
(Montevideo, 10. Oktober 2025, La Diaria).- In der Nacht von Donnerstag auf Freitag beschloss das peruanische Parlament, Präsidentin Dina Boluarte, die erste Frau im Amt, abzusetzen. Boluarte hatte seit Dezember 2022 Pedro Castillo ersetzt, der ebenfalls nach einem gescheiterten Selbstputsch durch ein identisches parlamentarisches Verfahren abgesetzt worden war.
Die vier Anträge auf Amtsenthebung stammten von den Parlamentsfraktionen Renovación Popular, Fuerza Popular, Alianza para el Progreso sowie der Koalition Juntos por el Perú, Voces del Pueblo und Bloque Magisterial. Nach Angaben des Kongresses stützten sich die Anträge auf „mutmaßliche Korruptionshandlungen, Amtsvernachlässigung, unzulässiger Nutzung offizieller Reisen, Unfähigkeit, der Bürgerunsicherheit zu begegnen, und angebliche ästhetische Eingriffe während der Amtsausübung“, bei denen sie ohne Benachrichtigung abwesend gewesen sein soll.
Daher beantragten die Fraktionen, dass der Kongress die „dauerhafte moralische Unfähigkeit der Präsidentin“ feststelle und das Amt für vakant erkläre. Laut der BBC war Boluarte eingeladen worden, vor der Abstimmung ihre Verteidigung darzulegen, sie lehnte dies jedoch ab, da sie das Verfahren für verfassungswidrig hielt. „Sie sollte keine Minute länger im Amt bleiben. Dass sie nicht erschienen ist, um sich zu verteidigen, zeigt ihre Unfähigkeit, sich ihren eigenen Handlungen zu stellen“, erklärte der Abgeordnete Guillermo Bermejo, laut offizieller Kongresspresse.
Der Antrag wurde einstimmig mit 118 Stimmen angenommen. Anders als bei früheren Versuchen, sie abzusetzen, unterstützten diesmal alle im Kongress vertretenen Parteien das Verfahren, auch rechte und fujimoristische Gruppen, die Boluarte bislang unterstützt hatten. Seit 2018 hatte Peru bereits sechs Präsident*innen, die durch Absetzungen oder Rücktritte aus dem Amt schieden; drei ehemalige Staatsoberhäupter befinden sich derzeit im Gefängnis.
Zusammenhang mit der Gewaltwelle im Land
Die Absetzung steht im Zusammenhang mit der aktuellen Gewaltwelle in Peru. Kürzlich kam es bei einem Konzert der Band Agua Marina auf einem Militärgelände in Lima zu einer Schießerei. Zudem führten Erpressungen von Transportunternehmen zu massiven Protesten des Sektors. In den letzten Jahren hat zudem die venezolanische Verbrecherorganisation Tren de Aragua im Land Fuß gefasst.
José Jerí übernimmt die Präsidentschaft
Gemäß Artikel 115 der peruanischen Verfassung, der die Nachfolge im Amt regelt, übernahm der Kongresspräsident José Jerí Oré (38) das Amt von Boluarte vor der Vollversammlung des Parlaments. Er wurde als Übergangspräsident vereidigt und soll bis zu den für April angesetzten Neuwahlen regieren.
„Peru befindet sich in einer anhaltenden politischen Krise, die kein Ende zu nehmen scheint – mit Regierungen, die ihre Amtszeit nicht beenden, geschwächten Institutionen und einer erschöpften Bevölkerung“, warnte Jerí in seiner Ansprache an die Abgeordneten. „Wir müssen lernen, für unsere Fehler um Verzeihung zu bitten“, sagte er und versprach zugleich: „Wir müssen beginnen, die Grundlagen für ein Land zu schaffen, das eine Versöhnung aller Peruaner ermöglicht.“
„Diese Grundlagen müssen wir heute legen, und dafür müssen wir sofort handeln, denn das größte Übel, das uns derzeit trifft, ist die öffentliche Sicherheit“, betonte Jerí in seiner neuen Funktion.
