Poonal Nr. 594

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 14. Oktober 2003

Inhalt


BOLIVIEN

PERU

KOLUMBIEN

ECUADOR

VENEZUELA

COSTA RICA

EL SALVADOR

GUATEMALA

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

HAITI

BRASILIEN

ARGENTINIEN

CHILE

PARAGUAY


BOLIVIEN

Protestwelle wird zum Aufstand gegen die Regierung Streit um Gasexport. Über 50 Tote in 21 Tagen

Von Andreas Behn

(Berlin, 13. Oktober 2003, npl).- Die Proteste gegen die Regierung Boliviens werden heftiger, das Vorgehen von Polizei und Militär gegen die Aktivisten wird immer brutaler. Im ganzen Land kommt es zu Demonstrationen und Straßenblockaden, in der Hauptstadt La Paz legt ein unbefristeter Generalstreik das öffentliche Leben zum Teil lahm. Die Versorgung mit Benzin ist inzwischen prekär, die wichtigsten Zugangsstraßen zur Hauptstadt sind fast rund um die Uhr blockiert.

In der Nacht zum Sonntag eskalierte die Situation in El Alto, der Stadt oberhalb von La Paz, in der sich der internationale Flughafen befindet. Zuvor hatte die Regierung entschieden, die Stadt und Umgebung zu Militarisieren, um die Versorgung der Hauptstadt aufrecht zu erhalten. Beim Vorgehen gegen streikende Arbeiter und Mitglieder der Nachbarschaftskomitees, die alle großen Straßen seit Tagen blockieren, wurden innerhalb von 24 Stunden weit über 20 Menschen von Soldaten erschossen. Da Militärs und Polizisten inzwischen wahllos auf Demonstranten schießen, berichten Ärzte über unzählige Verletzte mit Schusswunden, so die unabhängige Presseagentur „bolpress“.

Regierungssprecher Mauricio Antezana erklärte, die Militarisierung sei noch kein Ausnahmezustand, aber notwendig, um den „brutalen Staatsstreich“ seitens der Protestler zu verhindern. Explizit machte er den Abgeordneten Evo Morales für solche Pläne verantwortlich und kündigte an, er und seine „internationalen Unterstützer“ würden dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Morales, der sich in Cochabamba weit entfernt von der Hauptstadt aufhält, wies diese Behauptungen zurück und beschuldigte seinerseits Teile der Regierung, einen „Selbstputsch“ zu planen, um das gesamte Land zu militarisieren.

Für diese Woche kündigten die Protestler an, ihre Aktivitäten noch auszuweiten. Unterstützt werden sie offenbar von Teilen der Polizei – mehrere Beamte sind am Samstag festgenommen worden, weil sie angeblich zu Ungehorsam aufriefen und nicht mehr bereit waren, mit Gewalt gegen die Aktivisten vorzugehen. Bei den seit drei Wochen anhaltenden Protesten wurden über 50 Menschen getötet und Hunderte verletzt.

Hauptakteure der Protestwelle sind die Gewerkschaften, unter ihnen vor allem die Bergarbeitervertretung COB, die Kokabauern, Indígena-Bewegungen und die Partei des populären Bauernaktivisten Evo Morales, MAS (Movimiento al Socialismo). Entsprechend ihrer Stärke formuliert die heterogene Bewegung ein hochgestecktes Ziel: Der vor Jahresfrist gewählte Präsident, der sich gerne „Goni“ nennen lässt, soll sofort zurücktreten, da er die Interessen des Landes nicht vertrete.

Darüber hinaus pochen die verschiedenen Gruppen auf zumeist soziale und wirtschaftliche Forderungen: Einerseits geht es um die Rücknahme von Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen, damit sich der Lebensstandard nicht noch weiter verschlechtert. Zugleich geht es um eine andere, an nationalen Interessen orientierte Wirtschaftspolitik. So wird die Teilnahme Boliviens an den Verhandlungen über die von den USA vorgeschlagene Gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA ebenso abgelehnt wie eine Teilnahme an dem Freihandelsabkommen mit Chile und den USA. Besonderen Unmut erregt zudem das Vorhaben der Regierung Sanchez de Lozada, Erdgas zu Spottpreisen an die USA zu liefern. Dass dieses Thema zu einem zentralen Aspekt der Proteste geworden ist, liegt allerdings auch daran, dass die Lieferung über einen Hafen in Chile abgewickelt werden soll – Chile gilt den Bolivianern als Erzfeind, weil es dem Land im letzten gemeinsamen Krieg den Zugang zum Meer abgeluchst hatte.

