von Silvia Ribeiro
(Mexico-Stadt, 23. Januar 2016, la jornada).- Eine so absurde und mit so vielen negativen Auswirkungen versehene Aktivität wie das Geo-Engineering als „normale“ Option erscheinen zu lassen, dafür wurde beim UNO-Klimagipfel (COP 21) im Dezember 2015 in Paris entscheidend der Weg geebnet. Es war vielleicht eines der schlimmsten Manöver dieses Treffen. Nicht nur wegen der implizierten Risiken, sondern weil die Mehrheit gar nicht bemerkte, was vor sich ging. Sicher ist, dass ein „Plan B“, den einige Wissenschaftler*innen wegen seiner gravierenden Nebeneffekte „nur im Notfall“ anwenden wollten, zu einem „Plan A“ mutiert ist. Ohne ihn, so seine Verfechter*innen, machen die von der COP 21 etablierten Reduktionsziele keinen Sinn.
Geo-Engineering ist die absichtliche und groß angelegte technologische Manipulation des Erdklimas. Es beinhaltet eine Reihe von Vorschlägen, bei denen die Befürworter*innen zwei Verfahrensweisen vorsehen: den Überschuss von Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen und die Sonnenstrahlen zu blockieren, damit die Sonneneinstrahlung auf die Erde abnimmt und so angeblich die Temperatur gesenkt wird. Das Geo-Engineering beschäftigt sich nicht mit den Ursachen des Klimawandels. Es ist ein Weg, der auf die Symptome (Temperatur und Gasüberschuss) zielt. Zudem ist es eine Form, neue Geschäfte für diejenigen zu kreieren, die diese Technologie kontrollieren.
Pläne zur Manipulation des Weltklimas
Bestandteil der Planungen ist es, die Meer mit Eisen zu „düngen“, die Ozeanschichten zu mischen und die Meereschemie zu verändern, CO2 mit mechanischen oder chemischen Mitteln zu absorbieren und es in tiefen geologischen Formationen zu begraben. Das „Sonneneinstrahlungs-Management“ geht vom Bleichen der Wolken und dem Pflanzen transgener Bäume mit stärkerer Leuchtkraft, um das Sonnenlicht zurückzuwerfen bis hin zur Schaffung riesiger künstlicher Vulkanwolken, um die Sonne zu verdecken. 2010 beschloss die Konvention über Biologische Vielfalt der Vereinten Nationen ein internationales Moratorium gegen die Anwendung des Geo-Engineering wegen seiner Folgen für Umwelt, Biodiversität und Gemeinden.
Jede Manipulation des Weltklimas wird einige Regionen negativ treffen. 2014 zeigten Modellrechnungen eines umfassenden Teams von Wissenschaftler*innen aus 21 Ländern, dass jede Form der technologischen Veränderung der Sonneneinstrahlung das tropische und subtropische Klima (noch mehr) aus dem Gleichgewicht bringen wird. Dort bereits überall vorkommende Regenfälle, Winde, Überschwemmungen oder Dürren werden extremer. Die Auswirkungen können sich bis zu „katastrophal“ steigern.
Aber nachdem die COP 21 vereinbarte, den durchschnittlichen Temperaturanstieg auf 1,5 bis maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen, widmeten sich die Wissenschaftler*innen, die das Geo-Engineering verfechten und von denen einige den größten weltweit operierenden Ölkonzernen nahestehen, der Aufgabe, in den Medien zu verbreiten, dieses Ziel sei ohne die Anwendung der erwähnten Technologie unmöglich zu verwirklichen. Sie kritisieren die Ergebnisse der COP 21, weil sie keine energischeren Maßnahmen angesichts des Klimawandels vorsehen. Diese Sorge wird von vielen geteilt, aber die Wissenschaftler*innen drängen auf die aktive und mit öffentlichen Mittel subventionierte Förderung der Entwicklung des Geo-Engineering. Ein Beispiel dafür ist der von elf Wissenschaftler*innen unterschriebene Brief, der vor Kurzem in der britischen Tageszeitung The Independent (Besprechung in La Jornada) veröffentlicht wurde.
Undurchführbare Fantasien und unkalkulierbare Risiken
Andere Wissenschaftler*innen prangerten den tatsächlichen Charakter dieser Vorschläge an. Kevin Anderson, beigeordneter Direktor des Tyndall Studienzentrums zum Klimawandel in Großbritannien, warnte vor den Gefahren des Geo-Engineering, das als eines Lösung des Klimawandels präsentiert wird, aber stattdessen neue Risiken provoziert. In einem in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Text, bringt Anderson die große Sorge darüber zum Ausdruck, dass die COP 21 das Konzept der „Technologien negativer Emissionen“ akzeptiert hat. Ein Euphemismus, um Geo-Engineering-Vorschläge wie die Bioenergie mit CO2 -Abscheidung und -Speicherung (englisch BECCS) zu benennen. Es geht dabei um die Pflanzung riesiger Monokulturen (mit mindestens dem Drei- bis Fünffachen der Fläche Mexikos), ihre Verbrennung zur Energiegewinnung, die Absorption des resultierenden CO2 und dessen Transport via Rohrleitungen oder Lastwagen mit abschließender Speicherung im tiefen geologischen Untergrund. Abgesehen von anderen Problemen ist das eine undurchführbare Idee.
Verschiedene Forscher*innen haben darauf hingewiesen, dass der Umfang der Pflanzungen unmöglich ist. Es gibt auf dem Planeten keine frei verfügbaren Flächen dafür. Die Summe der Energieausgaben und der CO2-Emissionen der Plantagen sowie ihrer Verbrennung ist höher als der Wert, der kompensiert werden soll. Es handelt sich um eine doppelte Buchführung bei der Absorption des CO2, denn die Pflanzungen sind für Zonen angedacht, die bereits eine Vegetationsdecke aufweisen: Naturschutzgebiete und die Territorien indigener und kleinbäuerlicher Gemeinden, notwendig zum Überleben und die Gesundheit der Ökosysteme.
Anderson fügt hinzu, obwohl die BECCS-Idee nicht funktionieren werde, sei es sehr besorgniserregend, dass es Wissenschaftler*innen gibt, die den Vorschlag aus unlauteren Motiven in dem Wissen verfechten, dass dem Klimawandel mit dieser Art Fantasien nicht begegnet werden kann. Wenn BECCS seine Unzulänglichkeiten zeigt und die globale Temperatur weiter ansteigt, werden dieselben Wissenschaftler*innen erklären, der einzige Ausweg seien weitere noch risikoreichere Formen des Geo-Engineering.
Die Hälfte des Klimawandels wird von weniger als zehn Prozent der Weltbevölkerung verursacht, erinnert Anderson. Falls diese zehn Prozent ihren Lebensstil auf das europäische Mittel – „das mit Armut nichts zu tun hat“ – reduzieren würden, käme das einer weltweiten Abnahme der Treibhausgase um 30 Prozent gleich. Sehr viel effektiver als jede Form des Geo-Engineering.
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