„Krieg gegen die Kriminalität“
Er erklärte: „Der Hauptfeind befindet sich auf unseren Straßen: Banden und kriminelle Organisationen sind unsere Feinde.“ Er kündigte eine „Kriegserklärung gegen die Kriminalität“ an. Mit Unterstützung der Polizei, der Streitkräfte und der staatlichen Institutionen wolle er „diesen Krieg ein für alle Mal gewinnen“. Über sich selbst sagte er: „Man kann mir vieles vorwerfen, aber nicht den fehlenden Willen, der Kriminalität den Krieg zu erklären und einen transparenten, sauberen und geordneten Wahlprozess zu garantieren.“
Laut der Nachrichtenagentur Efe gehört Jerí der rechtsgerichteten Partei Somos Perú an. In seiner Laufbahn sah er sich verschiedenen Anschuldigungen ausgesetzt, darunter „Korruptionsverdacht während seiner Zeit in der Haushaltskommission des Parlaments“ sowie einer „im Januar 2025 eingereichten und im August eingestellten Anklage wegen sexueller Gewalt“. „Heute stehen wir im Fokus der ganzen Welt, nicht nur wegen der gerade erfolgten verfassungsmäßigen Nachfolge, die wir erlebt haben, sondern weil unser Land die Chance hat, endlich das zu werden, was es immer hätte sein sollen“, schloss Jerí.
Boluartes Reaktion
Boluarte reagierte auf ihre Absetzung mit einer audiovisuellen Botschaft, in der sie gemeinsam mit ihrem Kabinett auftrat. „Ich habe nicht an mich gedacht, sondern an die über 34 Millionen Peruanerinnen und Peruaner, die ein Wachstum mit demokratischer Stabilität und eine Regierung ohne Korruption verdienen, so wie wir es während meiner Amtszeit getan haben“, erklärte sie.
In einem Schreiben warnte die Ex-Präsidentin vor den Folgen der Amtsenthebung für die Stabilität der Demokratie in Peru und führte die Ergebnisse ihrer Regierung in den Bereichen Sozialpolitik, Bildung und Gesundheit an.
Sie erklärte, sie habe das Mandat „mit Mut und Liebe zum Vaterland“ übernommen und „die Präsidentenschärpe nach einem Staatsstreich mit Ehre empfangen“. Ihre Popularität spiegelte dies jedoch nicht wider, laut jüngsten Umfragen lag ihre Zustimmung nur bei etwa 3 %.
Staatsanwaltschaft beantragt Ausreiseverbot
Nach ihrer Absetzung beantragte die Staatsanwaltschaft, Boluarte für 36 Monate die Ausreise aus dem Land zu verbieten. Der Antrag von Generalstaatsanwalt Tomás Gálvez soll am Mittwoch vom Zweiten Nationalen Ermittlungsgericht geprüft werden.
Die Begründung umfasst elf laufende Ermittlungsverfahren, in die die ehemalige Präsidentin verwickelt ist.
Das älteste betrifft ihre mögliche Verantwortung für den Tod von 49 Personen während der Niederschlagung der Proteste Ende 2022 und Anfang 2023. Diese Proteste waren durch die Verhaftung des früheren Präsidenten Pedro Castillo ausgelöst worden und wurden besonders in Regionen mit bäuerlicher und indigener Bevölkerung brutal niedergeschlagen.
Zudem wird ermittelt, ob Boluarte Geldwäsche und Amtsmissbrauch begangen hat. Besonders Aufsehen erregte der Fall angeblicher luxuriöser Geschenke, insbesondere Rolex-Uhren, die sie erhalten haben soll. Außerdem wird ihr Fälschung ihrer Unterschrift während angeblicher chirurgischer Eingriffe vorgeworfen, über die sie nicht informiert hatte.
Nach Angaben von Efe haben die Parteiführer, die ihre schnelle Absetzung vorantrieben und sie zuvor unterstützt hatten, nun eigene Präsidentschaftsambitionen – darunter der ultrarechte Bürgermeister von Lima, Rafael López Aliaga, und Keiko Fujimori, die politische Erbin ihres Vaters, des ehemaligen Präsidenten und Diktators Alberto Fujimori.
Parlament enthebt Präsidentin Dina Boluarte des Amtes von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
Schreibe einen Kommentar