Der Kampf gegen die Homophobie

von Alejandro F. Ludeña

(Lima, 22. Juli 2011, noticias aliadas).- Im Laufe der letzten zwei Jahre wurden fast 40 LGBT-Personen ermordet. Während an vielen Orten der Welt Gay-Pride-Paraden stattfinden, ist der 28. Juni in der Geschichte von Honduras ein unheilvoller Tag: 40 Jahre nachdem eine Gruppe Homosexueller sich gegen eine gewalttätige Polizeirazzia in einer New Yorker Schwulenbar zur Wehr gesetzt hatte und damit wesentlich zur Verteidigung der Bürgerrechte Homosexueller beitrug, ereignete sich an jenem Tag in Honduras der erste Staatsstreich des 21. Jahrhunderts auf dem amerikanischen Kontinent.

Er führte zur Absetzung des Präsidenten Manuel Zelaya (2006-2009) und löste eine Welle der Gewalt aus. Besonders betroffen war die schwul-lesbische Community, die mehrere Todesopfer zu beklagen hatte.

Homophobie ist tief verwurzelt

Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit ist in der honduranischen Gesellschaft leider sehr tief verwurzelt. Schon lange vor dem Putsch hatten die Übergriffe auf Homosexuelle ein erschreckendes Ausmaß angenommen. Bereits im Mai 2009 hatte die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch einen Bericht herausgegeben, der zahlreiche Fälle von polizeilichem Machtmissbrauch und systematischen Übergriffen auf LGBT-Personen dokumentiert. Die Organisation empfahl der damaligen Regierung unter Zelaya, Gewalt gegen Homosexuelle und Transpersonen als generelle Themen aufzugreifen und den konkreten Beschwerden über Polizeigewalt, Machtmissbrauch und Übergriffe auf LGBT-Personen nachzugehen, um die Verantwortlichen entsprechend zu bestrafen.

Nach dem Sturz Zelayas ist die Zahl der Übergriffe erheblich gestiegen. Unter Berufung auf verschiedene honduranische Organisationen, die für sexuelle Vielfalt eintreten, spricht die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte CIDH (Comisión Interamericana de Derechos Humanos) von 38 LGBT-Personen, die seit dem Staatsstreich ermordet wurden. Die meisten der Opfer waren Transpersonen, die auf den Straßen von Tegucigalpa und San Pedro Sula, den größten Städten des Landes, als Sexarbeiter*innen tätig waren.

Politisch motivierte Verbrechen

Da bisher keine konsequente Untersuchung der Morde stattgefunden hat und Gewaltverbrechen gegen LGBT-Personen in der honduranischen Gesellschaft auch keine besondere Empörung hervorrufen, ist bisher nicht bekannt, welche Umstände im Einzelnen zu der massiven Zunahme der Gewalt geführt haben. Bereits im Vorfeld hatte die Community darauf hingewiesen, dass ein Staatsstreich für das friedliche Zusammenleben in Vielfalt nicht förderlich sein würde. Manche gehen davon aus, dass LGBT-Personen auch wegen öffentlichen Äußerungen dieser Position angegriffen worden seien.

„Wir wussten, was ein Staatsstreich bedeuten würde und mit welchen Konsequenzen wir zu rechnen haben würden. Deshalb haben wir von Anfang an dagegen protestiert“, so Iván Banegas, Koordinator des Colectivo Violeta, gegenüber Noticias Aliadas. Die Gruppe Colectivo Violeta setzt sich für die Rechte von LGBT-Personen ein.

Polizei macht „Jagd auf Transsexuelle“

Nach dem Putsch sei die inzwischen erlangte Sichtbarkeit von LGBT-Personen zum Problem geworden. „Nach dem Putsch spezialisierten sich Polizei und Militär besonders auf die Jagd auf Transsexuelle. Viele Transpersonen leben von Sexarbeit und sind auch während der Sperrstunde auf der Straße.“

Eines der bekanntesten Mordopfer war der Menschenrechtsaktivist Walter Trochez. Er wurde am 13. Dezember 2010 in der Hauptstadt auf offener Straße erschossen. Neun Tage zuvor hatte man ihn entführt, gefoltert, anschließend aber wieder freigelassen. Nach dem Putsch hatte sich Trochez zu einem der wichtigsten Wortführer im Kampf gegen homophobe Gewalt entwickelt.

