Müttersterblichkeit zu 11 Prozent durch unsachgemäße Abtreibungen verursacht

von Sara Lovera und Gloria Analco

(Lima, 01. Oktober 2013, semlac).- Anlässlich des Internationalen Tags des straffreien Zugangs zum Schwangerschaftsabbruch am 28. September fand in Mexiko-Stadt ein Seminar mit dem Titel: „Das Recht der Frauen auf eine eigenen Entscheidung in einem restriktiven Umfeld“ statt. Dabei kam eine Reihe erschreckender Fakten zur Sprache: So werden jedes Jahr über eine Million Frauen und Mädchen nach unsachgemäß ausgeführten Abtreibungen in die Krankenhäuser Lateinamerikas und der Karibik eingeliefert.

Regionales Seminar zum Thema in Mexiko-Stadt

Lediglich fünf Prozent der Schwangerschaftsabbrüche könnten überhaupt als sichere Eingriffe betrachtet werden, während elf Prozent der Fälle von Müttersterblichkeit in der Region als tödliche Folge des Abtreibungsverbots zu betrachten seien, erklärten die Veranstalterinnen. Es sei höchste Zeit, die verlogene Doppelmoral derer zu entlarven, die sich erdreisteten, die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu bekämpfen, und es sei notwendig, in allen Ländern der Region massiv für eine entsprechende, schnellstmögliche Gesetzesänderung einzutreten.

Das Seminar fand unter der Schirmherrschaft der Menschenrechtskommission des Bundeshauptstadtdistrikts Mexiko-Stadt (Distrito Federal) statt. Der „Verband Katholischer Frauen für das Recht auf freie Entscheidung“ unterstützte die „Kampagne 28. September“ bei der Organisation des Seminars. Sergia Galván, die aus der Dominikanischen Republik stammende Regionalkoordinatorin der Kampagne erklärte, die Zahlen spiegelten eine erschreckende Realität wider. Hunderttausende Frauen unterzögen sich unsicheren und riskanten Eingriffen, die viele von ihnen nicht überlebten.

„Verlogene Doppelmoral“ der Regierungen

Den Regierungen vieler Länder sei das offensichtlich egal. Insofern stellt Uruguay hier eine große Ausnahme dar: Dort sind Schwangerschaftsabbrüche seit kurzem erlaubt. Alle anderen Länder entzögen sich der Diskussion und weigerten sich, aus der Dringlichkeit der Situation die Konsequenz zu ziehen, erklärte Galván. „Die Regierungen verschanzen sich hinter ihrer verlogenen Doppelmoral und irgendwelchen Glaubensdogmen“, so die Regionalkoordinatorin.

Zu Beginn des internationalen Seminars verwies María Consuelo Mejía, Vorsitzende des „Verbands Katholische Frauen für das Recht auf freie Entscheidung“, auf die jüngsten Ereignisse in Mittelamerika und der Dominikanischen Republik. Dort hatten die Behörden betroffenen Frauen Unterstützung verweigert, obwohl diese das Recht auf ihrer Seite hatten. Über diese Fälle war in letzter Zeit in den Medien verstärkt Bericht erstattet worden.

Papst Franziskus hatte Aufgabe von Hardliner-Position gefordert

Der Präsident der Menschenrechtskommission des Bundeshauptstadtdistrikts, Luis González Placencia erklärte, es sei an der Zeit, dass man in der Debatte um den straffreien Schwangerschaftsabbruch vorankomme. Sogar der Vatikan sei dabei, seine Hardliner-Position aufzugeben, nachdem Pabst Francisco seine Kirche öffentlich gebeten hatte, die notorische Feindseligkeit aufzugeben, mit der sie die Debatten um die umstrittenen Themen Abtreibung, Homo-Ehe und die Nutzung von Verhütungsmitteln bisher geführt hatte.

Inwieweit man auf eine Wende in der katholischen Kirche hoffen könne, bleibe jedoch noch abzuwarten. In der Zwischenzeit müsse dafür gekämpft werden, dass Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen möchten, rechtliche Rückendeckung erhielten und keine Ausgrenzung oder Repressalien erführen oder gar ihr Leben in Gefahr brächten, weil sie keine Alternative zu einem risikoreichen illegalen Abbruch sähen, so González Placencia weiter. „Die Ausgrenzung, die den Frauen mitunter zuteil wird, macht die Lage noch komplizierter, dafür müssen wir eine schnelle Lösung finden“.

