Internationale Wahlkampfprofis aus einem konservativen bis rechtsaußen Spektrum kamen im September zur „Berlin Campaign Conference“ zusammen. Bei dem von der Kampagnenagentur „The Republic“ organisierten Treffen tauschten sie sich über erfolgreiche Wahlkampfstrategien aus. Auch Mitglieder von CDU/CSU waren vertreten und könnten aus Erfahrungen der Wahlkämpfe von Donald Trump oder Boris Johnson lernen und manches davon in den nächsten Bundestagswahlkampf einbringen.
Etwa 200 Personen vor allem aus des USA, Neuseeland, Australien, Großbritannien und einigen EU-Staaten nahmen an der Konferenz teil, die vom 4. bis 6. September im Berliner Marriott Hotel stattfand. Zu den Sponsoren gehörte auch die US-amerikanische Heritage Foundation, die das Strategiepapier Project 2025 mit dem Mandate for Leadership für Donald Trumps neue Regierung ausgearbeitet hat.
Tik Tok Workshop
„Die Konferenz war vor allem eine Art Workshop dazu, wie konservative und extrem rechte Wahlkampagnen auf Socialmedia, besonders auf Tik Tok umgesetzt werden können, um junge Leute zu erreichen“, berichtet die Investigativ-Journalistin Carla Porter*, die an der Konferenz teilnahm. Erfolgreiche Kampagnenstrategien aus den Wahlkämpfen für Donald Trump in den USA, Großbritanniens Ex-Premierminister Boris Johnson und für den 2023 gewählten neuseeländischen Premierminister Christopher Luxon lieferten dafür die Vorlage.
Nach Einschätzung mehrerer Konferenzteilnehmer:innen wählen weltweit immer mehr junge Menschen die extreme Rechte und wenden sich einem traditionellen Denken, und an der Familie ausgerichteten Werten zu, so Porter. Die Wahlkampagnen sollen sich daher explizit an junge Menschen richten, die gezielt zu bestimmten Medien bzw. Kanälen in Social Media gelenkt und dort mit einfachen Botschaften angesprochen werden sollen.
Blue-collar workers
Als neue Zielgruppe identifizieren viele Kampagnen-Agenturen die sogenannten „blue-collar workers“, also Personen, die manuelle Arbeiten verrichten. Aufgrund einer Krise der Linken, die die Arbeiter:innen nicht mehr repräsentiere, wählten diese in vielen Ländern nicht mehr links, sondern zunehmend rechts, so fasst Porter die Einschätzung mehrerer Konferenz-Teilnehmer:innen zusammen. Dass die Arbeiter:innen sich von der Linken entfernten, eröffne der Rechten und der politischen Mitte neue Optionen, um dieses Potential zu gewinnen, so der Tenor.
Wie Porter berichtet, fragte Brent Buchanan, der Vorsitzende der Agentur CYGNAL, zu Beginn der Tagung, wer von den Anwesenden einen Hochschulabschluss habe. Da – wie zu erwarten – quasi alle die Hand hoben, habe er erklärt: „Ihr seid nicht mehr unsere Zielgruppe. Unsere Wählerschaft stammt inzwischen aus der armen, wenig gebildeten, oft aus der nicht-weißen Bevölkerung.“ Buchanan forderte die Konferenzteilnehmenden dazu auf, die neue Basis – und darunter auch diejenigen, die gewerkschaftlich organisiert sind – willkommen zu heißen. Seiner Meinung nach seien Menschen ohne Uni-Abschluss einfacher anzusprechen, es sei allerdings wichtig zu wissen, wie gute Kommunikation mit diesen Menschen aussehen müsse.
Die Internationale der Konservativen
“Viele Teilnehmende stehen der extremen Rechten in verschiedener Hinsicht sehr nahe, sie sehen sich selbst aber als rechtskonservativ oder neoliberal”, erklärt Porter. Zwischen den Teilnehmenden seien auch politische Unterschiede und Widersprüche deutlich geworden, sagt die Journalistin. Demnach gaben sich vor allem die deutschen Teilnehmenden eher gemäßigt und betonten ihre Abgrenzung von der AfD, denn sie sähen ihre „Chance für die liberale Rechte in der politischen Mitte“.
