
Foto: Wotancito via wikimedia
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(Guadalajara, 16. März 2025, la diaria).- Der Fund zahlreicher Knochenreste in einem Ausbildungszentrum des Drogenkartells Cártel Jalisco Nueva Generación hat für Bestürzung und Empörung gesorgt und Tausende von Menschen auf die Straße gebracht. In Mexiko-Stadt, Guadalajara und Dutzenden von anderen Städten Mexikos demonstrierten die Menschen, um Gerechtigkeit zu fordern. Der Ort war bereits im September 2024 von der Staatsanwaltschaft konfisziert worden, doch erst als eine Angehörigeninitiative sich Zutritt zum Gelände verschafft hatte, wurden verbrannte Knochenreste und verborgene Massengräber gefunden. Das Ausbildungslager hatte offenbar auch der Vernichtung von Menschen gedient.
Erster Leichenfund im September 2024
Der unter dem Namen Izaguirre-Ranch bekannte Ort befindet sich in der Gemeinde Teuchitlán, 50 Kilometer westlich von Guadalajara, der Hauptstadt des am Pazifik liegenden Bundesstaats Jalisco. Dort gab es im September vergangenen Jahres aufgrund von Anzeigen einen Polizeieinsatz; die Polizisten berichteten von zehn gefangen gehaltenen Personen sowie einem mit Plastik bedeckten Leichnam. Nach Angaben des mexikanischen Portals Animal Político wurden zehn Personen wegen dieser Taten verhaftet. Obwohl sich die 10.000 Quadratmeter große Ranch nach diesen Ereignissen unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft befand und einige Grabungsarbeiten vorgenommen wurden, berichteten die Behörden von keinen weiteren Funden.
Angehörigen-Initiative erwirkt Zutritt zum Gelände
Erst Anfang dieses Monats, als Mitglieder der Guerreros Buscadores de Jalisco mit einem Gerichtsbeschluss den Ort betreten konnten, fanden diese Dutzende persönlicher Objekte, unter ihnen zahlreiche Kleidungsstücke, sowie Knochenreste in geheimen Gräbern und Anzeichen dafür, dass die Leichen verbrannt worden waren, wie das BBC berichtete. Die Guerreros Buscadores de Jalisco (deutsch: die Suchenden Krieger von Jalisco) ist eine zivilgesellschaftliche Organisation aus Angehörigen von gewaltsam Verschwundenen.
Sowohl die Guerreros Buscadores als auch andere ähnliche Organisationen hatten zahlreiche Hinweise erhalten, dass Drogenhändlern die Izaguirre-Ranch als eine Art Ausbildungszentrum nutzten, an dem verschwundenen Jugendlichen zwangsrekrutiert wurden. Außerdem wurden dort Feinde oder auch nur Personen, die auf die eine oder andere Weise die Aktivitäten der kriminellen Organisation störten, umgebracht und vergraben. Satellitenbilder zeigen verstärkte Aktivitäten auf der Izaguirre-Ranch: kleine Bauarbeiten und zahlreichen Bewegungen von Erdreich, besonders in den Aufnahmen vom Mai 2023 im Vergleich zu früheren Bildern. Laut Zeugenaussagen von Überlebenden, die mal auf der Izaguirre-Ranch waren, wurden dort seit mindestens 2018 Menschen ermordet, gefoltert und verschwanden unter gewaltsamen Umständen. Menschenrechtsorganisationen und Zusammenschlüsse von Familienangehörigen Verschwundener kritisieren das Versagen der Behörden, die nicht in der Lage waren, Nachforschungen anzustellen und Antworten zu geben, sondern nur sich gegenseitig die Verantwortung zuschoben.
Neue Dimension der Grausamkeit
Der Fall hat durch seine Grausamkeit das Drama des gewaltsamen Verschwindenlassens in Mexiko erneut in die öffentliche Diskussion gebracht. „Es geht hier nicht um einzelne Fälle, sondern um etliche“, erklärte bei einer Demonstration die Mutter einer verschwundenen Person im Bundesstaat Jalisco. Dieser hält den traurigen Rekord als mexikanischer Bundesstaat mit der höchsten Anzahl Verschwundener: 15.348 gemäß den Daten des Registro Nacional de Personas Desaparecidas y No Localizadas (deutsch: Nationales Register der verschwundenen und vermissten Personen). Dahinter folgen der Bundesstaat Mexiko mit 13.625 und Tamaulipas mit 13.307.
Welche Rolle spielen die Behörden?
Claudia Sheinbaum, seit Oktober 2024 mexikanische Präsidentin, äußerte sich letzte Woche auf einer Pressekonferenz zum Fall. Sie sagte, dass sie „auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende“ Informationen abwarten wolle, bevor sie eine offizielle Erklärung zur Izaguirre-Ranch abgeben werde. „Wir haben einzelne Fotos, aber wir wissen nicht genau, was gefunden wurde, wie es gefunden wurde und was die Informationen sind. Ausgehend von dieser Ermittlung hängt dann ab, was die Staatsanwaltschaft unternehmen muss“, erläuterte die Staatschefin. Wie das mexikanische Wochenmagazin Proceso berichtete, kündigte Sheinbaum an, dass der Generalstaatsanwalt der Republik, Alejandro Gertz Manero, an ihrer Konferenz teilnehmen werde, um nähere Angaben zu den Vorkommnissen seit September zu machen, als auf dem Gelände Verhaftungen vorgenommen wurden. Zu der Frage, ob man den ehemaligen Gouverneur von Jalisco, Enrique Alfaro, als Zeugen vorladen würde, bemerkte die Präsidentin: „Unser Interesse ist in diesem Fall nicht politisch, sondern hat mit Wahrheit und Gerechtigkeit zu tun. Es geht zunächst einmal um die Wahrheit und um die Klärung der Verantwortung.“ Staatsanwalt Gertz Manero äußerte sich in den letzten Tagen ebenfalls zum Fall und stellte klar, dass es zunächst eine Untersuchung über das Vorgehen der örtlichen und staatlichen Behörden sowie der Vorgeschichte, was auf dem Gelände passiert war, geben wird. Erst dann könne man beschließen, das Ganze von der Generalstaatsanwaltschaft bearbeiten zu lassen.
„Was wir machen werden, ist eine umfassende Untersuchung über die Geschichte dieses Falles, das heißt, es ist nicht glaubwürdig, dass eine Situation wie diese weder den örtlichen Behörden dieser Gemeinde noch den staatlichen Behörden bekannt war“, erklärte Gertz Manero.
Übersetzung: Christa Röpstorff
Rekrutierungs- und Vernichtungslagers im Bundesstaat Jalisco entdeckt von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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