(Stuttgart, 1947 – )
Reinhild Margarita von Brunn wird am 13. März 1947 in Stuttgart geboren, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Ihr Vater, von Beruf Arzt, hat den Russlandfeldzug überlebt. Eine Schusswunde schränkt ihn im Alltag zwar ein, hindert ihn jedoch nicht daran, weiter zu praktizieren. Reinhilds Mutter arbeitet als Säuglingsschwester. Gemeinsam haben sie acht Töchter.
Reinhild besucht die Sekundärstufe in Stuttgart und macht später ihr Abitur in Wangen im Allgäu. Sie studierte Germanistik, zunächst in Hamburg, ab 1968 dann in Tübingen, wo sie das Romanistik- und Germanistik-Staatsexamen und eine Magisterprüfung in Romanistik ablegt.
1969 heiratet sie in Tübingen Reinhard von Brunn. Im März 1971 reisen sie an Bord eines polnischen Frachter nach Chile. Während Reinhard sein Referendariat an der Deutsch-Chilenischen Handelskammer (Camchal) antritt, schaut sich Reinhild nach einer eigenen Wirkungsstätte um. Das Goethe-Institut in Santiago erprobt damals mit Sprachlabors und „elektronischen Klassenzimmern“ neue Methoden des Deutschunterrichts. Nach einem Lehrgang unterrichtete Reinhild bald ihre eigenen Klassen. Zugleich interessiert sie sich für die akademische Forschung. Großen Eindruck machen auf sie die kommunikationswissenschaftlichen Studien von Michèle und Armand Mattelard, die ihr erstmals den Sinn strukturalistischer Analysen erschließen.
Um flüssiger Spanisch zu sprechen und „Bodenhaftung“ zu behalten, arbeitet Reinhild ehrenamtlich mit Kindern des Armenviertels Fundo Santa Rosa im Stadtteil Las Condes. Heute ist dieser Ort geprägt von „hübschen Einfamilienhäuschen“. Ganz anders Anfang der 1970er: „Damals klebten selbst gezimmerte Hütten am Hang Àreas Verdes, ohne Trinkwasser und Strom.“ Unter den Bewohner*innen lebt auch die Laien-Nonne Karoline Mayer, die Jahre zuvor das Kloster verließ, um sich den Armen zu widmen. Sie ist es, die Reinhild einlädt im Kindergarten von Colón Oriente mitzuhelfen. Die Leiterin der Einrichtung, Maruja Jofré wird schnell zu einer guten Freundin.
Anfang 1972 spricht Reinhild bereits gut Spanisch. Gut genug, um in einer Abendschule Alphabetisierungskurse zu geben. Die regierende Unidad Popular setzt viel daran, dass alle Menschen in Chile Lesen und Schreiben lernen können. Die Pädagogin Olivia Moya bildet dafür im Auftrag des Bau- und Erziehungsministeriums bereits seit Oktober 1971 Freiwillige aus. Bei ihr lernt Reinhild die Methoden Paulo Freires und dessen Ansatz einer befreienden Pädagogik für die Unterdrückten kennen. Dabei werden Schlüsselwörter aus dem täglichen Leben der zu unterrichtenden Analphabeten dialogisch genutzt, als Ausgangspunkt für das Erlernen einfacher Silben und Wörter. An Olivia Moya erinnert sich Reinhild als eine “charismatische Ausbilderin” die „mit ihrem Schwung, ihrer Begeisterung und ihrem Einfühlungsvermögen ein Vorbild fürs Leben” geblieben ist.
Zurück in Deutschland, absolviert Reinhild 1972 ein Referendariat am Kepler-Gymnasium Reutlingen. Danach arbeitet sie freiberuflich als Übersetzerin und Illustratorin. Zu ihrem ersten, in Chile geborenen Kind kommen 1975 und 1978 zwei weitere hinzu. 1980 zieht die Familie Familie nach Kairo in Ägypten um. Hier entdeckt Reinhild ihre Liebe zum Journalismus und gründet 1981 zusammen mit ihrem Mann Reinhard das deutschsprachige Magazin PAPYRUS. Weiterhin ist sie auch freiberuflich tätig. Zurück in Deutschland macht sie 1988 eine Ausbildung „on the job” in der Marketingabteilung von Siemens in Frankfurt. Sechs Jahre später übernimmt sie die Leitung der Werbeabteilung von Braas Flachdachsysteme in Oberursel.
Doch ebenso wie ihren Partner Reinhard, zieht es sie zurück nach Lateinamerika. 1999 gehen beide nach Bolivien. Gemeinsam mit Ivan Pino entwickelt Reinhild in San Buenaventura am Beni River das Konzept für ein Kulturzentrum der Tacana und leitet persönlich Gestaltung und Umsetzung. Damit leistet sie einen Beitrag, die Arbeit der deutschen Ethnologien Karin Hahn-Hissink fortzuführen. Diese verstand ihre kulturgeschichtliche Forschung stets auch als Mittel, die indigene Gruppe der Tacana in ihrem Kampf um Anerkennung und Landrechte zu stärken. Es folgen weitere Projekte, u.a. eine gemeinsam mit Gastón Ugalde und Rodica Meyers kuratierte Textilkunstausstellung in La Paz 2000. Später arbeitet sie am Aufbau des Kausay Wasi Museum in San Juan de Rosario und dem Ch’aska Center in Quetena Chico mit.
Im Jahr 2005 gehen die von Brunns erneut nach Chile. Reinhild legt hier im Jahr 2009 ihre Magisterarbeit über die andine Rezeption des „Santiago Matamoros-Mataindios“ – ein historisches, religiös-politisches Bildthema aus Spanien – an der Universität von Chile vor.
Seit ihrer Rückkehr nach Tübingen im Jahr 2010 arbeitet Reinhild mit jugendlichen Einwanderer*innen und Flüchtlingen aus der Türkei und Syrien.