Dabei ist der geplante Deal mit dem Erdgas ein Musterbeispiel für den Ausverkauf von Ressourcen durch korrupte Regierungen: Jüngste Berechnungen besagen, dass das beauftragte Konsortium Pacific LNG für jeden Dollar, den der bolivianische Staat an Steuern und Abgaben einnehmen würde, selbst 24 Dollar Einnahmen verbuchen könnte. Das aus British Gas (BG), British Petroleum (BP) und der spanischen Repsol/YPF bestehende Konsortium hofft auf einen Vertrag, der das Recht beinhaltet, für die Laufzeit von 20 Jahren täglich 36 Millionen Kubikmeter bolivianisches Erdgas zu fördern und Richtung Kalifornien auszuführen. „Wir sind nicht gegen den Verkauf von Gas, sondern lediglich gegen die Bedingungen, zu denen dies vonstatten gehen soll,“ so der MAS-Politiker Evo Morales, der zudem der Regierung vorwirft, den Deal entgegen ihrer offiziellen Darstellung bereits abgeschlossen zu haben.

Die Protestwelle, die in Bolivien auch als „Der Krieg um das Gas“ bezeichnet wird, ähnelt mittlerweile immer mehr einem generellen Aufstand gegen die Regierung und ihre neoliberal ausgerichtete Politik. Der neben Morales bekannteste Indígena-Führer Felipe Quispe sprach bereits von einem „bewaffneten Aufstand“, andere Aktivisten reden einen Bürgerkrieg herbei. Politiker wie Evo Morales, der bei der Präsidentschaftswahl nur knapp zweiter wurde, warnt hingegen davor, die Stärke der Protestbewegung mit der Fähigkeit, ein neues Land aufbauen zu können, zu verwechseln: „Derzeit wollen wir als Abgeordnete das Land friedlich, ohne Blutvergießen verändern. Zuerst müssen wir die Strukturen des Staates kontrollieren und von dort aus die Revolution machen, nicht umgekehrt,“ so der Sprecher der Kokabauern.

PERU

Straßenblockaden wegen Gasleitung

(Lima, 8. Oktober 2003, adital-Poonal).- Seit dem 28. September läuft ein Generalstreik in der Provinz von La Convención, die in der Dschungelregion des Verwaltungsbezirkes von Cusco liegt. Im Rest des Landes scheint dies jedoch nicht bemerkt worden zu sein.

Bauern und Bäuerinnen sowie lokale Gewerkschaften haben Straßen blockiert und drohen damit, stärkere Maßnahmen zu ergreifen, um das transnationale Konsortium „Transportadora de Gas de Perú“ (TGP) dazu zu zwingen, die durch ihre Schwerlasttransporte beschädigten Brücken und Straßen wieder Instand zu setzen. Sie haben jedoch weder von der TGP noch von der Regierung eine Antwort erhalten und es sieht so aus, als ob die am stärksten durch die Blockade Betroffenen die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen der Region selbst sind.

In Camisea, in der Provinz von La Convención gelegen, befinden sich große Erdgasvorkommen. Die Erdgasleitung, die das Gas zur peruanischen Küste befördern soll, wurde bereits zu 80 Prozent fertiggestellt. Obwohl das Projekt mit einem Investitionsvolumen von zwei Milliarden US-Dollar als große Entwicklungschance für die Region angesehen wird, haben die Bewohner*innen der kleinen im Dschungel gelegenen Ortschaft La Palma nichts davon mitbekommen. Im Gegenteil sprechen sie von einer Verschlechterung der Straßen, die nicht für diese Art von Transporten gedacht gewesen sein und befürchten nun, da die Konstruktion fast beendet worden ist, von TGP nicht mehr entschädigt zu werden.

Allem Anschein nach haben die Blockaden keinen Einfluss auf die Arbeit des Konsortiums gehabt. Obwohl alle Lastwagen mit Benzin und Arbeitsmaschinen mindestens bis zum 6. Oktober blockiert wurden, werden die Baustellen weiterhin mit Hilfe von Hubschraubern mit Personal und Material beliefert. Die Blockaden verhindern jedoch, dass die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen ihre Produkte zu nahegelegenen Märkten bringen können. Am 6. Oktober kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Streikenden und Polizeieinheiten. Das Ergebnis waren lokalen Medien zufolge mehrere Verletzte und 26 Verhaftungen.

KOLUMBIEN

Kolumbien setzt Besprühung an der Grenze zu Ecuador aus

Bogota, 3. Oktober 2003, adital-poonal – Die kolumbianische Regierung hat entschieden; die Besprühung von Kokafeldern in der Grenzregion auszusetzen. Die kolumbianische Entscheidung geht auf die ecuadorianischen Klagen wegen der Zerstörungen ein, die durch die Besprühung mit Glifosat entstanden sind. Diese Aussetzung soll so lange gelten, bis eine binationale Kommission einen Bericht über die Auswirkungen der Besprühung auf die menschliche Bevölkerung und den erlaubten, der Besprühung ausgesetzten (Nahrungsmittel-) Anbau erstellt hat.

