Potential der Andenkamele im Kampf gegen Klimawandel wird nicht genutzt

von Marc Dourojeanni*

(Lima, 11. Februar 2014, servindi-poonal).- Peru zählt zu jenen Ländern, die vom Klimawandel besonders stark betroffen sind. Darauf wies UN-Generalsekretär Ban Ki-moon im Rahmen seines jüngsten Besuches in Lima hin. Dies sei einer der ausschlaggebenden Gründe dafür gewesen, dass in Perus Hauptstadt im Dezember die nächste UN-Klimakonferenz (COP20) stattfinden wird.

 

Der Klimawandel ist in vollem Gange, und seine Folgen lassen sich in ganz Peru beobachten. Besondere Sorge bereitet das Abschmelzen der andinen Gletscher, das mit bloßem Auge zu erkennen ist. Dieser Prozess scheint momentan dem Küstengebiet zugute zu kommen, in dem Wüstenklima herrscht und 60 Prozent der peruanischen Gesamtbevölkerung leben. Die Fläche für landwirtschaftlichen Anbau und die Ausdehnung der Städte nimmt deutlich zu.

Auf der anderen Seite ist abzusehen, dass die zur Verfügung stehende Wassermenge aus der Gletscherschmelze abnimmt und unregelmäßiger ausfallen wird. Was gravierende soziale Folgen hat, vor allem, wenn man weiß, dass es einem Großteil der städtischen Bevölkerung in Peru schon jetzt an Wasser mangelt.

Spanier*innen brachten europäisches Vieh nach Südamerika

Am westlichen Hang der Anden gibt es derzeit nur sehr wenig Niederschlag. Der Regen, der fällt, wird von den Gletschern gespeichert, aber auch in Seen, Lagunen und Feuchtgebieten des Berglands. Die Fähigkeit des Bodens zur Speicherung aber lässt infolge der unsachgemäßen Nutzung immer schneller nach.

Seit Tausenden von Jahren hat Brandrodung zwecks Erneuerung des Weidelandes für ein Verschwinden der Walddecke in den Anden gesorgt. Seit 500 Jahren kommt die Nutzung der Weiden für Tiere hinzu, die dem Ökosystem fremd sind, darunter Rinder, Schafe und Pferde. Sie alle wurden von den Konquistadoren nach Peru gebracht, um das traditionelle Vieh der Inka zu ersetzen: Lamas, Alpakas und deren wild lebende Verwandten, die Vikunjas und die Guanakos.

Bodenerosion durch unsachgemäße Weidepraktiken und zu schwere Tiere

Die wichtigste Auswirkung der in Peru vorherrschenden Viehwirtschaft ist eine zunehmende Erosion der Böden. Die Haltung exotischer und nicht immer an lokale Bedingungen angepasster Tierarten ist jedoch weder die hauptsächlich noch die prioritär zu bearbeitende Problematik. Vor allem eine Überweidung durch das Fehlen von Einzäunungen und das Ausbleiben eine Rotation der Weideflächen, Brandrodungen und mangelnde Fürsorge für das Weideland insgesamt, führen zu Bodenerosion.

Hinzu kommen Faktoren wie das große Gewicht von Rindern und Pferden, wodurch sich der Boden verdichtet, während die Tiere zugleich mit ihren Hufen Erde abtragen. Durch ihre Ernährungsgewohnheiten beschädigen sie zudem die Vegetation. Die Tiere reißen die Gräser ab, statt sie abzubeißen. Dies hat zur Folge, dass der Boden noch stärker bloß liegt. Dies alles führt zu ausgelaugten Böden, deren Fähigkeit zu Wasserspeicherung drastisch eingeschränkt wird, und die eine rentable Viehwirtschaft gar nicht mehr zulassen. Das Wasser läuft folglich überirdisch ab und reißt weiteren Boden mit sich.

Andenkamele sind an Bedingungen der Hochanden angepasst

Die Domestizierung der südamerikanischen Kamelarten in den Anden Perus und Boliviens hat eine Geschichte von mehreren Tausend Jahren. Lamas liefern Fleisch, ihre Haut wird zu Leder verarbeitet. Sie sind aber auch Lasttiere. Es gibt Hinweise darauf, dass Inka-Heere auch Menschen mit Lamas transportierten. Alpakas wiederum wurden als Woll-Lieferanten geschätzt.

Die südamerikanischen Kamelarten sind sehr gut an die ökologischen Bedingungen der Hochanden angepasst. Sie wiegen viel weniger als Rinder und Pferde, sind widerstandsfähig gegen niedrige Temperaturen und kommen mit Wassermangel gut klar. Mit ihren Gebissen „schneiden“ sie das Gras eher, als dass sie es abreißen. Auch ihre von Rindern unterschiedlichen, weicheren Extremitäten sorgen dafür, dass es zu weniger Bodenerosion kommt und mehr Wasser gespeichert werden kann.

Geringschätzung der einheimischen Andenkamele

Als die Spanier nach Peru kamen, zeigten sie anfangs ein gewisses Interesse für das Vieh der Indigenen. Doch rasch wurden die Kamele durch europäisches Vieh ersetzt – in den gesamten Anden. Die einheimischen Bauern und Bäuerinnen machten es den Spaniern nach, und so entwickelte sich eine Einstellung, alles gering zu schätzen, was mit Lama- und Alpaka-Produkten verbunden war.

Eine Ausnahme hiervon bildete allerdings die Alpaka-Wolle. Die Population dieser Arten nahm in der Folge deutlich ab, bis sie schließlich überwiegend nur noch im Süden Perus und in den entlegensten und ärmsten kleinbäuerlichen Gemeinden anzutreffen waren.

