
(Montevideo, 09. Mai 2025, La Diaria).- Agustín Laje, Javier Negre und Pastor Márquez waren mit einem Aufruf zum „Kulturkampf“ die Wortführer beim Derecha Fest. Bei der ersten großen Veranstaltung der lokalen „libertären“ Rechten schlossen sich ihnen extrem rechte Persönlichkeiten aus der Region an.
Dieser Artikel von Javier Revetria ist zuerst bei La Diaria erschienen.
Einige an den Straßenecken postierte junge Männer leiten die Besucher mit Taschenlampen durch die Straßen des Viertels Villa García. In der Dunkelheit der Nacht beleuchten die Scheinwerfer der Fahrzeuge ihre feuerfesten Westen – wahrscheinlich sind es dieselben, die sie tragen, wenn sie Lebensmittel und Kunsthandwerk auf der Straße verkaufen. Den Lichtstrahlen folgend, gelangt man zu einem behelfsmäßigen Tor, das zu einem Weg mitten durch ein Stadtviertel führt, an dessen Ende ein Eukalyptushain als Parkplatz dient. Zwischen der Silhouette von Dutzenden von Autos kann man die Beleuchtung einer mutmaßlichen Veranstaltungshalle erahnen. Das ist der „Megatempel Beraca“, die Kirche, in der der evangelikale Pastor Jorge Márquez vor vielen Gläubigen seine Messen abhält.
Am Eingang stehen Aktivisten der Libertären Partei Uruguays (Partido Libertario Uruguayo) und der Plattform für die Freiheit (Plataforma para la Libertad), neue Gruppen, die im Schatten der Ideen des argentinischen Präsidenten Javier Milei entstanden sind.
Am Fuße eines Standes mit biblischer Literatur verkaufen einige Frauen Bücher der Argentinier Agustín Laje und Nicolás Márquez. Beide verbreiten die neuen Ideen der extremen Rechten, mit denen sie das Konzept des „Kulturkampfes“ eingeführt haben. Dieses Konzept zufolge stehen Ultrakonservative, Libertäre, Nationalisten, die sich selbst als Patrioten bezeichnen, Antikommunisten, die zu Gegnern progressiver Bewegungen und von „Globalismus“ geworden sind, auf einer Seite der Barrikade zusammen gegen einen gemeinsamen Feind: die Linke. Oder zumindest das, was sie unter „links“ verstehen.
Das rechte Bündnis nahm die Form des Derecha Fest an, einer Veranstaltung, die all jene verband, die sich selbst als rechts definieren. Was sich in den letzten Monaten, spätestens seit Beginn des letzten Wahlkampfes [red. Anm: in Uruguay im Oktober/November 2024] mit dem Aufkommen von Gruppen, die rechts von den traditionellen Parteien stehen, angebahnt hatte, fand in diesem Fest seine erste greifbare Form. Die Veranstaltung, die ursprünglich im großen Saal des Radisson Hotels stattfinden sollte, musste abgesagt werden, da das Hotel sich weigerte, eine solche Veranstaltung durchzuführen. Nach Tagen der Ungewissheit, in denen der Kartenverkauf weiterhin stattfand, wurde bekannt gegeben, dass die Veranstaltung in eine Anlage im 21 Kilometer vom Zentrum Montevideos entfernten Beraca verlegt wurde. Die Entfernung hielt 1.200 Personen nicht davon ab, zum Veranstaltungsort zu kommen.
Einer der Hauptorganisatoren und auch Redner bei der Veranstaltung war Esteban Queimada, Influencer und Moderator der Sendung „Bajo la lupa“ – auf deutsch „Unter der Lupe“. „Es gibt keine Rechte. Es gibt keinen Konservatismus. Es gibt weder Moral noch Ethik. Das ist sehr besorgniserregend, denn das hat die Tür geöffnet für die ganze „Woke-Kultur. Diese zerstört Kinder, transsexualisiert und hypersexualisiert sie, verwirrt junge Menschen und sagt ihnen, dass sie sein können, was sie sein wollen. Sie ist in die Bildung und in die Politik eingedrungen, und das ist wichtig, denn alles gehört zur Politik. Sechs Jahre lang habe ich mich geweigert zu glauben, dass ein wirklicher Wandel von unten nach oben in unserem Land kommen würde“, sagte Queimada und erntete Bravorufe der Teilnehmenden.