Laut dem ecuadorianischen Außenminister, Patricio Zuguilanda, wird die wissenschaftliche Kommission zu noch nicht festgelegten Terminen mindestens drei Treffen abhalten, eines in Bogota, eines in Quito und eines in der betroffenen Region. Ecuador hat schon seit dem vergangenen Jahr der kolumbianischen Regierung die Aussetzung der Besprühung der Felder nahegelegt. Ecuador hat vorgeschlagen, eine Linie im Abstand von 10 km von der Grenze zu ziehen, um zu vermeiden, dass seine Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen wird.

Die Bevölkerung und Menschenrechtsaktivisten aus Ecuador haben gemeldet, dass die Benutzung von „Glifosat“ – einem starken Pestizid – und anderen Chemikalien, die in den Besprühungen, die Kolumbien durchführt, sich bis auf die ecuadorianische Seite der Grenze auswirkt und dort den Tod von Tieren, Ernteausfälle und Erkrankungen der Atemwege und der Haut der Bevölkerung bewirkt.

Allerdings widerspricht das angekündigte Aussetzen der Besprühung den Erklärungen, die die kolumbianische Außenministerin Carolina Barco vor zwei Tagen in Bogota vor dem Rat für ausländische Geschäftsbeziehungen, einer privaten Organisation von Geschäftsleuten und Bankiers, abgegeben hat. Sie sagte, so berichtet die kolumbianische Tageszeitung El Espectador, dass die Besprühungen der Kokapflanzungen aus der Luft weitergeführt würden. Diese Pflanzungen befänden sich auf einer Ausdehnung von 160.000 Hektar, eine solche Arbeit könne nicht manuell erledigt werden. Für die Regierung habe keine Wahlmöglichkeit bestanden. Die Ministerin schließt die Möglichkeit aus, an der Grenze eine Zone zu schaffen, die frei von Besprühungen ist, mit der Begründung, dass diese sich in einen Streifen erlaubten Anbaus verwandeln würde.

ECUADOR

Amazonas-Gebiet wird militarisiert

(Montevideo, 3. Oktober 2003, comcosur-poonal).- Die Regierung Ecuadors beschloss eine Verstärkung der Militär- und Polizeikontrollen im Amazonas-Gebiet, da die internationalen Erdölunternehmen ihre Projekte aufgrund des Widerstandes von Indígena-Gruppen nicht realisieren können.

„Wir werden hart vorgehen, falls Gewalt oder illegale Aktionen stattfinden sollten und die Täter entsprechend bestrafen“, bekräftigte der Minister für Energie Carlos Arboleda. Bis jetzt sind die am meisten betroffenen Firmen die argentinische CGC und die US-amerikanische Burlington. Beide Unternehmen erkunden die Erdölvorkommen in den Blöcken 23 und 24 des Amazonas-Gebietes. Die Regierung beschuldigt außerdem die privaten Organisationen, die die indigenen Einwohner der Region von der ganzen Welt aus in ihren Protesten unterstützen.

VENEZUELA

Chávez ordnet Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegen Globovisión an

(Caracas, 7. Oktober 2003 adital-poonal).- Der Präsident der Republik, Hugo Chávez, legte dem Minister für Kommunikation und Information, Jesse Chacón, nahe, die Eröffnung eines Verfahrens gegen die private Fernsehgesellschaft Globovisión zu beantragen. In seiner sonntäglichen Radio- und Fernsehsendung kritisierte der venezolanische Präsident die privaten Kanäle von Caracas wegen der Umgehung eines rechtmäßigen Anspruchs. Ferner genehmigte er den Beginn des „Plan Barrio Adentro“, der eine staatlich organisierte ärztliche Versorgung in den Armenviertels vorsieht, im Bundesstaat Zulia und kündigte die Zahlung von 2 Billionen Bolívares (das entspricht 20 Millionen Dollar) an öffentlich Bedienstete an. „Die Reichen werden besser leben, wenn es weniger Ungleichheit gibt“, hob er hervor.

Aus dem Geschäftszentrum der Metro in Valencia im Staat Carabobo äußerte sich Chávez über das Verwaltungsverfahren, welches am vergangenen Freitag von der Nationalen Kommission für Telekommunikation (Comisión Nacional de Telecomunicaciones – Conatel) gegen diesen Sender eingeleitet wurde, nachdem der Gebrauch von Ultrakurzwellenanlagen ohne vorschriftsmäßige Erlaubnis aufgedeckt wurde. „Sie haben gegen das Gesetz verstoßen, niemand kann Radiowellenfrequenzen ohne Genehmigung benutzen. Hier muss ein Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeleitet werden“, betonte Chávez.