„Im Hintergrund steht die International Democracy Union (IDU), fast alle Parteienvertreter:innen, die an der Konferenz teilgenommen haben, gehören zur IDU, die das bei der Konferenz vertretene Spektrum verbindet“, betont der Journalist und Researcher Ulli Jentsch. Die IDU gehört zu den mehr als einem Dutzend Partnern der Konferenz. Diese große und einflussreiche Vernetzung, die Internationale der konservativen Parteien, werde in ihrer Bedeutung oft nicht wahrgenommen, so der Researcher. Der IDU gehören rund 80 Parteien aus über 60 Staaten an. Sie umfasst ein breites Spektrum von der deutschen CDU/CSU, über die italienischen Fratelli d‘Italia und Forza de Italia, die chilenische Unión Demócrata Independiente, die noch 2023 den Pinochet-Putsch als unausweichlich rechtfertigte, und die argentinische Propuesta Republicana, die der aktuellen rechts-libertären Regierungskoalition in Argentinien angehört, bis zu der Republikanischen Partei in den USA.
„Sie haben gemeinsame Ziele und Interessen und versuchen sich gegenseitig in ihren Wahlkämpfen zu unterstützen“, betont Ulli Jentsch. Es sei wichtig zu verstehen, dass die Parteien der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR/ECR) unter Giorgia Meloni und die Europäische Volkspartei (EVP/EPP) unter Manfred Weber in der IDU zusammenarbeiten. Das zeige, dass die Brandmauer-Rhetorik auf europäischer und globaler Ebene eine Illusion sei. „Dennoch gehören weite Teile der IDU mit ihrer stark konservativen Ausrichtung eher zur gemäßigten Rechten“, so Jentsch, „nicht wegen ihrer Inhalte, sondern weil sie nicht mit der AfD oder anderen extremen Rechten zusammengehen wollen“.
Einzelne Konferenzteilnehmer seien aus diesem Rahmen gefallen, berichtet Porter. So war der polnische Łukasz Wojdyga, der Vorsitzende des Centre for Strategic Studies bei dem polnischen Thinktank Warsaw Enterprise Institute „der einzige, der liberale Rechte kritisierte, die Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehe nicht verbieten.“ Er habe auch explizit die AfD verteidigt.
CDU/CSU als Adressat
Insgesamt habe das Programm jedoch eher die CDU/CSU adressiert, diese im Bundestagswahlkampf zu unterstützen, sei ein Ziel der Konferenz gewesen, meint Ulli Jentsch. Die Kampagnenchefin der CDU, Christine Carboni, nahm an der Konferenz als Teilnehmerin eines Panels teil. In den Wochen zuvor hatte es Diskussionen um die Rolle der Union bei der Konferenz und um eine zu große Nähe zu Trump-Strateg:innen gegeben. Eine direkte Einladung der Konferenzteilnehmenden ins Konrad-Adenauer-Haus der CDU wurde abgesagt, stattdessen nahm eine kleine Gruppe an einer Führung durch den Bundestag teil.
„Einer der bedeutendsten Strategen ist Ron Nehring vom The Leadership Institute“, erklärt Ulli Jentsch. Dieser Thinktank, der nach eigenen Angaben pro Jahr 15.000 junge Konservative in der ganzen Welt ausbildet, gehörte auch zu den Sponsoren der Berlin Campaign Conference. „Nehring hat erfolgreich Wahlkampf für Ted Cruz in Florida geführt, Kampagnen in Guatemala und in Kroatien organisiert. Er weiß, wie das funktioniert und taucht im IDU Umfeld einfach überall auf“, so Jentsch. Im eigentlichen Sinne sei er ein „Dienstleister“, der irgendwo in der Mitte des Spektrums zwischen politisch motivierten Personen und reinen Kampagnenmacher:innen einzuordnen sei, sagt der Researcher Ulli Jentsch. Schon 2023 habe Nehring bei einer ersten, damals noch sehr kleinen Berlin Campaign Conference als Sprecher teilgenommen.
Bei der Konferenz war auch eine Organisation mit direkten Berlinbezug dabei. Die Kampagnenagentur „THJNK“, die den Wahlkampf der CDU in Berlin bestritten und Kai Wegner mit zum Bürgermeisteramt verholfen hat, war sowohl in 2023 als auch in 2024 bei der Berlin Campaign Conference vertreten, wie Ulli Jentsch beschreibt.
Am 14. Oktober fand eine weitere Konferenz, die „Transatlantic Partnership” in Berlin statt – ebenfalls im Marriott Hotel. Wie die Journalistin Porter beschreibt, ging es dabei inhaltlich stark um die Themen Migration, Antisemitismus und Nationalismus. Vor allem aber hätten sich dort rechte Thinktanks aus Deutschland und Ungarn, wie The Republic, das Mathias Corvinus Collegium und das Danube Institute, vernetzt.
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