Solidarität mit Zanon – Brief an argentinischen Botschafter in Berlin

 Arbeiter*innen der selbstverwalteten Fliesenfabrik im argentinischen Zanon fordern Kredit zur Erneuerung ihrer technischen Anlagen

In Solidarität mit ihren Forderungen übergaben Unterstützer*innen am 29.5.2015 einen von vielen Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen unterschriebenen Brief an den argentinischen Botschafter in Berlin.

 

Wir dokumentieren im Folgenden den offenen Brief und warten gespannt auf eine Reaktion.

 


„Sehr geehrte Botschafter*innen der argentinischen Vertretung in Berlin, Wir möchten Sie bitten unsere Solidarität und Besorgnis über die Situation der Arbeiter*innen an den Argentinischen Staat weiterzuleiten, und hoffen dass sie die versprochenen Kredite schnellst möglich auszahlen werden.

Solidarität mit der selbstverwalteten Fliesenfabrik Zanon
in Neuquén / Argentinien!

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Der Fliesenfabrik Zanon, einem der bekanntesten der übernommenen Betriebe in Argentinien, droht wegen der Weigerung der Regierung, bereits zugesicherte Kredite auszuzahlen, das ökonomische Aus. Die inzwischen hoffnungslos veraltete Maschinerie bedarf dringend einer Erneuerung.

Die Arbeiterselbstverwaltung der ehemaligen Fabrik Cerámica Zanon besteht seit 13 Jahren. Als die Chefs diese Fabrik Ende 2001 mit einem betrügerischen Konkurs verließen, haben wir sie mit 250 Arbeiter*innen besetzt und wieder ans Laufen gebracht. Ohne unseren Kampf und die Unterstützung der Bevölkerung wäre von dieser Fabrik nur eine leere Halle voll Schrott übriggeblieben. Um gegen die Arbeitslosigkeit zu kämpfen, organisierten wir uns in Versammlungen und öffneten die größte Fabrik Neuquéns für die Bevölkerung. Während wir nach und nach die Produktionslinien in Gang brachten, organisierten wir gleichzeitig Konzerte, Ausstellungen und viele soziale Aktivitäten. Wir konnten vier Räumungsbefehle abwenden und waren mehrfach heftiger Repression ausgesetzt. Mit dem Hochfahren der Produktion schufen wir zig Arbeitsplätze. Nach Jahren von Auseinandersetzungen wurde 2009 die Enteignung der Fabrik im Parlament verabschiedet. 2013 wurde die Fabrik schließlich vollständig in Arbeiterhand übergeben.
Heute sind wir 450 Arbeiterfamilien, die in der Kooperative FaSinPat (Fábrica Sin Patrones – Fabrik ohne Chefs) organisiert sind und dort unseren Lebensunterhalt verdienen. Aber die Fabrik ist bedroht, und damit auch unsere Zukunft. Die Maschinerie ist inzwischen veraltet. Dies erschwert die Produktion und treibt den Energieverbrauch in astronomische Höhen. Alle anderen Keramikfabriken konnten in diesen Jahren ihre Technologie mit Mitteln der Landes- und der Provinzregierungen erneuern – von der direkt neben uns befindlichen Fabrik Cerámica Neuquén bis zu Cerámica Alberdi in Salta (deren Bau vollständig von der Landesregierung finanziert wurde). Wir haben unseren Plan zur technologischen Erneuerung 2013 bei der Regierung eingereicht und wurden in das Kreditprogramm zum Bicentenario (Zweihundertjahrfeier der Unabhängigkeit Argentiniens) aufgenommen. Nach diesem Programm wurden mehr als 11 Milliarden argentinische Pesos an 500 Unternehmen ausgeschüttet, von denen viele zu Multis gehören (wie Toyota, Carraro oder Metalpar). Während die Situation in unserer Fabrik immer schwieriger wurde, verlangten sie von uns immer weitere Papiere (die wir alle abgegeben haben). Im Januar 2015 sagten uns Regierungsbeamte schließlich, dass sie uns den benötigten Kredit aus dem Programm Fondear (der Fortsetzung des Bicentenario-Programms) nicht geben würden. Wir hakten nach und wurden am 25. Februar in den Regierungspalast Casa Rosada eingeladen, wo uns Kabinettschef Jorge Capitanich im Beisein von Beamten des Wirtschaftsministeriums mitteilte (und zwar öffentlich), dass sie uns über Fondear einen Kredit von 32 Millionen argentinischer Pesos für die technologische Erneuerung geben würden, aufgeteilt in zwei Raten, die Ende März und Anfang April ausgezahlt würden. Dieser Termin ist bereits verstrichen, aber der Kredit ist nicht angekommen. Am 31. März versicherte Wirtschaftsminister Kiciloff uns in Neuquén, dass die Kreditzusage der Regierung umgesetzt würde. Aber am 8. April bestellten sie uns zum Wirtschaftsministerium und teilten uns mit, dass sie den Fondear-Kredit nicht auszahlen würden.
Wir Arbeiterinnen und Arbeiter von Zanon wollen nichts geschenkt haben. Wir fordern vom Staat nichts anderes als einen Kredit für den Kauf von Maschinerie und die technologische Erneuerung eines Teils der Fabrik. Dies ist unserer Meinung nach eine gerechtfertigte Forderung, um die Produktion weiterführen und die Arbeitsplätze erhalten zu können.