Hinsichtlich der Äußerungen des Sekretärs für Lateinamerikaangelegenheiten des US-Außenministeriums, Róger Noriega, der die Maßnahmen von Conatel als besorgniserregend bezeichnete, erklärte Chávez: „Herr Bush, kümmern Sie sich um die Vereinigten Staaten, die Probleme von Venezuela sind Probleme Venezuelas“. Er sprach weiterhin über die durch die nationale Wahlbehörde (CNE) erlassenen Widerrufsbeschlüsse und rief seine Anhänger auf, sich in Häusergruppen zu organisieren. „Wir werden Unterschriften sammeln in Zulia, Anzoátegui, Monagas und Apure, wir werden die Unterschriften einholen und wir werden nicht betrügen“, unterstrich Chávez.

Zudem äußerte sich Chávez über die Notwendigkeit, den Wohlstand aller Sektoren zu fördern und sich um die bedürftigen Klassen zu kümmern. „Wir werden alle besser leben, wenn es gelingt, die Ungleichheit und Armut zu beseitigen. So werden auch die Reichen ruhiger sein“, sagte er. Für den Bundesstaat Zulia kündigte er die Errichtung von 18 neuen Mercales (staatliche Lebensmittelmärkte, in denen Grundnahrungsmittel zu günstigen Preisen angeboten werden) an sowie die Weiterführung der Alphabetisierungskampagne und die Fortsetzung der Bildung- und Erziehungsprogramme.

COSTA RICA

Gewerkschafter lehnen Verhalten des US-amerikanischen Handelsbeauftragten ab

(San José, 3.octubre/2003, adital).- Der Verband der Elektrizitäts-Arbeiter von Costa Rica (Frente Interno de Trabajadores del Instituto Costarricense de Electricidad (FIT-ICE) wies die Äußerungen des US-amerikanischen Handelsbeauftragten Robert Zoellick im Bereich der Telekommunikation sowie sein respektloses Verhalten gegenüber der Souveränität und der Staatsgewalt der Republik während seines Landesbesuchs entschieden zurück. Das Unternehmen unterstrich noch einmal seine Unterstützung der Regierungshaltung, eine Privatisierung des Telekommunikationsmarktes abzulehnen und forderte erneut dazu auf, ihre Position, die dem nationale Empfinden entspricht, nicht in Frage zu stellen.

Die niederträchtige und großherrliche Ausdrucksweise von Zoellick bestätige die Vermutungen des FIT, dass die Vertreter der US-amerikanischen Weltmacht, trotz der eindeutigen Position Costa Ricas versuchen würden, sie vor allem in der letzten Verhandlungsphase unter Druck zu setzen. Denn hinter den Abgesandten der Bush -Administration stehen mächtige transnationale Unternehmen, die beabsichtigen, die Vorherrschaft des Telekommunikationsmarktes, und somit eine bedeutende Ressource, für sich zu gewinnen.

Mit der falschen Behauptung, das Land könne in der Entwicklung neuer Kommunikationstechnologien zurückbleiben, wenn es sich in diesem Bereich nicht in die Verhandlungen um das Freihandelabkommen einbringe, versuchen sie die Tatsache zu verdecken, dass das Institut für Elektrizität Costa Ricas (ICE) ein äußert wichtiges Staatsgut aufgebaut hat. Sollte dieser Staatsbesitz in die Hände der großen transnationalen Telekommunikationsunternehmen fallen, hätte dies fatale Folgen für Costa Rica, denn wie sich mittlerwile in fast allen Ländern Lateinamerikas schon gezeigt hat, verschlechterten sich aufgrund einer solchen Privatisierung die Lebensbedingungen von Millionen Familien.

EL SALVADOR

Repression gegen Jugendliche als einziger Lösungsansatz der Regierung

(Montevideo, 7. Oktober 2003, púlsar-poonal).- Vor kurzem wurde in El Salvador ein Gesetz verabschiedet, welches Banden illegalisiert, die zumeist aus Minderjährigen bestehen. Einige Kinderrechtler sehen in dieser Maßnahme einen rechtlichen Rückschritt, die Mehrzahl der Politiker*innen und die katholische Kirche hingegen bewertet die Strafverfolgung Jugendlicher als positiv für die Zivilgesellschaft.

Vor wenigen Tagen ermordeten zwei „mareros“, wie Mitglieder einer solchen Bande in vielen Ländern genannt werden, ein zwölfjähriges Mädchen. Diese Tat nutzte die Regierung Präsident Francisco Flores zur Durchsetzung ihres „Anti-Bandengesetzes“. Die Zivilpolizei hat bereits mit den Festnahmen begonnen und im Zuge der „Strategie des harten Durchgreifens“ mehr als 30 Bandenmitglieder gefangen genommen.

