
(Buenos Aires, 29. Juni 2025, Agencia Presentes).- Zehntausende Menschen gingen am vergangenen Wochenende auf die Straße, um Pride zu feiern und ihre Forderungen in einer kollektiven Umarmung zu bekräftigen – als Antwort auf das Erstarken rechter Bewegungen.
In ganz Lateinamerika versammelten sich Menschen am 28. Juni – der Internationale Tag des Pride. Er erinnert an den Stonewall-Aufstand von 1969 in den USA, bei dem sich LGBTQIA+-Personen mutig gegen brutale Polizeigewalt wehrten.Weltweit stand der 28. Juni 2025 im Zeichen des Widerstands gegen zunehmende Gewalt gegen queere Menschen, die in vielen Ländern zu verzeichnen ist. Dabei setzte jedes Land eigene Akzente – mit lokalen Botschaften, aber stets im Bewusstsein einer grenzüberschreitenden Solidarität: als Teil einer globalen Allianz gegen Hass. Diese Haltung spiegelte sich auf zahlreichen Transparenten wider – in Buenos Aires, Mexiko-Stadt, Asunción und Lima.
Auch in Budapest (Ungarn) fand ein eindrucksvoller Protestmarsch statt, der in den sozialen Netzwerken große Aufmerksamkeit erregte: Tausende Menschen trotzten dem von Premierminister Viktor Orbán ausgesprochenen Verbot von Pride-Veranstaltungen und zeigten öffentlich ihre Solidarität mit der LGBTQIA+-Community.
Pride in Argentinien: „Einheit ist die Antwort“
In Argentinien wurden lokale Perspektiven und Forderungen in den Vordergrund gestellt. Die nationale Pride wird seit 1997 im November gefeiert – um Menschen mit Immunschwächen vor der Winterkälte im Juni zu schützen. Seit neun Jahren hat der 28. Juni jedoch eine neue Bedeutung: Er dient dem Protest gegen Travestizide, Transfeminizide und Morde an trans*-Menschen.
Die Versammlung begann mittags auf der Plaza de los Dos Congresos. Es gab Musik, Tanz, Auftritte – unter anderem von Sudor Marika, die trotz Eiseskälte für einen energiegeladenen Abschluss sorgten –, eine öffentliche Suppenküche und die Verlesung eines Forderungskatalogs. Gefordert wurden unter anderem Entschädigung für ältere trans*- und travesti Personen, Schutz der Gesetze für umfassende Sexualerziehung und Trans*-Arbeitsquoten sowie ein Ende der Gewalt und Morde an trans* und travesti Personen.
In diesem Jahr wurde zudem verstärkt auf globale Gewalt aufmerksam gemacht – etwa auf die Situation in Palästina – sowie auf die Notwendigkeit gemeinsamer Kämpfe.
Geraldine „Sher“ Lescano, trans* Aktivistin, sagte auf der Plaza:
„Seit neun Jahren dekolonisieren wir den Pride Day mit dem Ruf: ‚Schluss mit Travesticidios‘ – nach dem grausamen Mord an Diana Sacayán.“ [Diana Sacayán war eine argentinische trans* Aktivistin, die sich für die Rechte von trans* Personen und gesetzliche Gleichstellung einsetzte. Sie war Mitbegründerin des Gesetzes zur Arbeitsquote für trans* Menschen. 2015 wurde sie ermordet – der erste als „Travesticidio“, zu dt. Transvestizid anerkannte Fall in Argentinien]
Weiter erklärte sie:
„Gerade wir als travesti und trans* Menschen wissen, was ein staatlich verübter Genozid bedeutet – wir erleben ihn seit Jahrzehnten. Wir sind hier, um zu zeigen: Einheit ist die Antwort. Denn wir kämpfen nicht nur für uns selbst, sondern auch für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, für Ärzt*innen am Garrahan-Krankenhaus und für jede*n einzelne*n Rentner*in.“
Pride in Paraguay: „Wo wir existieren, gibt es Revolution“
In der paraguayischen Hauptstadt Asunción fand zum zweiten Mal in Folge eine alternative Veranstaltung zur offiziellen Pride statt – organisiert von der Red Paraguaya de Artistas LGBTQ+ (Repar). Unter dem Motto „Wo wir existieren, gibt es Revolution“ versammelten sich Hunderte Menschen an der symbolträchtigen Escalinata de Antequera und marschierten bis zum Panteón de los Héroes.
