Probleme beim Aufbau nachhaltiger Verkehrsprojekte

(Berlin, 5. Juni 2019, npla).- Eines der 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, welche die UNO bis zum Jahr 2030 weltweit umsetzen möchte, ist die Schaffung einer widerstandsfähigen, belastbaren Infrastruktur. Bei deren Aufbau soll der Aspekt der Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielen. Das dies nicht immer der Fall ist und die unmittelbar Betroffenen oft kein Mitspracherecht bekommen, zeigen zwei Verkehrsprojekte aus Mexiko. Mexikos neuer Präsident López Obrador spielt hier eine zwiespältige Rolle. Auf der einen Seite setzt er sich für die Einstellung des Baus des neuen internationalen Flughafens von Mexiko-Stadt ein. Andererseits treibt er mit Macht den Bau einer Schnellzugstrecke auf der Halbinsel Yucatán – den Tren Maya – voran. NPLA beleuchtet die Hintergründe.

Aus für Flughafen nach fast 20 Jahren Kampf

Kurz nach Bekanntgabe des endgültigen Aus für den neuen internationalen Flughafen von Mexiko-Stadt Ende Oktober 2018, hielten die Flughafengegner*innen eine Pressekonferenz ab. Auf dieser erklärte Umweltaktivistin und Menschenrechtsverteidigerin Trinidad Ramírez, dass es noch viel zu tun gebe. Neben der Renaturierung des für den Flughafen-Bau trockengelegten Texcoco-Sees fordert sie die Rückgabe des enteigneten Grund und Bodens und einen Plan zur nachhaltigen Entwicklung der Region.

Trinidad Ramírez lebt in San Salvador Atenco, einer Kleinstadt am Rande von Mexiko-Stadt. Seit Beginn der zweitausender Jahre plante die mexikanische Regierung, den neuen Hauptstadt-Flughafen in Atenco zu bauen. Gegen den Willen der Bewohner*innen der angrenzenden Gemeinden. Vor allem dem Starrsinn Enrique Peña Nietos sei es zu verdanken, dass der Flughafen gebaut werden sollte, sagt Ramírez. Und das unter Missachtung der Rechte der Anwohner*innen.

2006 kam es unter Enrique Peña Nieto, damals noch Gouverneur des Bundesstaates Mexiko, zu schweren Angriffen der Polizei auf die Flughafengegner*innen. Zwei Menschen starben, es gab hunderte willkürliche Verhaftungen. 26 Frauen wurden von Polizisten sexuell misshandelt. Mexikos Nationale Menschenrechtskommission sprach von gravierenden Menschenrechtsverletzungen.

Kostenexplosion: der wahre Grund für das Ende der Bauarbeiten?

Auch als Präsident trieb Peña Nieto zwischen 2012 und 2018 das Vorhaben voran. Noch wenige Wochen vor Ende seiner Amtszeit unterzeichnete er eine Reihe von Verträgen zum Bau des Flughafens. Und das obwohl bereits klar war, dass das Projekt unter seinem Nachfolger Andres Manuel López Obrador eingestellt werden sollte. Amlo, wie dieser häufig genannt wird, hatte bereits vor seinem offiziellen Amtsantritt am 1. Dezember 2018 über den Weiterbau des neuen internationalen Flughafens von Mexiko-Stadt abstimmen lassen. In einer von seiner MORENA-Partei organisierten Volksbefragung sprachen sich siebzig Prozent der Teilnehmenden für die Einstellung der Bauarbeiten aus. Ein großer Sieg für Trinidad Ramírez und ihre Mitstreiter*innen.

Doch es war nicht allein der hartnäckige Widerstand der Gemeinden um den Texcoco-See, der das Aus für den Flughafen besiegelte. Misswirtschaft und Korruption hatten die Kosten explodieren und das Projekt unrentabel werden lassen. Der neu gewählte Präsident sah den Staatshaushalt in Gefahr und rief die Mexikaner*innen zur Teilnahme an der Abstimmung über den Weiterbau des unrentablen Flughafens auf. Auch auf die Gefahr hin, dass nach der Einstellung der Bauarbeiten Regressforderungen auf seine Regierung zukommen werden.

López Obrador setzt auf die Bahn

Aber auch Amlo hat ein Steckenpferd unter den Verkehrsprojekten: den Tren Maya. Als Maya-Zug wird eine mehr als 1.500 km lange Schnellzugstrecke auf der Halbinsel Yucatán bezeichnet. Sie soll die Badeorte an der Karibikküste mit den Maya-Ruinen im Regenwald verbinden und bis nach Palenque im Chiapas führen. Der Präsident verspricht Arbeitsplätze und Wohlstand für die vermeintlich zurückgebliebene Region.

Trotz des versprochenen Wohlstands stößt auch dieses Infrastruktur-Projekt bei den Bewohner*innen der Region auf wenig Gegenliebe. In einer längeren Dokumentation läßt der Fernsehkanal Televisa einige der Kritiker*innen zu Wort kommen.

Edgar Cauich aus der Maya-Gemeinde Halachó fordert zum Beispiel mehr Informationen von der Regierung. Damit er versteht, was die Vorteile sind, die versprochen werden. Denn Präsident López Obrador hat den Maya-Zug zwar durch eine landesweite Volksbefragung absegnen lassen, die betroffenen Gemeinden wurden allerdings nie über Einzelheiten informiert. Dabei haben sie darauf einen Rechtsanspruch. Denn die von Mexiko ratifizierte Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO gesteht indigenen Gemeinden das Recht einer Konsultation vor Umsetzung von Entwicklungsprojekten zu.

Umweltschutz und indigene Gemeinden kaum berücksichtigt

Problematisch könnte es auch beim Umweltschutz werden. Auf einer Diskussions-Veranstaltung Anfang April 2019 kritisiert Umweltaktivistin Leydy Pech, dass der Maya-Zug, wie andere Mega-Projekte verheerende Auswirkungen auf die Umwelt haben wird. Und sie kritisiert auch, dass bei der Planung die Belange der Maya-Gemeinden nicht berücksichtigt würden.

Diese Bedenken teilt José Luis Sierra. Er arbeitet am Nationalen Institut für Anthropologie und Geschichte von Yucatán. In der Televisa-Dokumentation äußert er seine Zweifel daran, dass der Zug zur Entwicklung der Maya-Gemeinden beitragen werde. Das Gegenteil wird wohl der Fall sein. Denn es reicht sich anzuschauen, wo die Bahnhöfe geplant sind. Das sind Städte und Orte, die Tourist*innen anziehen.

Aus vielen dieser Orte wird bereits jetzt über zunehmende Bodenspekulation berichtet. Die Kleinstadt Bacalar gilt als Geheimtipp unter Travellern. Seit bekannt wurde, dass der Maya-Zug hier halten soll, kaufen ausländische Investoren im großen Stil Land auf. Kritiker*innen des Zug-Projektes befürchten deshalb, dass Bacalar das gleiche Schicksal ereilen wird wie Cancún, Tulum und viele andere Badeorte an der Karibikküste. Das Geld verdienen dort die großen Tourismus-Ketten. Für die Einheimischen bleiben Jobs im Billiglohn-Sektor.

Den Podcast zum Artikel könnt ihr hier anhören.

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