Während die Regierung an der Anwendung harter Strafen für diese Jugendlichen festhält, beklagen verschiedene Organisationen, durch Gefängnis nähme man den jungen Menschen die Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Auch von Seiten der Jugendlichen selbst, die sich zu Banden zusammengetan haben, wurde kritisiert, diese Maßnahme sei ungerecht. Sie betonten, das ganze System sei korrupt und es sei daher falsch, sie zu diskriminieren anstatt das System zu verändern.

GUATEMALA

FRG könnte Jugendbanden engagieren, um Chaos zu schaffen

Von Héctor Samayoa

(Retalhuleu, 7 Oktober 2003, Cerigua).-Es besteht weiterhin die Angst, dass Mitglieder der Regierungspartei Republikanische Front Guatemalas FRG (Frente Republicano Guatemalteco) jugendliche Banden organisieren, damit diese für Destabilisierung während des Wahlprozesses sorgen, sagte Emilio Gobau von der Allianz für Verbrechensvorsorge Aprede (Alianza para la Prevención de Delito) der Nachrichtenagentur Cerigua.

Goubau habe Informationen, dass führende Mitglieder der FRG Anführer von Jugendbanden, besser bekannt als Maras, kontaktiert hätten, damit diese für Chaos sorgten, um der FRG um jeden Preis zum Wahlsieg zu helfen. Er rief die Bevölkerung zum Urnengang am 9. November auf, sein Appell ging vor allem an Frauen und junge Menschen, die traditionell von den demokratischen Prozessen ausgeschlossen waren.

Goubau prangerte auch das Ausmaß der Korruption, die Straffreiheit und die Anarchie, die die gegenwärtige Regierung in der Bevölkerung geschaffen hat, an und bat alle Guatemalteken und Guatemaltekinnen, ihre Stimme bewusst abzugeben, da diese ihr einziges legales Mittel sei, der FRG die Macht zu entziehen.

Zu Aprede gehören mehrere Organisationen der Zivilgesellschaft wie das Institut für vergleichende Studien in Strafwissenschaften IECCP (Instituto de Estudios Comparados en Ciencias Penales), Angehörige und Freunde gegen das Verbrechen und Entführungen FADS (Familiares y Amigos contra la Delincuencia y el Secuestro) und die Multisektorale Vereinigung für Strafverfolgung in Guatemala AMPEGUA (Asociación Multiectorial Penitenciaria Guatemalteca).

Guatemala bleibt auf der schwarzen Liste

(Guatemala, 4 Oktober 2003, Cerigua).- Laut Berichte verschiedener Medien beschloss die Versammlung der Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Geldwäsche FATF (Financial Action Task Force on Money Laundering), dass Guatemala fünf weitere Monate auf der schwarzen Liste jener Länder, die bei Anstrengungen gegen Geldwäsche nicht kooperieren, bleibe. Der Entschluss wurde vorvergangenen Freitag, zum Abschluss der Versammlung der Gruppe in Stockholm, bekannt gegeben. Im Februar des kommenden Jahres wird man erneute Analysen zum Thema anstellen.

Angesichts dieser Entscheidung, Guatemala auf der schwarzen Liste der nichtkooperierenden Länder zu lassen, erklärte der Bankenaufseher Douglas Borja, dass im kommenden November eine FATF Kommission nach Guatemala kommen würde, um Fortschritte und anstehende Handlungen zu verifizieren.

Laut Pressemitteilungen behauptete Claes Norgren von der FATF, dass man beschlossen habe, konkreten Aktionen zur Unterbindung von Geldströmen zur Terrorismus-Finanzierung absolute Priorität einzuräumen – eine Bedingung, der Guatemala nicht nachkommen konnte .

Daher bleiben neben Guatemala auch andere Länder wie Myanmar, die Cook Inseln, Ägypten, Indonesien, Nauru, Nigeria und die Ukraine auf der schwarzen Liste jener Nationen, die Geldwäsche nicht bekämpften.

Laut Wirtschaftsanalysten schrecke diese schlechte Einstufung Guatemalas Investoren ab und schwäche das Vertrauen, was schwerwiegende Konsequenzen für die Wirtschaft mit sich bringe. Die Arbeitsgruppe FATF hat Mitglieder aus 29 Ländern Amerikas, Europas und Asiens und überwacht Länder mit zweifelhaften Handlungen gegen Geldwäsche. Guatemala steht seit Juni 2001 auf der schwarzen Liste.

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

Abkommen mit dem IWF entzieht wirtschaftliche Souveränität

(Santo Domingo, 8. Oktober 2003, adital).- Am 6. Oktober erließ der Währungsrat überraschend eine Verfügung, die alle Geschäfte in ausländischen Währungen auf den privaten Devisenmarkt wirft, einschließlich der Erdölrechnungen, des Telefonverkehrs und der Bedienung der öffentlichen Auslandsschuld. Dies ist Folge eines Abkommens mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), das dem Land ein Darlehen von etwa einer Milliarde Dollar in Aussicht stellt.

