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(Madrid, 27. Februar 2025, El Salto).- Fast vier Jahrzehnte konnte sich die antiliberale und antisozialistische Diktatur von Francisco Franco in Spanien halten. Frauen, die sich politisch und gewerkschaftlich engagierten oder sich dem vom Staatskatholizismus auferlegten Weiblichkeitsbild auf andere Weise widersetzten, bekamen vielfältige Formen der Repression zu spüren. Das neue Modell der Weiblichkeit reduzierte „die Frau“ auf ihre Rolle als Mutter und Ehefrau. Die Errungenschaften der Zweiten Republik gingen verloren, und an ihre Stelle traten eine Moral und Gesellschaftsordnung, deren patriarchalische Vorgaben die vollständige Kontrolle des weiblichen Körpers und der weiblichen Sexualität verlangten und alle privaten und öffentlichen Bereiche durchdrangen. Ein von dem diktatorischen Regime etablierter politischer, rechtlich-institutionellen Rahmen indoktrinierte und bestrafte alle Abweichungen. Diejenigen, die es wagten, an eigenen Ideen festzuhalten, statt sich dem Kanon der „Reinheit“ zu unterwerfen, wurden sozial isoliert: in Gefängnissen, Besserungsanstalten, psychiatrischen Kliniken, Entbindungskliniken, kirchlichen Einrichtungen und der Frauensektion der Falange. In ihrem Buch Lunática beschreibt die baskische Journalistin Andrea Momoitio die Unterdrückung der Frauen als zusammenhängendes Netz. Selbst wenn man im politischen Kampf gegen das Regime trotz aller Risiken auf solidarische Bande zählen konnte, so machten im alltäglichen Dasein Einsamkeit und Ausgrenzung das Leben der Abweichler*innen noch härter und grausamer.
Gefängnisse
Im Verlauf der gesamten Diktatur wurden Tausende von Frauen wegen ihrer antifranquistischen Aktivitäten verhaftet, verurteilt und wegen sogenannter Verstöße gegen die „öffentliche Ordnung“ (illegale Vereinigungen, Demonstrationen, illegale Propaganda) eingesperrt. Mit der Zeit und als Ergebnis eines harten Kampfs in den Gefängnissen erlangten sie den Status „politische Gefangene“, den ihnen die Diktatur verweigerte. Dazu bevölkerten Frauen, die abgetrieben hatten, Frauen, die aufgrund ihrer Armut Schmuggel und Raub begangen hatten, sowie weitere Straftäterinnen die Gefängnisse. Für Sexarbeiterinnen gab es zusätzlich eigene Knäste (in den 1940er Jahren wurden acht spezielle, von religiösen Orden betriebene Gefängnisse eingerichtet), außerdem gab es mehrere Entbindungsgefängnisse, bis die zentrale Haftanstalt für stillende Mütter im Ventas-Gefängnis eröffnet wurde.
Der Bestand an Frauengefängnissen und die Bedingungen für die Inhaftierten variierten im Laufe der Jahre. Einige wurden geschlossen und andere geöffnet. Ventas in Madrid wurde 1969 geschlossen, Alcalá de Henares (eine Zeit lang ein Männergefängnis) weiterhin als Frauenhaftanstalt genutzt und Yeserías 1974 eröffnet. Les Corts in Barcelona wurde 1955 geschlossen, und Trinitat Vella war von 1963 bis 1985 geöffnet. Von all diesen Gefängnissen existieren noch Zeugnisse aus jüngerer Zeit, unter anderem ein spannendes Video der katalanischen Künstlerin Julia Montilla. Noch 1975, im letzten Jahr der Diktatur, wurden 164 Frauen vor das Tribunal de Orden Público (Gericht für öffentliche Ordnung) gezerrt. Das Sondergericht existierte bis 1977 und wurde durch die heutige Audiencia Nacional abgelöst, die sich unter anderem Straftaten von schwerer politischer Tragweite widmet. Nach der Schließung von Ventas und bis zur Eröffnung von Yeserías als Frauengefängnis brachte die Gefängnisleitung schwangere Frauen in die Kellerräume des Strafvollzugskrankenhauses, das zum Gefängnis Carabanchel gehörte. Heute befindet sich darin das Centro de Internamiento de Extranjeros (CIE), ein Gefängnis für rassifizierte Migrant*innen, obwohl es eigentlich viel angebrachter wäre, die Haftanstalt zu schließen und in einen Ort der Erinnerung an die Franco-Unterdrückung und den institutionellen Rassismus umzuwandeln. So spiegeln sich nun Vergangenheit und Gegenwart von Unterdrückung in ein und demselben Gebäude wider.
