„In den Müll“

(Montevideo, 06. Juni 2012, la diaria-poonal).- Der Interamerikanische Vertrag über gegenseitigen Beistand TIAR (Tratado Interamericano de Asistencia Recíproca) oder auch Pakt von Rio genannte Vertrag, wird von einigen lateinamerikanischen Staaten aufgekündigt. Die Regierungen von Bolivien, Ecuador, Nicaragua und Venezuela erklärten am 5. Juni im Rahmen der 42. Generalversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Cochabamba offiziell in einer schriftlichen Erklärung ihre Aufkündigung des Vertrages.

TIAR: Legitimität und Gültigkeit verloren

Die genannten Staaten, allesamt Mitglieder des Staatenbündnisses Boliviarianische Allianz für die Völker Amerikas (ALBA), sind der Ansicht, der besagte Vertrag habe „seine Legitimität und Gültigkeit“ verloren habe, heißt es in dem Kommuniqué.

Der TIAR wurde 1947 von den Mitgliedsstaaten der OAS in Rio de Janeiro unterzeichnet und in Teilen 1975 mit dem Ziel modifiziert, „die freundschaftlichen Beziehungen und den Frieden unter den Staaten Lateinamerikas zu konsolidieren und zu stärken sowie deren Souveränität, territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit zu verteidigen“.

So bekräftigt es der Vertragstext in dem auch festgeschrieben ist, dass ein Angriff auf einen der Vertragspartner ein Angriff auch alle Mitgliedsstaaten sei.

Versagen im Falklandkrieg

Jene Staaten, die den TIAR aufkündigen, hinterfragen, dass er sich im Kontext des kalten Krieges zwar als ein Instrument im Dienste von Interessen einiger Staaten erwiesen habe, um „auf vermeintliche Angriffe von Mächten außerhalb des Kontinents – die Sowjetunion und China – zu reagieren“, aber der Vertrag ineffizient gewesen sei, als „eine koloniale Macht außerhalb der Kontinents [hier bezieht man sich auf das Vereinigte Königreich] Argentinien angriff, als Antwort auf dessen legitime wiederholte Forderung nach Souveränität der Falklandinseln“.

Damit wird auf das Agieren der Vereinigten Staaten im Krieg um die Falklandinseln im Jahr 1982 angespielt. Diese Kritik fällt zusammen mit den Worten des ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa, der am 4. Juni erklärt hatte, dass „der TIAR dazu verpflichtete, Argentinien zu unterstützen. Die USA unterstützten Großbritannien“.

Reformen der OAS angemahnt

Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño am 5. Juni gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Bolivien und Venezuela und dem Repräsentanten aus Nicaragua eine Pressekonferenz, um dort erneut seine Ablehnung eines Gremiums zu unterstreichen, das, wie die Nachrichtenagentur TeleSur zitiert, bereits „zerfalle“. „Unsere Staaten haben sich dazu entschieden, den TIAR aufzukündigen […] Wir sind der Ansicht, dass dies notwendig ist, um das heruntergefalle Laub dieser Organisation wegzukehren, die dringend einer Transformation bedarf, damit sie im Dienste der Völker steht und nicht den Interessen bestimmter Mächte nachkommt“, so Patiño.

Seiner Ansicht nach sei dieser Schritt eine Form, „in den Mülleimer zu werfen, was zu nichts mehr nütze ist.“ Dies könne ein „erster Schritt hin zu bestimmten Veränderungen in der OAS sein“, ergänzte der Außenminister. Er wiederholte zugleich, dass jene Staaten, die den Vertrag aufkündigen, insgesamt eine Reform der OAS erwarten, so dass dieser Staatenbund „den Völkern diene und zu einer Organisation werde, die bei der Verteidigung der Menschenrechte eine treibende Kraft sei.

 

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