Der IWF forderte von der Dominikanische Republik die Zusage, die Tauschmärkte vor Ende 2003 zu vereinheitlichen und die Wechselkurse frei fluktuieren zu lassen.

Die Verkündung der Maßnahme wurde begleitet von Nachrichten über Missfallen auf Seiten des IWF wegen der Art, in der das Land das Abkommen bislang erfüllt hat. Einigen Quellen zufolge reiste deshalb ein Teil einer Delegation der internationalen Finanzierungsinstitution ab. Lokalen Medienberichten zufolge ficht der IWF eine Operation an, mittels derer der Staat unlängst die zuvor an das spanische Unternehmen Unión Fenosa verkauften Aktien zweier Stromlieferer wiedererlangte. Damit sollte die heftige Krise der Stromversorgung behoben werden.

Zugleich erklärte der Oberste Gerichtshof, von der Exekutive erlassene Steuern auf Ex- und Importe, die für die Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem IWF genutzt würden, für verfassungswidrig. Der von Finanzminister Rafael Calderón veröffentlichte Beschluss beendet die Verpflichtung für die devisenerwirtschaftenden Sektoren – Tourismus oder die Freien Produktionszonen -, ihre Einkünfte in ausländischer Währung bei der Zentralbank zu tauschen.

Nach Ansicht der Volkswirtschaftler der Regierung sollte die Maßnahme den Druck auf den Wechselkurs des Peso verringern, der innerhalb eines Jahres von 20 Pesos pro Dollar auf 34,35 Pesos am 9. Oktober stieg. Die Spezialisten erhoffen sich außerdem, dass das Vertrauen der Investoren wieder wachsen wird. Die Rating-Firma JP Morgan änderte ihre Empfehlungen für die Dominikanische Republik von „neutral“ auf „unter dem Marktdurchschnitt“ und Bear Staerns bewertet das Land als riskant für Investitionen.

Das Abkommen mit dem IWF wird jedoch von Basisorganisationen und der linken Opposition kritisiert, die auf den Verlust ökonomischer Souveränität und die Verschlechterung der Lebensbedingungen der Mittel- und Unterschicht hinweisen. Es kam bereits zu Straßenprotesten mit mehreren Toten und Verletzten.

HAITI

Immer mehr Proteste gegen die Regierung Aristide Opposition setzt auf Wahlboykott und organisiert eine Streikbewegung

Von Jane Regan und Roberto Roa

(Port-au-Prince, 9. Oktober 2003, npl).- Heftige Proteste, Demonstrationen und Streiks setzen den Präsidenten Haitis, Jean Bertrand Aristide, immer mehr unter Druck. Die verschiedenen Parteien und Gruppierungen der Opposition, die von ehemaligen Aristide-Anhängern bis zu Anhängern der früheren Militärdiktaturen reichen, haben sich inzwischen auf eine Parole geeinigt: Sofortiger Rücktritt des Präsidenten und früheren Laienpriesters Aristide, der noch Mitte der 90-er Jahre Hoffnungsträger der verarmten Bevölkerungsmehrheit war und mit überwältigender Mehrheit zum Staatsoberhaupt gewählt wurde.

Er werde „nicht eine Minute länger, aber auch keine Minute kürzer“ im Amt bleiben, wies Aristide Anfang dieser Woche die Rücktrittsforderungen zurück und betonte, dass sein Mandat bis zum Februar 2006 laufe und lediglich ordentliche Wahlen im Jahr 2005 die politische Krise im Land lösen können. Seit vielen Monaten ist das Karibikland praktisch paralysiert, weil die Opposition jegliche Zusammenarbeit mit Regierungsinstitutionen und Beteiligung an eventuellen Wahlen ablehnt. Unterstützt wird sie dabei von internationalen Organisationen wie der OAS (Organisation Amerikanischen Staaten), die Aristide Korruption und illegitime Machtausübung vorwerfen und alle internationalen Finanzhilfen einfrieren ließen.

Seit Mitte September sind die Proteste eskaliert. Insbesondere in der Stadt Gonaives, wo kürzlich der Oppositionsaktivist Amiot Metayer ermorden wurde, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen, die bisher drei Menschen das Leben kosteten. In der nördlichen Hafenstadt Cap Haitien kam es am 14. September zu Schlägereien zwischen einer regierungskritischen Demonstration und Pro-Aristide-Gruppen, die im Anschluss Jagd auf Oppositionelle machten. Anfang Oktober riefen mehrere Oppositionsgruppen einen Generalstreik aus, der seitdem das Leben in der zweitgrößten Stadt des Landes beeinträchtigt und auf andere Regionen des ärmsten Landes auf dem amerikanischen Kontinent ausgedehnt werden soll.

