
Foto: Julio Enriquez via flickr
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(Mexiko-Stadt 18. Februar 2025, cimacnoticias/poonal).- Francisca Viveros Barradas, besser bekannt als Paquita la del barrio, ist tot. Die mexikanische Kultsängerin verstarb am 17. Februar im Alter von 77 Jahren. Sie war eine der wenigen Künstlerinnen, die gängige Stereotypen durchbrachen und Gewalt in Paarbeziehungen anprangerten. In Mexiko sind 18 Millionen Fälle von häuslicher Gewalt bekannt. 40 Prozent aller Jugendlichen haben in einer Paarbeziehung irgendeine Form von Gewalt (psychisch, ökonomisch, körperlich) erlebt. Verbale, psychische, ökonomische und körperlich-sexuelle Machthandlungen oder absichtliche Unterlassungen dienen der Beherrschung und Kontrolle des Gegenübers. Paquita la del Barrio legte Wert darauf zu betonen, dass gewalttätige Angriffe von Ehe- oder Lebenspartnern keine Einzelfälle sind.
Die musikalische Karriere der Künstlerin teilt sich in zwei Etappen, die von einer eigenen künstlerischen Entwicklung und einem jeweils eigenen Einfluss auf die Popkultur geprägt sind. In ihren Anfangsjahren sang Paquita Boleros, romantische Rancheras und Lieder aus den Vororten der Stadt. Ihre Songs erzählten Geschichten von Frauen, die unter Liebeskummer und der Untreue ihrer Partner litten, Trennungen durchmachten, um schließlich Trost in der „wahren Liebe“ zu finden oder sich zumindest die Hoffnung zu erhalten, dass irgendwann ein anderer Mann auftaucht, der sie schätzt und liebt. Mit diesem Repertoire trat Paquita in Bars und Restaurants auf und machte sich in der mexikanischen Popmusikszene einen Namen. Ihr Ruhm wuchs dank ihrer gefühlvollen Interpretation der Stück. Das stählerne Image, das sie in den späteren Jahren ihrer Karriere auszeichnete, sollte sich noch entwickeln.
In der zweiten Etappe ihrer Karriere änderte sie ihren Stil radikal, ihre Texte thematisierten aggressiv und unverblümt Untreue und Männergewalt sowie weibliche Ermächtigung. Mehr und mehr wurde Paquita in der mexikanischen Popmusik als starke Stimme gegen Frauenfeindlichkeit wahrgenommen. Ihr Stück „Rata de dos patas“ (Ratte auf zwei Beinen) aus dem Jahr 2001 markierte den Beginn der neuen Phase, in der sie Gewalt und Geschlechterungleichheit thematisierte und sich explizit auf die Seite der Frauen zu stellen begann. Ihre Lieder waren nicht mehr nur Erzählungen von Liebeskummer, sondern wurden zu Hymnen des Widerstands. „Pa‘ puras vergüenzas“ drückt die Verachtung einer Frau für ihren Partner aus, nachdem er sie mehrfach gedemütigt hat. „Me salas a la tuya“ ironisiert frauenfeindliche Beleidigungen. „Hombres malvados“ thematisiert die Unterdrückung, die Männer über Generationen hinweg gegenüber Frauen ausgeübt haben, verbunden mit der Warnung, dass es höchste Zeit ist, dass sich daran etwas ändert. „Las mujeres mandan“ ist eine direkte Aufforderung an Frauen, endlich ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich nicht länger von Männern unterdrücken zu lassen. Das Klischee des starken und ständig untreuen Mannes wird mit Spott bedacht, sein Altern belächelt, sein Hang zur Gewalt verurteilt. Dazu erkundet Paquita die Vision einer neuen Männlichkeit. „Si yo fuera varón“ handelt von Liebe, Verständnis und männlichem Respekt gegenüber Frauen. Das ständige Leiden verwandelt sich in Widerstand, statt Herzschmerz geht es um weibliche Ermächtigung. Mit ihrer Musik hat Paquita unzähligen Frauen, die mit gesellschaftlich akzeptierter Frauenfeindlichkeit klarkommen müssen, eine Stimme gegeben.
„¿Me estás oyendo, inútil?“
Francisca Viveros Barradas wurde 1947 in Alto Lucero in der mexikanischen Provinz Veracruz geboren. Sie wurde von ihrer Tante aufgezogen und lebte in ärmlichen Verhältnissen. In jungen Jahren begann sie auf den Feldern zu arbeiten. Mit 15 bekam sie einen Job in der Stadtverwaltung, wo sie ihren ersten Ehemann kennenlernte. Das Paar bekam zwei Kinder. Dass ihr Mann bereits eine andere Familie hatte, erfuhr sie erst sieben Jahre später. Paquita ließ sich scheiden und ging 1979 mit ihrer Schwester Viola nach Mexiko-Stadt, wo sie in Bars und Restaurants unter dem Namen „Las Golondrinas“ auftraten. Ihre Kinder ließen die Schwestern in der Obhut ihrer Mutter. In den 1980er Jahren eröffnete Paquita ihr eigenes Restaurant mit dem Namen „Casa Paquita“. Mit der Zeit gelang es ihr, sich einen Namen in der Musikbranche zu machen. 1984 erschien ihr erstes Album „El Barrio de los Faroles“. Die Produktion finanzierte sie komplett selbst, da sie kein Label gefunden hatte, das bereit gewesen wäre, sie zu unterstützen. 1985 trat sie zum ersten Mal im Fernsehen auf und wurde über Nacht bekannt. Populär wurde sie mit provokativen Ansagen wie „¿Me estás oyendo inútil?“ (Hast du gehört, du Nichtsnutz?), die an untreue, unzuverlässige und nicht vertrauenswürdige Partner gerichtet sind.
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