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(20. November 2019 CI).- Am 28. November 1998 wurde die afroamerikanische Transfrau Rita Hester in Massachusetts (USA) in ihrer Wohnung erstochen. Aus Empörung darüber, dass ihre Ermordung in der offiziellen Berichterstattung fast vollständig ignoriert wurde, versammelten sich einen Tag später etwa 250 Menschen. Seither ist der 20. November Gedenktag und Kampftag zugleich: Es wird an die Opfer gesellschaftlicher Vorurteile, an ermordete Freundinnen und Freunde erinnert; gleichzeitig wird aber auch der Staat aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen, Maßnahmen zum Schutz vor trans*feindlicher Gewalt zu ergreifen und die Aufklärung von Angriffen auf Trans*personen voranzutreiben. Kolumbien befindet sich seit über 50 Jahren in einem bewaffneten Konflikt. Auf den Straßen der großen Städte ist die Gewalt allgegenwärtig. Übergriffe auf transsexuelle Männer und Frauen konzentrieren sich besonders auf den Bereich der Sexarbeit. Tödliche Angriffe auf Trans*personen haben in den letzten Jahren zugenommen, wobe ein Grßteil der Verbrechen nie aufgeklärt wird.
Mordrate in Lateinamerika besonders hoch
Zwischen 2008 und 2016 wurden weltweit 2.115 Trans*personen und Transsexuelle ermordet, davon 1.654 (über 60%) in Lateinamerika und der Karibik. Nach Angaben der Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH (Comisión Interamericana de Derechos Humanos) ist die Mordrate in Brasilien, Mexiko, USA und Kolumbien am höchsten. Allein in 2015 wurden Kolumbien 33 Trans*personen ermordet.
„Zwischen dem 1. Oktober 2018 und dem 30. September 2019 wurden 331 Mordfälle registriert, die meisten davon in Mexiko (63), Brasilien (130) und USA (30)”, so das Trans Murder Monitoring Project TMM.
„Angriffe auf Trans*personen sind keine kontextlosen Einzelfälle sondern Ausdruck weitverbreiteter gesellschaftlicher Vorurteile. Der Staat hat die Pflicht, der Gewalt vorzubeugen, Verbrechen aufzuklären und juristisch zu ahnden und dafür Sorge zu tragen, dass sich solche Angriffe nicht wiederholen“, mahnte LGBTIQ-Menschenrechtsorganisation Colombia Diversa.
Wenn man bedenkt, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen nach kolumbianischem Gesetz noch bis 1980 mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft wurden, hat die Bewegung inzwischen einiges erreicht. Trotzdem fordern Menschenrechtsorganisationen nach wie vor Respekt für alle Menschen, unterschiedslos und nicht nur auf dem Papier. Der diesjährige Trans*-Gedenktag verstand sich als Auftakt für den landesweiten Generalstreik am 21. November, zu dem Gewerkschaften, Indigenenverbände, Studierende und Künstler*innen aufgerufen hatten.
Erfolge der kolumbianischen LGBTIQ-Bewegung seit Anfang der 90er
–1993 Carlos Montaño lässt sich nach seiner Geschlechtsangleichung mit seinem neuen Namen registrieren.
–1996 Laut Erlass C098 darf niemand aufgrund der sexuellen Orientierung diskriminiert werden.
–1998 Das Verfassungsgericht beschließt, dass sexuelle Orientierungen nicht mehr als „abnorm” oder als Disziplinarvergehen bewertet werden dürfen, und stellt sich damit auf die Seite homosexueller Lehrkräfte.
– 1999 Nach einem Beschluss des Verfassungsgerichts gilt Homosexualität auch beim Militär nicht mehr als Disziplinarvergehen.
–2003 In Ausnahmefällen dürfen homosexuelle Inhaftierte von ihren Partner*innen Besuch im Gefängnis erhalten. Gilt seit 2011 in allen Haftanstalten des Landes.
–2007 Das Verfassungsgericht erkennt das Erbrecht für gleichgeschlechtliche Paare an, sofern seit mindestens zwei Jahren ein gemeinsamer Hausstand besteht. Zwar gibt es noch keine Anerkennung der Homoehe, aber immerhin werden homosexuelle Paare im Hinblick auf das Erbrecht den heterosexuellen Paaren gleichgestellt.
–2007 Die Krankenversicherung kann innerhalb gleichgeschlechtlicher Partnerschaften auf den Partner/die Partnerin übertragen werden.
– 2008 Das Verfassungsgericht beschließt die Hinterbliebenenrente für gleichgeschlechtliche Paare.
–2009 Der Erlass C-029 spricht homosexuellen Paaren weitere Rechte zu: Weitergabe von Grundstücksrechten, Übertragung von Ansprüchen aus der Unfallversicherung, Wohngeld, Aufenthaltsrechte etc. Das Ganze verläuft in mehreren Etappen. 2014 wird zum Beispiel beschlossen, dass für den Zugang zu den Finanzhilfen keine weitere Nachweise mehr gefordert werden dürfen.
–2011 Homosexuelle Paare werden rechtlich auf eine Stufe mit heterosexuellen Lebensgemeinschaften gestellt. Für die praktische Ausarbeitung entsprechender Gesetzesvorlagen gewährt das Verfassungsgericht dem Kongress eine Frist von zwei Jahren.
–2012 Das Verfassungsgericht befürwortet die Klage eines US-Bürgers gegen die kolumbianische Adoptionsbehörde, weil ihm die Adoption von zwei Kindern (8 und 13 Jahre) verweigert wurde.
–Februar 2015 Das Oberste Gericht beschließt, dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren können, sofern eine/r der beiden leibliches Elternteil des Kindes ist. Die endgültige Entscheidung fällt im November mit dem Beschluss des Gerichts, dass sexuelle Orientierung kein Kriterium bei der Vergabe des Adoptionsrechts sein darf.
– 2016 Das Verfassungsgericht beschließt die Zulassung der Homoehe. Kolumbien ist damit einer der weltweit 25 Staaten, in denen gleichgeschlechtliche Paare heiraten können.
20. November – Gedenktag für die Opfer von Trans*feindlichkeit von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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