Angesichts der neuen Konfrontation kommen Zweifel auf, ob es der Regierung gelingen wird, die für Ende dieses Jahres geplanten Regional- und Parlamentswahlen durchzuführen. Zudem kündigte die gesamte Opposition, unterstützt von den meisten Kirchen und Gruppen der Zivilgesellschaft, an, die Wahlen zu boykottieren. Bereits die Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 fand ohne Beteiligung der Opposition statt. Da die Abgeordnetenmandate jedoch allesamt im Juni 2004 auslaufen werden, wird befürchtet, dass Präsident Aristide und seine Partei „Familie Lavalas“ in einem halben Jahr nur noch per Dekret regieren werden.

„Wir erwarten, dass zumindest die grundlegenden Bedingungen erfüllt werde,“ erklärte der haitianische Erzbischof Hubert Constante die kritische Haltung der katholischen Kirche. „Diese Mindestanforderungen haben nicht wir aufgestellt; die Regierung hat sie in Abkommen mit der internationalen Gemeinschaft vereinbart.“

Aristide, der ein von Familien- und Militärdiktaturen völlig heruntergewirtschaftetes Land übernahm und selbst während seiner Regierungszeit mehrere Jahre im US-Exil verbringen musste, ist es weder gelungen, die Wirtschaft anzukurbeln noch das politische System zu demokratisieren. Inzwischen ist er selbst heftigen Korruptionsvorwürfen ausgesetzt, die Organisation „Transparency International “ stufte Haiti Anfang Oktober gar als eines der drei korruptesten Länder weltweit ein. Doch auch wenn die rund acht Millionen Haitianer inzwischen mehrheitlich gegen Aristide eingestellt sind, kann der schmächtige Mann weiterhin auf viele treue Anhänger setzen. Dabei kommt ihm zugute, dass die Opposition bislang keine politisch einheitliche Alternative formuliert hat.

BRASILIEN

Lula rechtfertigt die Legalisierung von gentechnisch manipulierten Sojasaaten

(Moantevideo, 7. Oktober 2003, comcosur-poonal).- Aus Sicht von Brasiliens Präsidenten Luiz Inacio Lula de Silva war die Legalisierung von gentechnisch manipulierten Sojasaaten die bessere Entscheidung. Trotz des bisher bestehenden und nun aufgehobenen Verbots hatten viele Bauern illegal solche Saaten aus Argentinien eingeführt und damit Tatsachen geschaffen. Anhand dieser Ausgangslage gab es, beschreibt Lula in einer Reportage, „zwei Möglichkeiten: entweder die Aussaat von Gensoja verbieten und die Polizei solches Saatgut verbrennen lassen – ein furchtbares Bild für ein Land, in dem Hunger herrscht – oder Rahmenbedingungen für den Verkauf festlegen“.

Brasilien ist nach den USA weltweit der zweitgrößte Sojaproduzent. Der Präsident zeigte sich der Tatsache bewusst, diese Maßnahme könne Produzenten herkömmlicher Sojaerzeugnisse schaden und kündigte an, die Regierung sei „ernsthaft bestrebt, entsprechende Bestimmungen für die Etikettierung gentechnisch behandelten Sojas auf den Weg zu bringen“. Wie bei anderen Maßnahmen der Regierung stieß die Entscheidung für den Gebrauch von Gen-Soja bei den Organisationen, denen der ehemalige Metallarbeiter seine Wahl zum Präsidenten zu verdanken hat, auf erbitterten Protest. Umweltschutzorganisationen, Verbraucherverbände und die Partei der Grünen betrachten Lulas Dekret als verfassungswidrig und richteten Eingaben an den Obersten Gerichtshof.

Der Streit um die transgenen Pflanzen

Von Fray Sérgio Görgen

(Porto Alegre, 3. Oktober 2003, Alai).- Bei dem Streit innerhalb der brasilianischen Gesellschaft um die transgenen Pflanzen handelt es sich um viel mehr als die Einführung von Sojasamen. Brasilien muss in den nächsten Jahren entscheiden, wer die nationale Nahrungsmittelproduktion steuern wird. Dies wird sich zwischen der nationalen Landwirtschaft mit ihren kleinen und mittleren Betrieben und den großen Produktionseinheiten von riesigen Großgrundbesitzen, die technologisch, industriell und wirtschaftlich von einigen wenigen Multinationalen kontrolliert werden, entscheiden. Die Einführung von genmanipuliertem Saatgut, das von internationalen Konzernen patentiert ist, bedeutet den Sieg des zweiten Modells.

Die Umsetzung dieses Entwicklungsprojektes wird das Elend auf dem Land verbreiten und die Landflucht der Bevölkerung in die Städte fördern. Des weiteren wird die Konzentration des Kapitals und des Ackerlandes erhöht, die technologische Abhängigkeit des Landes gesteigert und Arbeitslosigkeit und Unruhe in der Bevölkerung wachsen. Außerdem wird dieses Modell zu einer Monopolisierung des Nahrungsmittelmarktes führen. Alle Nachteile des neoliberalen Systems, die schon jetzt das brasilianische Volk haben ausbluten lassen, werden sich verstärken. Das gleiche geschah mit der argentinischen Landwirtschaft in den letzten fünf Jahren.

