Die Peruaner*innen von El Alto – sichtbar und unsichtbar zugleich

von Xavier Albó*

(Fortaleza, 22. April 2013, adital).- Bolivien gilt als Exporteur nicht nur von Rohstoffen, sondern auch von Menschen, die jenseits der Landesgrenzen Arbeit suchen. Mit einer Ausnahme: El Alto, die Nachbarmetropole von La Paz, ist sicherlich das größte Zentrum in Bolivien, das Immigrant*innen aufnimmt. Sie kommen vor allem aus dem Süden des Nachbarlandes Peru. Diese Menschen zieht es außerdem in großer Zahl nach Lima, Tacna und in andere Küstenregionen Perus. Doch für viele ist der Großraum La Paz, und ganz besonders El Alto, eine attraktive Alternative.

Schon immer hat es Migrant*innen aus dem südperuanischen Altiplano in die Stadt gezogen. Wenn es geht, versuchen die Menschen hierbei irgendwie auch einen Fuß in ihrer Heimatregion zu behalten. El Alto wird in diesem Fall zu einem ergänzenden Soziotop zu den verschiedenen, die die Menschen schon auf dem Land hatten. Viele von ihnen stammen aus verarmten Regionen des Altiplano.

Händler*innen aller Art

Am zahlreichsten dürften die Händler*innen sein, verteilt auf das ganze Spektrum an Varianten, die es hier gibt. Vom kleinen Straßenhändler bis zu jenen, die Software an Büros liefern. Nicht immer geht es legal zu – Schmuggel kommt ebenso vor wie Drogenhandel. Die Grenze zwischen Bolivien und Peru verwandelt sich aber grundsätzlich für alle eher in eine Chance, als dass sie eine Sperre ist. Einige Peruaner*innen kommen nur für kurze Zeit, andere haben einen Wohnsitz in El Alto, auch wenn sie dort nicht immer anwesend sind.

Gewalt in Peru vertrieb viele Menschen

Und dann sind da noch jene Peruaner*innen, die vor der Gewalt in ihrem Heimatland oder vor politischer Verfolgung fliehen. Das war allerdings stärker in den 1980er und 1990er Jahren der Fall, als Peru zunehmend unsicherer wurde. Einige galten als „Terroristen“, andere als „Verräter“ und nicht Wenige als Opfer von beiden. Viele dieser Menschen konnten sich in El Alto und anderen Teilen Boliviens ein neues Leben aufbauen. Neben Automechanikern, Handwerker*innen, Angestellten und Künstler*innen wurde einige wenige zu Straftäter*innen.

Einige kamen in Bolivien zu Wohlstand

Seit langem gibt es in Bolivien aber auch eher als bürgerlich zu bezeichnende und zu Wohlstand gekommene Peruaner*innen. Auf einer der ältesten Hauptstraßen von El Alto, der Avenida Alfonso Ugarte (benannt nach dem peruanischen Militärhelden, der das seinerzeit peruanische Arica gegen die Chilenen verteidigte), befindet sich auch ein Denkmal zu Ehren des legendären Inka-Herrschers Túpac Amaru. An dieser Straße, – heute eher unter dem Namen Chacaltaya bekannt – liegen zahlreiche Prachtgebäude, im lokalen Jugendstil erbaut. Jene reichen Peruaner*innen leben hier in Penthousewohnungen.

Bolivianische Medien diskriminieren PeruanerInnen

Über die Gesamtzahl der in El Alto ansässigen Peruaner*innen kann nur spekuliert werden. Auch die noch nicht ausgewertete Volkszählung in Bolivien aus dem vergangenen Jahr wird dieses Rätsel nicht entschlüsseln. Denn eine große Zahl der Peruaner*innen zieht es vor, nicht als solche in Erscheinung zu treten – oder sich sogar den Anschein zu geben, Bolivianer*innen zu sein. Teilweise liegt dies an der nach wie vor herrschenden Diskriminierung von Peruaner*innen – in den bolivianischen Medien, aber auch bei der Polizei. Gibt es einen Überfall, so sind schwer zu belegende Aussagen zu hören und zu lesen wie “von der Sprache her (oder auch vom Gang her!) handelte es sich um Peruaner”. Hinzu kommt, dass viele der in Bolivien lebenden Peruaner*innen nicht über die erforderlichen Papiere für den Aufenthalt verfügen. Dabei sind wir Bolivianer*innen und Peruaner*innen uns doch so ähnlich und wie Geschwister. Lasst uns die Grenzen in breite Brücken des Austauschs verwandeln!

*Xavier Albó, Anthropologe, ist Linguist und Jesuit. 1934 in Katalonien geboren, wanderte er 1952 nach Bolivien aus, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

 

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