Die Organisation erklärte:
„In Paraguay, wo Hassrede von Machtinstitutionen legitimiert wird, ist es notwendiger denn je, auf die Straße zu gehen. Heute – mehr denn je – marschieren wir, um sichtbar zu machen: Wir existieren, wir widerstehen, wir gestalten die Zukunft.“
Hugo González von @reparoficial betonte:
„Auch wir sind Teil dieser Gesellschaft: Wir arbeiten, zahlen Steuern und tragen zur Entwicklung unseres Landes bei. Es ist kein Verstoß, wenn wir öffentlich Zuneigung zeigen – ob Händchenhalten, Küssen oder Umarmungen. Diese Gesten sind durch unsere Verfassung geschützt.“
Zeitgleich fand die offizielle Pride-Parade Paraguay Pride 2025 der Organisation SomosGay statt – unter dem Motto „Gehen wir gemeinsam, um unser Leben zu stärken“. Weder starker Regen noch politische Spannungen konnten den Enthusiasmus der LGBTQIA+-Community im Stadtzentrum trüben.
Pride in Mexiko: Sichtbarkeit durch familiäre Vielfalt
Bei der riesigen Pride-Parade in Mexiko-Stadt konnte man auf viele liebevolle und vielfältige Familien treffen. Einige ihrer Stimmen:
„Ich bin mit meiner gewählten Familie hier.“
„Ich gehe mit, um mein Kind zu unterstützen. Ich habe gesagt: Der einzige Unterschied ist, dass du mir eine Freundin oder einen Freund vorstellst – aber du bleibst immer du.“
„Meine Familie hat mich immer unterstützt. Ich wurde nie ausgegrenzt – das werde ich ihnen nie vergessen.“
Der Paseo de la Reforma, eine der bekanntesten Straßen der Stadt, erstrahlte in bunten Farben und Fahnen. Doch unweit davon formierte sich auch eine Gegenveranstaltung unter dem Motto „Nicht in unserem Namen“ – ein deutliches Zeichen, dass die Pride nach wie vor ein politischer Akt ist.
Mikaelah Drullard Márquez, Autorin und Aktivistin, forderte:
„Gerechtigkeit für die Opfer von Hassverbrechen sowie für patriarchale, rassistische und klassistische Gewalt. Schluss mit Militarisierung und staatlicher Repression. Wahrheit und Gerechtigkeit für die Verschwundenen. Kein Rückschritt bei Arbeitnehmer*innenrechten – genehmigt endlich die 40-Stunden-Woche!“
Pride in Peru: Protest gegen transfeindliches Gesetz
In Lima nahmen über 50.000 Menschen an der 23. Pride-Parade teil – mit klaren Botschaften für die Verteidigung der Menschenrechte. Hauptkritik galt dem kürzlich verabschiedeten Gesetz 33321, das es trans* Personen verbietet, öffentliche Toiletten entsprechend ihrer Geschlechtsidentität zu benutzen.
Die Stadtverwaltung von Lima untersagte den traditionellen Umzug durch das historische Stadtzentrum. Nach langwierigen Verhandlungen mit dem Bezirk Jesús María durfte die Parade erstmals über die Avenidas La Peruanidad, Salaverry, San Felipe und Garzón ziehen.
Jorge Apolaya, Sprecher des Kollektivs Marcha del Orgullo LGBTI de Lima, sagte:
„Wir erleben in Peru nicht nur eine politische Krise, sondern auch eine Krise des institutionalisierten Hasses gegenüber LGBTI-Personen – angetrieben durch den Kongress und andere Institutionen.
Diese Parade ist unsere Antwort auf diese Krise des Hasses.“
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