Ausnahme: Begehrte Alpaka-Wolle

Erst Mitte des 20. Jahrhunderts begann sich eine neue Wertschätzung des Alpakas zu entwickeln. Diese bezog sich erst vor allem auf die Wolle, später aber auch auf das Fleisch. Die internationale Nachfrage ist groß und kann nicht befriedigt werden. Im Unterschied zum Alpaka genießt das Lama weiterhin kein Ansehen, und die Population in Peru schwindet noch mehr. Dabei steht die ausgezeichnete Qualität des Lama-Fleisches jener des Alpakas in nichts nach – und das zu einem viel günstigeren Preis.

Trotz dieses offensichtlichen ökonomischen Potenzials der südamerikanischen Kamelarten sowie der unbestreitbaren ökologischen Vorzüge, wird in den Anden weiterhin ganz überwiegend Rinder- und Schafzucht betrieben. Dabei ist die Rentabilität sehr gering, und es entstehen, wie beschrieben, große Umweltschäden.

Fehlende Anreize und Kenntnisse bei Kleinbauern

Die Frage lautet also, warum wird in Peru die Zucht von Andenkamelen nicht stärker entwickelt? Der Hauptgrund dürfte einfach darin liegen, dass die Mehrzahl der bäuerlichen Gemeinden nicht weiß, wie sich Kamele züchten lassen. Hinzu kommt die Jahrhunderte lange Geringschätzung der Peruaner*innen gegenüber diesen Tieren. Anstrengungen, die Bauernfamilien zu überzeugen, Rinder und Schafe durch Alpakas und Lamas zu ersetzen, hat es gegeben – vor allem im Inneren von Naturschutzgebieten in den Anden, wie etwa im Nationalpark Huascarán (Parque Nacional Huascarán), im Nationalen Schutzgebiet Pampa Galeras (Reserva Nacional de Pampa Galeras) oder im Nationalheiligtum von Huayllay (Santuario Nacional de Huayllay). Doch alle Bemühungen waren erfolglos.

Es fehlte freilich auch an Anreizen durch den Staat, der die Bedingungen für einen grundlegenden Wandel hätte schaffen müssen. Auch ist es nicht allein mit technischer und finanzieller Hilfe getan, sondern ein „ehrlicher“ Markt muss sichergestellt sein. Grundsätzlich müsste der Wandel allmählich vonstatten gehen, im Einklang mit den lokalen Traditionen.

Staatliches Vikunja-Programm von Sendero Luminoso attackiert

Lamas und Alpakas haben zwei wild lebende Verwandte: Das Vikunja und das Guanako. Das Guanako ist zwar ökologisch von Bedeutung, die aus ihm hergestellten Produkte sind aber weniger interessant als jene, die das Vikunja liefert. Auf die Vikunjas wurde schon seit vorkolonialer Zeit intensiv Jagd gemacht. In den 1960-er Jahren sank deren Population in Peru auf ein historisches Minimum.

Dank der Schaffung der Reserva Nacional de Pampa Galeras nahm die Zahl der Vikunjas seither wieder zu. Die Tiere wurden auf unterschiedliche Regionen der Hochanden verteilt. Die maoistische Terrororganisation Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) attackierte in ihrem Kampf gegen den peruanischen Staat übrigens immer wieder das Vikunja-Programm der Regierung. Die Wilderei tat ein Übriges, so dass die Population sich zwar deutlich erholt hat, aber sehr viel mehr Potenzial besteht.

Weniger Rinder und mehr einheimisches Vieh

Die Rentabilität von Vikunjas und Alpakas ist, was die aus ihnen hergestellten Produkte betrifft, jedoch außerordentlich hoch. Vor allem aber liefern sie sehr feine Wolle. Die Nachfrage nach Wolle ist längst nicht gesättigt und es ließen sich auf dem Land sowie in Kunsthandwerk und Textilindustrie zahlreiche Arbeitsplätze schaffen.

Ein Plädoyer dafür, das einst aus Europa eingeführte Vieh durch einheimisches zu ersetzen, bedeutet nicht, auf Rinder und Schafe zu verzichten. Deren Zucht lässt sich mit entsprechender Technik und umweltschonend rentabel betreiben. Andenkamele sind allerdings noch rentabler und sollten das herkömmliche Vieh ablösen. Es lassen sich gewisse Parallelen ziehen zwischen einem solchen Programm und der Substitution des Koka-Anbaus durch Kaffee- und Kakaopflanzungen im Agroforstanbau.

Kostengünstiger Weg zu nachhaltigem Wassermanagement

Benötigt werden auf jeden Fall technische und langfristig angelegte finanzielle Hilfen. Den Menschen müssen die ökonomischen und ökologischen Vorteile mit einer sorgfältigen Kampagne erklärt werden, so dass die Bauern und Bäuerinnen auf die neue Produktionslinie umschwenken wollen. Die Kosten für ein derartiges Umstellungsprogramm, das letztlich garantiert, dass der Wasserfluss regelmäßig ist und erhalten bleibt, sollten jene Landwirt*innen, die im peruanischen Küstengebiet letztlich von dem Programm profitieren würden, über den Wasserpreis bezahlen.

Sicher ließe sich das Wasser in den Hochanden auch durch andere Techniken halten, etwa durch Aufstauung. Doch all dies wäre teurer und weniger rentabel als die Kamelzucht. Es versteht sich von selbst, dass Bodenschutz und Wiederaufforstung als ergänzende Maßnahmen hinzukommen müssen.

* Marc Dourojeanni ist emeritierter Professor der Universidad Nacional Agraria de La Molina (UNALM) in Lima. Er leitete unter anderem bei der Inter-American Development Bank die Umwelt-Abteilung und gründete 1984 die peruanische Nichtregierungsorganisation ProNaturaleza (www.pronaturaleza.org). Der Artikel erschien zuerst in Actualidad Ambiental

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