Zu den „illustren“ ausländischen Besuchern gehörte auch der Spanier Javier Negre. Er steht in Verbindung mit der spanischen extrem rechten Partei Vox. Vor etwas mehr als einem Jahr, als Milei an die Macht kam, wanderte Negre nach Argentinien aus. Dort kaufte er einen Teil des Portals La Derecha Diario auf, einer Website, die häufig Desinformation verbreitet, vor allem über progressive und linke Kreise. Dieses Medium war von dem Politikberater Fernando Cerimedo gegründet worden. In Brasilien liegt gegen Cerimedo ein Haftbefehl vor. Er wird beschuldigt, an dem versuchten Staatsstreich vom Januar 2023 beteiligt gewesen zu sein, was die Sperrung der Website begünstigte. Trotzdem erzählte Negre dem Publikum beim Derecha Fest seine Version davon, wie er „vom Foro de São Paulo verfolgt“ werde, weil er „die Ideen der Freiheit“ überall dort verteidige, wo er sei.
Auch Pastor Márquez selbst hielt eine Ansprache und hob „Schnittpunkte und Übereinstimmungen“ zwischen Atheisten und Gläubigen hervor. „Um es ehrlich zu sagen: Es gibt viele Christen, die nicht den Mut haben, sich den Dingen zu stellen, denen man sich stellen muss. In der Bibel steht, dass das Himmelreich den Mutigen gehört“, erklärte Márquez. „Das, was wir ‚Kulturkampf‘ oder ‚Kampf der Moral‘ nennen, ist etwas Greifbares. Darunter liegt aber noch eine unsichtbare Welt. Ich möchte Euch sagen, dass die bestehenden Rechte ihren Ursprung in Gott haben“, betonte der Pastor in seiner Rede. „Leider haben unsere Werte es nicht geschafft, das zu stärken, was wir ‚westliche Zivilisation‘ nennen.“ Im Publikum befanden sich auch Márquez Schwiegersohn, der nationalistische Abgeordnete Álvaro Dastugue [red. Anm.: Partido Blanco], sowie die ehemalige Abgeordnete des Cabildo Abierto [red. Anm.: uruguayische Rechtsaußenpartei], Inés Monzillo, die inzwischen zum Kreis des Pastor gehört.
Gegen Ende des Abends hatte Agustín Laje seinen Auftritt. Er ist Autor des Buches „Das Schwarzbuch der neuen Linken“ (El libro negro de la nueva izquierda), das bei den Aktivisten der extremen Rechten in der Region Kultstatus besitzt. Er ist auch einer der wichtigsten Kritiker dessen, was er „Gender-Ideologie“ nennt. In einem gemäßigteren Ton als sein Vorredner beschrieb er das Konzept des „Globalismus“ und die Gefahr, die dieser seiner Meinung nach für die Staaten bedeute. Außerdem stellte er die Funktion internationaler Organisationen in Frage. „Die bestehenden Institutionen versuchen, eine Weltregierung zu schaffen. Bisher kann ein Staat, der sich nicht zu der Agenda der UNO verpflichten will, das tun. Denn die UNO verfügt noch nicht über eine eigene Zwangsgewalt. Es gibt einen Druck seitens der Globalisten, immer mehr Macht in diesen Organisationen anzuhäufen“, sagte er.
Einer der Ursprünge des „Globalismus“ sei der „Progressivismus“, eine progressive Politik, die „den Nationalstaat kollabieren“ lasse, indem sie [Menschen] bestimmte Rechte zugestehe, die sie später nicht gewährleisten könne. Ein anderer Ursprung sei der „Wokismus“, den er als „die unendliche Übersteigerung der Dialektik von Unterdrückern und Unterdrückten“ definierte. Diese führe – so Laje – zu einer Erzählung, in der die Welt in zwei verfeindete Lager aufgeteilt sei. „Der Wokismus führt zu einer Spaltung in ausnahmslos allen Bereichen der menschlichen Existenz“, erklärte Laje und fügte hinzu, dies könne gut in Hinblick auf Geschlechter analysiert werden, wenn Männer und Heterosexuelle als ‚Unterdrücker‘ und Frauen und Homosexuelle als ‚Unterdrückte‘ definiert würden.
Übersetzung und Bearbeitung: Ute Löhning –
Diese Übersetzung entstand in Kooperation mit dem Projekt „Linea B – Researching authoritarian politics between Latin America and Europe“, der ReGA-Newsletter ist zu abonnieren unter: http://tinyurl.com/3c6h83ny
Rechts-libertäres Treffen in evangelikaler Kirche bei Montevideo von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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