Wasser oder Gold?

von Cecilia Remón

(Lima, 25. November 2011, noticias aliadas).- „Was ist wichtiger? Das Wasser oder das Gold? Warum trinkt ihr kein Gold? Warum esst ihr kein Gold? Hierher darf kein Bergbauprojekt kommen, dass die Grundwasservorräte aufzehrt“, so der Präsidentschaftskandidat Ollanta Humala vergangenen April, während seines Wahlkampfes vor Tausenden von Menschen in der nördlichen Andenstadt Cajamarca.

Am 16. November, fast vier Monate, nachdem er die Präsidentschaft übernommen hatte und vor dem Hintergrund der gewaltsamen Proteste gegen den Bergbau in vier Departments des Landes, einschließlich der Region Cajamarca ˗ scheint Humala seinen Diskurs geändert zu haben.

„Wir wollen beides: Wasser und Gold“

Bei einer Pressekonferenz im Regierungspalast betonte der Präsident, „die Regierung lässt sich von niemandem ein Ultimatum diktieren“. Dabei bezog er sich auf den Druck, den die Gemeinden im Kampf gegen den Bergbau ausüben. „Als Regierung werden wir die natürlichen Rohstoffe schützen, aber auch die Produktion.“

„Wir sind keine Bergbau-Gegner“, fügte er hinzu. „Wir wollen keine Extrempositionen einnehmen und genau dies müssen wir der Bevölkerung verständlich machen. Wir wollen beides, das Wasser und das Gold.“

Milliardenschweres Projekt

Die Aussagen Humalas bezogen sich speziell auf Conga, ein 4,8 Milliarden US-Dollar schweres Projekt, bei dem Gold und Kupfer, die unter drei Lagunen im südöstlichen Teil Cajamarcas liegen, abgebaut werden sollen. Für die Entwicklung des Projekts ist die Goldmine Yanacocha verantwortlich, die mehrheitlich der US-Firma Newmont Mining gehört, an der aber auch das peruanische Unternehmen Buenaventura und die zur Weltbank gehörende International Finance Corporation IFC Anteile halten.

Durch das Projekt, das sich in einem Quellgebiet befindet, soll das Wasser der Lagunen in künstliche Gebiete umgeleitet werden. Dies hat die Bevölkerung in Aufruhr versetzt.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Bewohner*innen Cajamarcas gegen den Bergbau im großen Stil protestieren, weil sie ihre Wasserressourcen bedroht sehen. Auf der Suche nach Gold wurde Yanacocha vor sieben Jahren durch massive Proteste dazu gezwungen, die Erschließung des Cerro Quilish aufzugeben. Dieser Berg gilt als heilig und dient als Wasserquelle für die lokalen Gemeinden.

Konfliktherd Conga

Der jüngste soziale Konflikt brach Mitte Oktober aus, als Bewohner*innen der anliegenden Gemeinden die Straße blockierten, die zum Camp des Bergwerks führt und Maschinen in Brand steckten, die einem Vertragsunternehmen des Unternehmens gehörten. Die Bewohner der Gemeinden sind davon überzeugt, dass das Projekt Conga ihre Wasservorräte gefährde.

„Es heißt, wir seien Bergbau-Gegner und gegen jede Entwicklung, aber das stimmt nicht“, erklärt Daniel Gil Terrones, Bewohner des Weilers El Lirio, in einem Interview mit der Tageszeitung La República. „Was wir nicht wollen ist, dass unser Wasser, das wir zum eigenen Verzehr und für unser Vieh nutzen, verschmutzt wird. Wir wollen, dass unsere Lagunen erhalten bleiben“.

Die betroffenen Gemeinden, die sich der Landwirtschaft und Viehzucht widmen, gehören zu den ärmsten des Landes. Nach Angaben des staatlichen Nationalen Instituts für Statistik und Informatik INEI (Instituto Nacional de Estadísticas e Informática) leben dort acht von zehn der Bewohner*innen in Armut.

Erneute Proteste

Auch der Besuch dreier Minister im November – Miguel Caillaux, Minister für Landwirtschaft, Carlos Herrera, Minister für Energie und Bergbau und Ricardo Giesecke, Umweltminister – konnte die Stimmung der Bevölkerung nicht besänftigen. Am 9. November protestierten die Bewohner*innen Cajamarcas erneut gegen das Projekt.

Derzeit sind alle Blicke auf die Umweltverträglichkeitsstudie EIA (Estudio de Impacto Ambiental) gerichtet. Die Studie wurde im Oktober 2010 akzeptiert, weshalb die Durchführung des Projektes als gesichert gilt.

Laut eines Regierungsmitgliedes, das nicht namentlich genannt werden will, „legte Yanacocha im Februar 2010 die EIA vor und noch im Oktober – nach nur acht Monaten – wurde diese gebilligt; ein Rekord. Der Weg bis zur Genehmigung einer EIA in Peru, dauert im Durchschnitt zwei Jahre“.