Die polizeilichen Verhöre wurden meist von der Dirección General de Seguridad (DGS) durchgeführt und waren von Demütigungen, Misshandlungen und in vielen Fällen brutaler Folter begleitet. Betroffene haben vor spanischen und auch argentinischen Gerichten geklagt, um Gerechtigkeit für die erlittene Folter zu fordern. Bis heute jedoch ohne Erfolg, da das Amnestiegesetz von 1977 den Verbrechern und Folterern der Diktatur Straffreiheit gewährt. Von dieser Amnestie profitierten jedoch weder die „gewöhnlichen Gefangenen“ noch die so genannten „sexuellen Abweichler*innen“, Lesben und Trans-Personen, die in Anwendung des Gesetzes über gesellschaftliche Gefährdung und Rehabilitierung im Gefängnis gelandet waren.
1977 macht die Frauenbewegung ihren Standpunkt klar, dass alles Private auch politisch ist, und forderte die Freilassung aller Frauen, die wegen so genannter „spezifischer“ Verbrechen (Ehebruch, Abtreibung, Prostitution) inhaftiert waren. Die Erweiterung des Begriffs des „Politischen“ und die Erkenntnis, dass die Kriminalisierung des selbstbestimmten Lebens von Frauen Teil des repressiven Universums des Franquismus war, gehören seither zum grundlegenden Selbstverständnis des feministischen Kampfs gegen das Wiedererstarken des Franquismus.
Die Zentren des Frauenschutzbunds (Patronato de Protección a la Mujer)
Der Frauenschutzbund existierte bis 1985, unterstand dem Justizministerium und hatte schätzungsweise 900 Zentren in Spanien. Dort wurden Mädchen und Frauen bis zu ihrer Volljährigkeit, also bis zum 25. Lebensjahr eingesperrt (die Volljährigkeit mit 21 Jahren wurde erst 1973 eingeführt). Die Zentren wurden von verschiedenen religiösen Orden geleitet, deren Namen heute anmuten wie Punkbands: Die Anbeterinnen, Die Oblaten, Die Evangelischen Kreuzfahrerinnen und andere leiteten diese Zentren mit dem Ziel, „sich um die gefallenen oder gefährdeten Mädchen zu kümmern“, „sie vor Ausbeutung zu schützen, sie vom Laster fernzuhalten und sie gemäß den Lehren der katholischen Religion zu erziehen“. Wie die spanische Aktivistin Consuelo García del Cid erzählt, wurden dort alle Minderjährigen eingesperrt, „die man ihnen übergeben hatte, die sie selbst festgenommen hatten oder die von dieser grauenhaften weiblichen Polizei gejagt wurden. Diese überwachte in der Uniform der franquistischen Beamten das Verhalten auf der Straße und an anderen öffentlichen Orten, und das hieß nicht nur Tanzlokale und Kinos, sondern auch Schwimmbäder, Fern- und Nahverkehrszüge“. Eine junge Frau konnte von jeder x-beliebigen Person denunziert werden, die ihr Verhalten für sittenwidrig hielt. Jede Provinzbehörde verfügte über ein Beobachtungs- und Klassifizierungszentrum (COC), in dem Frauen untersucht wurden, um festzustellen, ob sie „jungfräulich und moralisch unbedenklich“ waren. Sexarbeiterinnen wurden von den anderen getrennt und Schwangere in Entbindungsstationen untergebracht, aus denen die Babys verschwanden, weil sie gestohlen wurden. Je nachdem, wie ihr Verhalten eingestuft wurde, brachte man die Frauen in Besserungsanstalten unter, deklarierte sie als unzurechnungsfähig und verbrachte sie in psychiatrische Kliniken.
In den letzten Jahren sind dank der Arbeit von Forscherinnen und Journalist*innen immer mehr Zeugnisse von Frauen aufgetaucht, die von Demütigungen und Gewalt bis hin zu Sklavenarbeit erzählen. Aber bis heute haben weder der Staat noch die religiösen Orden Verantwortung übernommen; im Gegenteil, sie erhielten Verdienstauszeichnungen und Subventionen und betreiben weiterhin Aufnahmezentren für Minderjährige.
