Gedenken und Kampf zum Internationalen Tag für Opfer von Transfeindlichkeit

(Bogotá, 22. November 2021, colombia informa).- Das Netzwerk Red Comunitaria Trans in Bogotá berichtet im vergangenen Jahr von 31 ermordeten trans Personen in Kolumbien. Die Anzahl der Fälle verblieb damit auf dem hohen Niveau des vorherigen Jahres (32 Fälle). Nach Angaben des Trans Murder Monitoring (TMM) wurden zwischen dem 1. Oktober 2020 und 30. September 2021 weltweit 375 Fälle von ermordeten trans Personen gemeldet. Da die Behörden die Geschlechtsidentität vieler Opfer nicht anerkennen, werden die Mordfälle unter dem gesetzlichen Namen und dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht registriert. Die TMM geht deshalb von einer sehr hohen Dunkelziffer ermordeter trans Personen aus.

Die Gewalt- und Diskriminierungsfälle nehmen weiter zu, während weiterhin cis-sexistische Vorstellungen reproduziert werden. In der Praxis heißt das, dass die geschlechtliche Identität von trans Personen nicht als korrekt angesehen wird und Hass- und Gewalttaten aufgrund von Vorurteilen legitimiert werden. Die Formen der Angriffe auf trans Personen sind sehr unterschiedlich. Sie äußern sich zum Beispiel in der Ablehnung von trans Frauen und Menschen mit Uterus in feministischen Bewegungen oder in der Verbreitung von Vorurteilen in den Massenmedien, wie es in der bekannten Sendung Yo me llamo der Fall war. Es ist ein anschauliches Beispiel für die Privilegien von cis Personen: Nach dem Auftritt einer trans Frau hatte die Jury ihre Geschlechtsidentität kommentiert und sich öffentlich darüber lustig gemacht.

20. November, Internationaler Gedenktag für die Opfer von Transfeindlichkeit

Einige der trans Frauen, die dieses Jahr in Kolumbien ermordet wurden, darunter eine Migrantin und mehrere Sexarbeiter*innen, sind Johana Moreno, Ericka, Sammy, Kay Isabel Thomson, Verónica Solano, Giovanna Betancourt, Angie Priscila Jeaniot, Angie, La Néstor Moreno, Daniela Estrelita Riascos, Melibeth Yuliza Marchena, Claudia Madonna Ramírez, Laura Michell, Yulieth Balsameda, Cataleya, Luiciana Moscoso, Shirley Sánchez, Siara Blanco “la Ñaña”, Isabella Garzón Monsalve und Andrea Montenegro. Die Mordfälle fanden in Valle del Cauca, Bogotá, Antioquia, Caldas, Armenia und an der Karibikküste statt.

Auch am 20. November 2021, dem Internationalen Gedenktag für die Opfer der Transfeindlichkeit, wurde ein Mord an einer trans Person verübt, diesmal in Arauca. Alejandra Valeria López wurde mit einer Schusswaffe ermordet. Der Gedenktag wurde von der trans Frau Gwendolyn Ann Smith initiiert, die den Mord an der afroamerikanischen trans Frau Rita Hester angezeigt und angeprangert hatte. Hester wurde in 1998 in Allston, Massachusetts tot aufgefunden. Kollektive aus trans und nicht-binären Communities gedenken seitdem jährlich den Opfern von transfeindlichen Angriffen. „Heute gedenken wir den toten trans Personen, aber vor allem lassen wir sie nicht in die Vergessenheit geraten. Ihre Taten und ihre Leben waren nicht umsonst. Gedenken, um zu heilen!“,  schrieb Juli Salamanca, Mitglied des Netzwerks Red Comunitaria Trans auf ihrem Twitter Account.

Der Kampf für die Rechte von trans Personen bleibt eine Herausforderung

Am Gedenktag wurden verschiedene Aktionen organisiert, darunter Aufführungen und Mahnwachen in den kolumbianischen Großstädten Cartagena, Barranquilla und Medellín. Eine der Mahnwachen fand in der Casa de Caribe Afirmativo statt, wo eine Initiative venezolanische LGBTI*-Migrant*innen und Geflüchtete betreut. Verschiedene Aktivist*innen, trans- und LGBTIQ*-Kollektive wie Muzas-Transformaciones Afirmativas, ein Kollektiv von kolumbianisch-venezolanischen trans Frauen, nahmen an der Veranstaltung teil.

„Für mich war es ein sehr wichtiger Tag, um allen trans Personen und Aktivist*innen, die viel für die Gesellschaft getan haben und heute nicht mehr bei uns sind, zu gedenken“, sagt Charloth Chirino, trans Frau, führende Aktivistin und Migrantin. Aus diesem Grund bestehe die Herausforderung darin, weiterhin für die Rechte von trans Personen zu kämpfen, insbesondere für das Recht auf Leben, das ihnen so oft vorenthalten wird. Daniela Rodríguez, Aktivistin, trans Frau und Community-Managerin von Caribe Afirmativo erklärt: „Mir ist wichtig, all die Frauen ins Gedächtnis zu rufen, die Wege geöffnet und konstruiert haben und sogar ihr Leben dafür geopfert haben, dass wir diese Wege gehen, Kollektive und Zusammenschlüsse bilden, die uns die Möglichkeit geben werden, die Realität zu verändern“.

Kein Zugang zu Gesundheitsdiensten, Bildungsmöglichkeiten und Arbeitsplätzen

Eines wurde bei dieser Veranstaltung besonders deutlich: Trans Frauen können oft kein Leben in Würde führen. Viele finden keinen anderen Ausweg als die Sexarbeit in einem Umfeld, das von bewaffneten Akteuren, die um Territorium kämpfen, kontrolliert wird. Effektive staatliche Lösungen für dieses Problem, die die Rechte der Frauen gewährleisten würden, gibt es bisher nicht. In der Realität werden sie dafür schikaniert, wenn sie ihre Rechte in Anspruch nehmen wollen.

Außerdem wurde auf die Gefährdung von trans Frauen hingewiesen, die sich irregulär in Kolumbien aufhalten. Sie haben keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten, Bildungsmöglichkeiten und Arbeitsplätzen, die für sie neue Lebensperspektiven eröffnen könnten. Der Gedenktag wurde nicht nur den Opfern gewidmet, die im Kampf und im Widerstand ihr Leben verloren haben, sondern hat auch eine Reflexion über die aktuelle Lage der trans Personen und die Herausforderungen für die Organisation und Mobilisierung ermöglicht. So können neue Realitäten geschaffen und vor allem verstanden werden, welchen Raum sie aktuell einnehmen. “Eine der Herausforderungen, die mir grundlegend und wichtig erscheint, besteht darin, die gesellschaftlichen Vorstellungen von uns zu verändern und Möglichkeiten zu entwickeln, dass die Gesellschaft uns anders sieht“, fügt Daniela Rodríguez hinzu.

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