Lückenhafte Umweltverträglichkeitsstudie

Das Umweltministerium überarbeitet momentan die EIA und hat bisher eine Reihe von Lücken entdeckt, einschließlich des Fehlens einer hydrogeologischen Studie. Solch eine Studie ist jedoch unerlässlich, um die Funktionsweise der Lagunen zu verstehen. Zudem ist der Nutzen der Lagunen für die Umwelt nicht bewertet worden, der durch diese Ökosysteme entsteht.

„Die Lagunen erfüllen eine Aufgabe gegenüber der Umwelt – das Auffangen und die erneute Verteilung des Wassers; das betrifft sowohl die Menge, die Qualität wie überhaupt die Verfügbarkeit dieses Rohstoffes“, erklärt Julia Cuadros, Direktorin der Nichtregierungsorganisation CooperAcción. „Es ist unmöglich, ein natürliches System durch ein künstliches zu ersetzen, das dann auch noch mehr Wasser führt. Was man schützen muss, sind jene Gebiete, in denen sich Wasser sammelt. Conga verkörpert all das, was man gerade nicht tun sollte“.

Ungeregelte Konzessionsvergabe

„Die wichtigsten Lagerstätten für den Bergbau des Landes befinden sich in den Höhen der Anden, wo es Quell- und Wassereinzugsgebiet gibt“, erklärt Quadros. Für sie „ist eine Raumordnung durch das Ministerium für Energie und Bergbau MINEM (Ministerio de Energía y Minas) unerlässlich, bei der festgelegt wird, wo Bergbau betrieben werden darf und wo nicht, anstatt das Land einfach in Raster (Konzessionen) zu unterteilen. Es gibt keine technischen Regelungen, nach denen bestimmt wird, welches Raster konzessioniert werden darf“.

Eines der grundlegenden Probleme sei, dass die Umweltstudien von Berater*innen durchgeführt würden, die bei den Bergbaufirmen unter Vertrag stehen und die Studien daher „nach Wunsch des Kunden“ erstellen, so Cuadros. Des Weiteren dürfe die Auswertung der Umweltstudien, für die das Bergbauministerium zuständig ist, nicht in den Händen desselben Bereiches liegen, der auch die Konzessionen vergibt.

Soziale Konflikte im ganzen Land

Nach Angaben der peruanischen Ombudsstelle gibt es derzeit 217 soziale Konflikte im ganzen Land. Die Hälfte davon seien soziale und Umweltkonflikte, wobei wiederum 70 Prozent davon auf den Bergbau zurückzuführen sind.

Zwischen Oktober und November, brachen neben Conga auch in den Departments Ancash, Apurímac und Madre de Dios weitere Konflikte auf, die mit dem Bergbau in Verbindung stehen. Viele sehen darin das „Ende der Waffenruhe“, welche die vom Bergbau betroffenen Gemeinden – die in den Wahlen größtenteils für Humala stimmten – dem Präsidenten zubilligten.

Fehlende Präventionspolitik

Für Quadros ist die Handhabung der Konflikte durch die jetzige Regierung lediglich ein „mehr desselben“. Der befragte Regierungsabgeordnete, der nicht namentlich genannt werden will und Cuadros stimmen darin überein, dass es an einer Präventionspolitik für soziale Konflikte fehle; die Konflikte würden nicht gelöst, sondern lediglich Anpassungen vorgenommen.

Cuadros kritisiert, dass die strukturellen Ursachen der Konflikte nicht in Angriff genommen würden: die Politik der Konzessionsvergabe, die Erweiterung des Bergbaus, die Auseinandersetzungen um Land und Wasser mit lokalen Gemeinden. Hinzu komme der undemokratische Umgang von Staat und Firmen mit der Bevölkerung, die deren Position einfach übergehen. „Auf dem Spiel stehen die Rechte [der Menschen], die gar nicht berücksichtigt werden“, unterstreicht sie.

Eine komplizierte „Wendung“

Auch wenn ein Teil der Regierung behauptet, dass hinter den sozialen Konflikten eine Gruppe der radikalen Linken stehe, die Interesse daran habe, dem Kabinett zu schaden, glaubt das nicht namentlich genannte Regierungsmitglied, dass jeder Konflikt seine Eigendynamik besitze.

„Die Akteure sind insgesamt viel zu schwach, als dass man in Erwägung ziehen könnte, dass die momentanen Vorgänge Teil einer gemeinsamen Strategie sind und sich hinter den Konflikten eine politische Gruppierung verbirgt“, so das Regierungsmitglied. „Vielmehr glaube ich, dass wir uns in einer neuen politischen Phase befinden ˗ im Moment einer sehr komplizierten Wendung“, womit er sich auf die Aussagen des Präsidenten bezog, in denen dieser die Investitionen in den Bergbau verteidigte.

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