(Mexiko-Stadt, 15. November 2022, cimacnoticias).- Am 9. April 2022 verschwand die achtzehnjährige Debanhi Susana Escobar Bazaldúa. Dreizehn Tage später fand man ihre Leiche mit eindeutigen Anzeichen körperlicher Gewalt. Nun hat sich ein mexikanischer „Komiker“ öffentlich über die Art und Weise, wie die junge Frau gefunden wurde, lustig gemacht, was in Mexiko für viel Empörung sorgte. Derselbe Spaßvogel war schon mit Witzen über den Brand in einer Vorschule unangenehm aufgefallen. Ungeklärt bleibt die Frage: Wie kann es sein, dass Frauen immer wieder Gegenstand „komischer“ Einlagen werden? Welches humoristische Potential sehen Männer in sexistischer Gewalt und Feminiziden?
Gewalt: Die Verharmlosung eines profitablen Geschäfts
Tausende von Frauen leben tagaus, tagein mit dem Risiko, zu den elf Feminizidopfern zu gehören, die in Mexiko jeden Tag zur Anzeige gebracht werden. Statt den Frauen Sicherheit und Gerechtigkeit zu bieten, zeigen sich die mexikanischen Behörden extrem nachlässig. Im Laufe der Zeit hat sich in Mexiko eine Kultur ausgebildet, in der Gewalt zu einem lukrativen Geschäft geworden ist oder – wie die Forscherin und Doktorin der Philosophie Sayak Valencia es formuliert – zu einem „Blutkapitalismus“. Medien, Fernsehen und Comedians arbeiten nach dem gleichen Schema: Durch „Maskierungen“ oder „Scherze“ wird Gewalt als toller, „lustiger“ und „unterhaltsamer“ Stoff dargestellt. So werden bittere Realitäten, die benachteiligte Bevölkerungsgruppen erleben, zur Normalität erklärt. Valencia hingegen betont, dass die starke Verharmlosung von Gewalt ein Eingreifen in konkrete Situationen verhindere, so dass „mögliche Interventionen gegen die katastrophalen Bedingungen, die zu solchen Situationen führen, nicht mehr wirklich in Betracht gezogen werden.“ So werde tagtäglich Gewalt in die Gesellschaft hineingetragen, nicht nur durch Filme und Serien, die das organisierte Verbrechen verherrlichen, oder durch Presse-Fotos, die ein hohes Maß an Aggression gegen die Körper anderer Menschen zeigen.
Kinder als Drogendealer zu verkleiden, die verstümmelte Leiche einer Frau als Halloween-Dekoration aufzustellen oder Pseudo-Komödianten „Witze“ über Tragödien wie den Brand in der Vorschule machen zu lassen sind ernstzunehmende Formen von Gewaltverherrlichung. Doch warum wird derartige Gewalt von der Gesellschaft toleriert? Die Schriftstellerin, Anthropologin und Feministin Rita Segato erklärt dazu: „Gewalt ist nicht die Folge anderer Probleme wie sozialer Ungleichheit oder mangelnder Chancen; Gewalt wird erlernt“. „Durch die wiederkehrende Gewalt wird das Umfeld der Grausamkeit zur Normalität, damit einher geht eine schwach ausgeprägte Fähigkeit zur Empathie, was wiederum die Voraussetzung für brutales und ausbeuterisches Verhalten schafft. Die fortwährende Grausamkeit steht in direktem Verhältnis zu den Formen des narzisstischen und konsumorientierten Vergnügens. Die Abstumpfung gegenüber dem Leiden anderer führt schließlich zur Isolierung“, so Segato in ihrem Text „Pädagogik der Grausamkeit“. Das Leiden der anderen als etwas „Fremdes“ zu empfinden, hat also dazu beigetragen, dass diese Art von „Witzen“, „Kommentaren“ und „Bildern“ nicht abgelehnt werden, sondern im Gegenteil Beifall finden, verbreitet werden und es erlauben, dass mit der Reviktimisierung einer Frau Geld verdient wird.
CEAV und Conavim fordern öffentliche Entschuldigung für Pseudo-„Scherz“
Nachdem ein Video im Internet aufgetaucht war, das zeigt, wie der als Clown verkleidete Possenreißer Debanhi Escobar reviktimisiert, intervenierten die Kommission für Opferschutz (CEAV) und die Nationale Kommission zur Verhinderung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (Conavim) und forderten ihn auf, sich öffentlich zu entschuldigen. „Die Conavim verurteilt die Verhöhnung des Schicksals, das Debanhi widerfahren ist. Das Video muss sofort aus den sozialen Netzwerken rausgenommen werden“, so Conavim. Die Kommission für Opferschutz CEAV betonte, derartige Äußerungen verunglimpften die Familie Escobar Bazaldúa und sendeten einen Signal zur Toleranz eines verwerflichen Verbrechens. „Wir fordern, dass der „Platanito“-Darsteller sich öffentlich entschuldigt und in Gender-Perspektive und Menschenrechten geschult wird; und wir fordern die Gesellschaft auf, dieses Video nicht zu kopieren oder zu verbreiten“. Man werde eine Beschwerde beim Nationalen Rat zur Prävention von Diskriminierung (Conapred) einreichen, damit dieser „die entsprechenden Maßnahmen ergreifen kann, um eine Wiederholung dieser Art von Diskurs zu vermeiden“. Die Familie Escobar Bazaldúa kündigte ihrerseits an, juristisch gegen den Pseudo-Comedian vorzugehen, und beschuldigte ihn, aus dem Schmerz von Opfern Profit zu schlagen: „Er ist ein Mensch, der sich dem Scherzen verschrieben hat und der vom Schmerz vieler anderer profitiert. Jetzt sind wir an der Reihe, diesem Mann zu antworten, denn wir sind wütend auf ihn“, sagte der Vater von Debanhi Escobar.
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