Wir unterstützen die Forderungen der Arbeiter*innen von Zanon,
mit freundlichen und solidarischen Grüssen,

 

Unterzeichnende:

Labournet Germany (www.labournet.de)
Lucha Amada Kollektiv (Berlin/Köln)
FAU Kiel
¡Alerta! – Lateinamerika Gruppe Düsseldorf
Informationsstelle Lateinamerika e.V. (www.ila-web.de)
Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg (www.jourfixe.hamburger-netzwerk.de)
Nachrichtenpool Lateinamerika e.V. (www.npla.de)
Verlag Assoziation A, Berlin/Hamburg, Alemania (www.assoziation-a.de)
Forschungsgesellschaft Chile Lateinamerika e.V. FDCL- Berlin (www.fdcl.de)
Basisinitiative Solidarität (BaSo)
Ökumenische Initiativgruppe Eine Welt (OEIGEW)
Treptow-Köpenick
VK-Leitung Alstom Mannheim, Jürgen Zimmermann
Dr. Manfred Schneider, Koblenz
Marja Nalesinski, Köln
Monika Neuner, Reutlingen
Wolfgang Alles für das Mannheimer Bündnis „wir zahlen nicht für eure Krise“
Thomas Gabler, Berlin
Rolf Satzer, Köln
Margund Braun, Saarbrücken
Renate Winter, Berlin
Hartmut Wihstutz, Hohen Neuendorf.
Gisela Roghé, bei Bremen
Klaus Simon, Fankenblick
Kornelia und Josef Göbel, Berlin
Dr. Klaus Wazlawik, Kaulsdorf
Martina Amann, Hamburg,
Ulla Putze-Breidenstein, Berlin
Ruth und Prof. Dr. Karl-Heinz Priese, Berlin
Hans-Juergen Fischbeck, Berlin
Dr. Hans-Gerhard Koch, Alemania
Manfred Albert, Oberhausen
Werner Gebert, Oferdingen
Dr.Karin Seiffert-Abuzied, Berlin
Dr. Wolfgang Neef, Berlin
Christa Maria Bauermeister, Hildesheim
Simone Brietzke, Willmenrod, Deutschland
Peter Klemm, Hamburg
Bettina Rübesame, Berlin
Margit Geilenbrügge, Dortmund
Uli Barth, Kaufungen, Germany
Ulla Lenz, Langen
Giuliana Giorgi, Berlin
Dieter Dorn, Berlin
Maria Henkys, Düsseldorf
Erich Kassel, Bremen (IGM-Delegierter, Ex- Betriebsrat Stahlwerke Bremen)
Waltraud Kassel, in Ver.di aktiv
Prof. Dr. Till Mossakowski
Bianca Lißner, Kassel
Ursula Grohs, Berlin
Dr.Nori Möding
Elisabeth Voß, Dipl. Betriebswirtin (FH)/Publizistin, Berlin
Norbert Kuske, Wahlstedt,
ver.di / Bezirk Südholstein und Personalrat
Willi Hajek, TIE-Germany, internationales Bildungswerk (www.tie-germany.org)
Solidaritätskomitee _ Comité de Solidaridad, Köln, Alix Arnold
Solibündnis Berlin_Antje Vieth, Paula Maether, Carlos Ramos
Clarita Müller-Plantenberg, Berlin
Lars Stubbe, ver.di Gewerkschaftsekretär Lüneburg“
Bundeskoordination Internationalismus (B.U.K.O.)
Freie Kultur Aktion e.V.
Jorge Rath, Cecosesola, Venezuela

 

Berlin, 17.06.2015

 

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