Problematisches Strafrecht in vorgeblich laizistischen Staaten

Viele Staaten verstünden sich als laizistisch, schafften es aber am Ende doch nicht, dem Druck der Konservativen standzuhalten, die mit fadenscheinigen Argumenten für das Abtreibungsverbot und gegen eine gesellschaftliche Randgruppe einträten, daher sei es sehr wichtig, zumindest schon einmal die strafrechtlichen Aspekte des Problems zugunsten der Frauen zu verändern.

Um zu verdeutlichen, welche schwerwiegenden Probleme durch die derzeitige rechtliche Handhabe des Schwangerschaftsabbruchs auftreten, wurde im Rahmen des Seminars auf einige besonders gravierende Fälle von Menschenrechtsverletzungen hingewiesen: Den Frauen „Esperancita” (Dominikanische Republik), „Aurora” (Costa Rica) und „Beatriz” (El Salvador) wurde in ihren Herkunftsländern die Hilfe verweigert. Trotz der vorliegenden medizinischen Indikation, die deutlich machte, dass durch die Schwangerschaft das Leben der jungen Frauen in Gefahr war, wurde ihnen die Möglichkeit des legalen Abbruchs verweigert.

Emblematischer Fall in El Salvador: 40 Jahre Haft wegen Fehlgeburt

Jeder dieser Fälle war beispielhaft für die juristische Schieflage und ließ deutlich erkennen, wie tief der Widerstand gegen eine juristische Lösung sitzt, während das Problem selbst sich immer weiter zuspitzt: Immer häufiger treten Schwangerschaften bei Minderjährigen auf, und sehr oft sind es die sehr jungen Frauen, die versuchen, heimlich abzutreiben. Der Anteil von nicht geplanten Schwangerschaften liegt bei 41 Prozent; immer häufiger sind die Betroffenen minderjährig.

Sergia Galván, die auch Vorsitzende des „Verbands Frau und Gesundheit“ in Santo Domingo (Dominikanische Republik) ist, wies zudem darauf hin, dass die Aussicht auf eine Abtreibung im Verborgenen für die Betroffenen keinesfalls eine attraktive Option sei. Vielmehr komme es aufgrund der Rechtslage dabei auch zu dramatischen Irrtümern, wie etwa im Fall von Teresa. Die 28-jährige Frau aus El Salvador hatte vor zwei Jahren eine Fehlgeburt; die Staatsanwaltschaft ging jedoch von einem Tötungsdelikt aus und stellte sie unter Mordanklage. Das Urteil: 40 Jahre Gefängnis.

Internationale Abkommen werden nicht umgesetzt

„Wir fordern jetzt vor allem Freiheit für Teresa. Dieses Anliegen haben wir in allen nationalen und internationalen Instanzen vorgebracht. Die freie und kostenlose Möglichkeit zu einem sicheren und professionell ausgeführten Schwangerschaftsabbruch ist eine rechtliche Forderung, die unseres Erachtens dem Rechtsverständnis einer Demokratie entspricht.“

In der Abschlussrunde des Seminars wies die mexikanische Vertreterin des Organs der Vereinten Nationen, UN Frauen (engl. UN Women), die Ärztin Ana Güezmes García, darauf hin, dass viele Länder, darunter auch Mexiko, sich in internationalen Abkommen verpflichtet hätten, ihre bisherige gesetzliche Regelung an das Indikationenmodell anzupassen und entsprechend flexibler zu gestalten. Somit seien die Regierungen dazu verpflichtet, ihre Gesetzesregelungen über kurz oder lang zu verändern.

Aktionen zum „Tag der straffreien Abtreibung“

Die internationalen Abkommen, so Güezmes, umfassten sowohl lokale, regionale und nationale Regierungsebenen und enthielten jede Menge Empfehlungen zur effektiven Entkriminalisierung der Abtreibung und zur Beseitigung von abweichenden Gesetzen.

Im vergangenen September fanden anlässlich des „Tags der straffreien Abtreibung“ in verschiedenen Ländern der Karibik und Lateinamerikas Aktionen zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs statt. Der Rückgriff auf heimliche, riskante Abbrüche als Folge der staatlichen Repression stand daher im Mittelpunkt vieler Debatten. Eine der Hauptforderungen war dabei die Schaffung einer sicheren Rechtslage für Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben.

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