transsexuellen wissen das.

Die Quotenregelung ist wie eine Wiedergutmachung

Dieser Beschluss der Regierung bedeutet zum einen die Möglichkeit, durch eine formelle Anstellung unseren Lebensunterhalt und den unserer Familien nachhaltig zu sichern, sozialversichert zu arbeiten und Rentenbeiträge zu zahlen, eine Lebensaufgabe und bezahlten Urlaub zu haben – alles Dinge, die Transsexuelle im Leben nie hatten. Andererseits impliziert der Beschluss den nachhaltigen Bruch mit Gewalt und struktureller Ungleichheit, die auf Diskriminierung und Gewalt beruhen. Es ist wie eine Wiedergutmachung.

Es fehlt noch immer ein ordnungspolitischer Rahmen, ein Trans-Quoten-Gesetz, das auch den Bereich Justiz und Gesetzgebung einschließt, aber wir sind sehr glücklich über diesen Schritt, der unseren Schwestern und Brüdern den Zugang zu Beschäftigung ermöglicht.

Heute existiert diese Quote in unserem Land jenseits der Privilegien der Mächtigen – und ich spreche nicht nur von Heterosexuellen -, die sich nicht selten bedroht fühlen, wenn es um die Ausweitung von Rechten geht. Die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe war da ein deutliches Beispiel, ging es doch um die Anerkennung der Rechte verschiedener Formen von Familie: keine gesellschaftliche Bedrohung, sondern die Ausweitung von Rechten und die offizielle Anerkennung real gelebter Vielfalt. Wenn Sie mich fragen, warum es keine Heterosexuellen-Quote gibt, ist das meine einzige Antwort. Liebe siegt über Hass.
(Alba Rueda, stellvertretende Ministerin für Diversitätspolitik im Ministerium für Frauen, Geschlecht und Vielfalt)

Das Dekret 721/2020:

WAS

Eingeführt wird die Trans-Quote für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Sektor. Sie garantiert, dass mindestens 1% aller Positionen und Verträge in allen gegenwärtigen Vertragsmodalitäten mit Transvestiten, Transsexuellen und Transgender-Leuten besetzt werden.

WARUM

Weil Transvestiten, Transsexuelle und Transgender das Recht auf faire und zufriedenstellende Arbeitsbedingungen, menschenwürdige Arbeit und offizielle Beschäftigungsverhältnisse haben.

Weil es notwendig ist, die Eingliederung in die Arbeitswelt zu fördern, die aufgrund der Ungleichheiten, die diese Bevölkerung besonders betreffen, kaum gegeben ist.

Weil Transvestiten und Transvestiten traditionell aus dem Bildungsumfeld ausgegrenzt wurden, was den Zugang zu offiziellen und stabilen Arbeitsplätzen zusätzlich erschwert.

Weil es die Pflicht des Staats ist, die Rechte der gesamten Bevölkerung zu garantieren, insbesondere derjenigen, die strukturell schutzbedürftig sind.

WER

Transvestiten, Transsexuelle und Transgender-Personen, unabhängig davon, ob eine Geschlechtsangleichung und Änderung des Vornamens und des Bilds im Ausweis vorgenommen wurde oder nicht.

WIE

Es wird ein Stellenpool eingerichtet, die ausschließlich mit Transvestiten, Transsexuellen oder Transgender-Leuten besetzt werden sollen.

Es wird garantiert, dass die Mittel für den Abschluss der obligatorischen Schul- und Berufsausbildung zur Verfügung stehen, um den Anforderungen der Arbeitsplätze gerecht zu werden.

Die Behörden und das Personal der öffentlichen Stellen werden geschult, um sicherzustellen, dass die Eingliederung in die Arbeit im öffentlichen Sektor unter Bedingungen erfolgt, die die geschlechtliche Identität und das geschlechtliche Erscheinungsbild der Menschen respektieren.

Transvestiten, Transsexuellen und/oder Transgender-Personen, die eine Arbeit im nationalen öffentlichen Sektor anstreben, werden in einem vom Ministerium für Frauen, Geschlecht und Vielfalt (GMGyD) erstellten Register erfasst, dieses enthält:

  • die Stellenprofile der registrierten Personen;
  • offene Stellenangebote;
  • Stellengesuche
  • die Anzahl der mit Transvestiten, Transsexuellen und Transgendern besetzten Stellen.

Die Eintragung in dieses Register gilt in keinem Fall als Voraussetzung für die Aufnahme einer Beschäftigung im öffentlichen Sektor durch diese Bevölkerungsgruppe.

Die interministerielle Koordinierungsstelle wird hiermit im Rahmen des GMGyD eingerichtet, sie übernimmt künftig folgende Aufgaben:

  • Erstellung des Implementierungsplans;
  • Mechanismen und Verfahren zur Einhaltung der festgelegten Quote zu gewährleisten;
  • Gewährleistung der notwendigen Bildungsräume für Menschen, die ein Pflichtstudium absolvieren müssen, und der Ausbildung für Beschäftigung und Arbeitsausbildung;
  • Förderung von Unterstützungsmechanismen für einen dauerhaften Arbeitsplatz;
  • Handlungsrichtlinien und spezifische Schulungen für das Personalmanagements, um diskriminierendes Verhalten zu verhindern und eine würdige und gleichberechtigte Behandlung zu fördern;
  • Förderung von Räumen für die Koordinierung und Beteiligung der Gewerkschaftseinheiten mit Vertretung im öffentlichen Sektor;
  • Förderung der Beteiligung von Organisationen der Zivilgesellschaft mit Kompetenz in diesem Bereich.

Die interministerielle Koordinierungsstelle wird sich zusammensetzen aus Mitgliedern des

  • Ministeriums für Frauen, Gender und Diversität
  • Sekretariats für Management und öffentliche Beschäftigung des Leiters des Ministerkabinetts;
  • Nationalen Instituts gegen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus

Das GMGyD kann andere Organe der öffentlichen Verwaltung zur Teilnahme einladen, wenn es dies für die Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgaben für notwendig erachtet.

Übersetzung: Lui Lüdicke

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