Nach Ansicht von Sally Valladares, Anwältin des Menschenrechtszentrums CIPRODEH (Centro de Investigación y Promoción de los Derechos Humanos), ist die Mehrzahl der Übergriffe politisch motiviert. „Die Übergriffe der Polizei richten sich absichtlich gegen Menschenrechtsaktivist*innen und jene, die in der LGBT-Community aktiv sind.“

Regierung erkennt Missstände an

Im Rahmen der vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen durchgeführten „Allgemeinen regelmäßigen Überprüfung“ zur Untersuchung der Menschenrechtssituation aller Staaten, kam die Situation der LGBT-Community in Honduras im vergangenen November zur Sprache. Die Regierung erkannte die schwierige Situation der Gruppe an und versprach daraufhin, die Diskriminierung von LGBT-Personen zu bekämpfen.

Die honduranische Menschenrechtsministerin Ana Pineda erklärte seinerzeit: „Homophobe Grundhaltungen von Einzelpersonen sind unter allen Umständen abzulehnen; viel schlimmer zu bewerten ist die Lage jedoch, wenn für homophob motivierten Handlungen oder Unterlassungen Personen verantwortlich sind, die im Dienste des Staates stehen.“

Druck aus dem Ausland

Laut Banegas hat die Regierung unter Präsident Porfirio Lobo bereits erste Annäherungen an die LGBT-Community unternommen. Vertreter*innen beider Seiten fanden sich zu Gesprächen zusammen, um darüber zu diskutieren, welche Änderungen im Strafrecht vorgenommen werden müssten, damit die Diskriminierung sexueller Vielfalt wirkungsvoller geahndet werden kann.

Donny Reyes, Koordinator der LGBT-Vereinigung Asociación Arcoiris, ist hinsichtlich der Ergebnisse dieser Gespräche jedoch skeptisch: „Bis jetzt haben wir nichts Konkretes in der Hand, das uns helfen würde, die Diskriminierung zu überwinden“, erklärt er gegenüber Noticias Aliadas. Andererseits haben die Angriffe auf Homosexuelle und Pressearbeiter*innen (zwischen März 2010 und Mai 2011 wurden insgesamt elf Journalist*innen getötet) die Aufmerksamkeit der US-Regierung geweckt, die wiederum durch ihre Botschaft die honduranische Regierung zur Aufklärung der Verbrechen drängte. Auf Bitten von Präsident Lobo wurden sogar FBI-Agent*innen nach Honduras entsandt, die mit der Aufklärung der Morde an LGBT-Personen und Mitarbeiter*innen der Presse betraut wurden.

Politischer Wille fraglich

Menschenrechtskommission des Parlaments, Orle Solís, diese Initiative als einen Beweis für den guten Willen des Staates betrachten, sind andere wie Reyes der Meinung, es gehe der Regierung lediglich darum, in einem besseren Licht zu erscheinen. Dass nun begonnen wird, die Übergriffe zu untersuchen, ist nach Meinung des Arcoiris-Aktivisten nur auf das Eingreifen der US-Regierung zurückzuführen. „Aber wenn das FBI seine Leute wieder abzieht, stehen wir wieder genauso da wie vorher, oder sogar noch schlechter“, kommentiert er gegenüber Noticias Aliadas.

Was fehle, sei der politische Wille zur Aufklärung der Verbrechen, meint Valladares. „Was wir derzeit beobachten, ist nichts weiter als eine Reaktion auf den internationalen Druck. Machen wir uns nichts vor: Für den Schutz der Community und den Respekt gegenüber LGBT-Personen interessiert sich die Regierung nach wie vor nicht.“

Ressentiments in der Widerstandsbewegung

Bleibt abzuwarten, ob es anderen politische Gruppierungen wie der neu formierten Frente Amplio, dem parlamentarischen Arm der Widerstandsbewegung Frente Nacional de Resistencia Popular, gelingen wird, die in der honduranischen Gesellschaft tief verwurzelte Homophobie zu bekämpfen. Dazu Reyes: „Selbst in der Widerstandsbewegung, zu der wir uns zugehörig fühlen, sehen wir uns mit homophoben Positionen konfrontiert. Da wartet noch einiges an Arbeit auf uns.“

Der Kampf für mehr Toleranz betrifft jedoch nicht allein die LGBT-Community. In einer Gesellschaft, die Vielfalt nicht anerkennt und sich der Macht der politischen Führung beugt, ist der Kampf für den Respekt gegenüber der sexuellen Vielfalt lediglich die Speerspitze im Kampf gegen Intoleranz im Allgemeinen. „Es geht darum, jede Art von Diskriminierung zu bekämpfen“, so Banegas. „Wir setzen uns nicht allein für die Verbesserung unserer persönlichen Situation ein. Uns geht es um die honduranische Gesellschaft als Ganzes.“

 

 

 

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