Baby-Diebstahl
Die Gewalt gegen Frauen gipfelte im Raub ihrer neugeborenen Kinder. Betroffen waren vor allem die Frauen, die die Franco-Diktatur aufgrund ideologischer, religiöser, sozialer und eugenischer Kriterien als ungeeignet für die Mutterschaft erklärt hatte. Ohne jegliche gesetzliche Grundlage, aber mit Duldung des Staates verschwanden bis 1990 Babys aus Gefängnissen und Justizvollzugsanstalten, Kliniken und Entbindungsstationen, Internierungslagern und allen anderen Einrichtungen, in denen Frauen entbinden mussten. Dahinter stand ein Netzwerk von Agenten religiöser Orden, Gesundheitseinrichtungen und Staatsbediensteter. Mütter wurden beschuldigt, nicht „für die Kindererziehung geeignet“ zu sein, und unter Druck gesetzt, damit sie ihre Babys „freiwillig“ abgaben. Andere Neugeborene verschwanden und wurden als tot gemeldet, ohne dass die Mütter die Möglichkeit hatten, dem nachzugehen. Inzwischen sind die meisten der 526 Akten im Zusammenhang mit der Suche nach gestohlenen Säuglingen im Archiv gelandet.
Die „Nervenheilanstalten“
Ein weiteres Vorgehen gegen Frauen, deren Verhalten nicht als „vorbildlich“ galt, war die Einweisung in psychiatrische Zentren. Allein in Madrid existierten mehrere solcher Heilanstalten für Frauen. In dem Buch „Cartas desde el Manicomio“ (Briefe aus der Nervenheilanstalt) beschreiben verschiedene Autorinnen die Versuche einiger Insassinnen, über den Ehemann oder Sohn ihre Freiheit wiederzuerlangen, indem sie versprachen, ab jetzt eine „verantwortungsvolle und respektable Frau“ zu werden. Für eine Internierung reichte oft einfach die Aussage ihrer Männer, um eine „Gefährlichkeit psychischen Ursprungs“ zu diagnostizieren und Gefährdung und Geisteskrankheit mit juristischer Wirkung zu kombinieren. Der spanische LGBTIQ-Forscher Lucas Platero hebt hervor, dass die Psychiatrie während der Diktatur auch bei der Kontrolle und Unterdrückung von Lesben und geschlechtlicher Nonkonformität eine zentrale Rolle spielte (2009).
Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und eine Garantie für „Nie wieder“?
Wie die Zeugenaussagen über Schutzbund-Zentren, Gefängnisse und den Babydiebstahl belegen, hat der Tod des Diktators die Unterdrückung der Frauen durch das Franco-Regime nicht vollständig beendet. Seit vielen Jahren fordern verschiedene Gruppen Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Garantien, dass sich nie wieder etwas Ähnliches wiederholen wird. Doch die Wahrheit wird nicht ans Licht kommen, solange der Staat seine Verantwortung nicht umfassend wahrnimmt, solange die Archive der Kirche, der Orden, der Schutzbundzentren, der Entbindungsstationen, der psychiatrischen Kliniken nicht zugänglich sind. Die Regierung plant, in verschiedenen Gebäuden wie dem Gefängnis von Yeserías oder der DGS Gedenktafeln anzubringen, aber das reicht nicht aus. Notwendig sind Zentren der Erinnerung an die Repression. Wie kann man von Gerechtigkeit und Wiedergutmachung sprechen, wenn die Klagen der Frauen gegen die Folterer nicht angenommen werden, wenn das Gesetz über die gestohlenen Babys nicht verabschiedet wird und im Gesetz der demokratischen Erinnerung nichts über das erwähnte Schutzbundsystem gesagt wird? Wie kann es sein, dass die Straflosigkeit des Franquismus nicht angeprangert wird?
Auf den Konferenzen zu Repression und den Kampf von Frauen im Spätfranquismus wurde deutlich, dass wir mehr über den Widerstand sprechen müssen, darüber, wie Frauen sich organisierten, welche Strategien entwickelt wurden, um Leben zu retten, die eigene Identität und Würde zu erhalten und die eigenen Ideen zu verteidigen: in den Knästen und Erziehungsanstalten, in den Fabriken an der Universität, in ihren Stadtvierteln und zu Hause, trotz der erdrückenden sozialen und familiären Kontrolle. Wir verdanken es dieser Genealogie, dass wir angesichts der drohenden Gefahren nicht bei Null anfangen müssen. Die feministische, antifranquistische Erinnerung mit ihren unerschütterlichen Werten dient uns heute als Schule des Kampfs und des Widerstands.
Die Autorinnen dieses Artikels sind Lucía Vicente, Justa Montero, Ana García, Sacri García-Rayo, Paz Romero, Nerea Fulgado, Clara Gutiérrez, Laura Encabo und Begoña San Vicente, Mitglieder der Gruppe La Comuna Presxs, einer Vereinigung von Gefangenen des Franco-Regimes.
50 Jahre ohne Franco: feministisches Gedenken von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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