Gegen diese Probleme kämpften die Linken in den letzen Jahren mit der Hilfe ihrer besten Mitglieder. Die Arbeiterpartei PT (Partido de los Trabajadores), die jetzt an der Macht ist und zur Verwirklichung der Träume der linken Parteien aufgerufen ist, kann nicht unter dem ersten Druck der Multinationalen in so einem strategisch wichtigen Bereich nachgeben.

Allerdings gibt es viele Widersprüche. Die Regierung kapitulierte unter dem Druck der vollendeten Tatsache, dass die Einführung von transgenem Material ohne Kontrolle erfolgen würde. Die Regierung könnte jetzt die Nahrungsmittelindustrie zwingen, die besonderen Eigenschaften der Produkte auf den Etiketten zu vermerken. Dies tut sie jedoch nicht.

Die Position der Regierung in solchen Themen trug zu einer politischen Niederlage der Anhänger der PT bei. Unter diesen findet man die ländlichen Sozialbewegungen, Umweltgruppen, Verbraucher und Ökobauern. Die Regierung lässt das Kapital zwischen den verschiedenen Phasen der landwirtschaftlichen Produktionskette frei fließen.

Die Wissenschaft überschritt eine neue Grenze mit der Möglichkeit, genetisches Material einer Art auf eine andere zu übertragen. Brasilien muss einen Weg wählen mit der neuen wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung umzugehen. Dieser bietet viele Chancen aber enthält auch viele Risiken. Es ist notwendig eine strenge staatliche Kontrolle mit eindeutigen Richtlinien hinsichtlich der Sicherheit bei genetischen Manipulationen einzuhalten. Die strikte Anwendung des Vorsorgeprinzips bei solch einer riskanten Technologie ist unabdingbar. Hiermit handelt es sich nicht um eine Einschränkung der Wissenschaft und ihrer Möglichkeiten, sondern um eine Förderung der Diskussion. Die Anwendung der wissenschaftlichen Erfindungen muss demokratisch kontrolliert werden, vor allem wenn ihre Ergebnisse auf dem Teller von Millionen von Menschen landen.

Brasilien scheint in dieser neuen Etappe der wissenschaftlichen Entwicklung den falschen Weg zu wählen. Dieser bedeutet den Schmuggel von Saatgut und von Unkrautvernichtungsmittel, die Entwicklung einer Politik der vollendeten Tatsachen, einen Mangel an staatlicher Kontrolle, eine Missachtung der gerichtlichen Entscheidungen, eine Unterwerfung im Interesse der Multinationalen und eine Verneinung der Verbraucherrechte. Des weiteren führt dieser Weg zu einer Vernachlässigung der öffentlichen Gesundheit und der Risikoforschung über Biotechnologie, sowie zu einem Eingriff in die Umwelt. Er zwingt den US-Agrarkonzern Monsanto nicht zu einer unabhängigen Evaluierung seiner Produkte.

Die provisorische Maßnahme der Regierung ist eine Katastrophe, aber nicht das Ende des Kampfes für die Verbraucherrechte. Europa genehmigte die Einführung der genmanipulierten Produkte Anfang der neunziger Jahre. Allerdings gewannen die Ökobauern und die Verbraucher nach einem zehnjährigen Kampf gegen diese Produkte. Heute sind transgene Erzeugnisse auf den europäischen Tellern fast vollständig verboten.

Der Druck der Bürger kann die Umsetzung dieses Technologiemodells und die Einführung dieser qualitätslosen Nahrungsmittel in Brasilien verhindern. Es gibt nichts moderneres als die Lebensqualität, die mit dem Essen und mit dem Respekt für die Natur, aus der alle unsere Lebenskräfte stammen, beginnt.

Fray Sérgio Görgen ist ein Franziskanerpriester und Landtagabgeordneter der PT in dem Bundesland Río Grande do Sul.

Mafia bedroht Bauern

(Montevideo, 12. September 2003, comcosur-poonal). – Das Verbrechersyndikat PCC (Primer Comando de la Capital) ist eine der mächtigsten Mafias Brasiliens und geht nun auch gegen die Bauern ohne Landbesitz vor. Letzte Woche drohte die Organisation zwei Anführern der Landlosenbewegung MST mit Mord.

Justizminister Marcio Thomaz Bastos sagte, dass „Beweise existieren, dass die Anführer des PCC ihre Schergen mit dem Mord an José Rainha und Felino Procopio dos Santos, beides Sprecher des MST und Häftlinge in einem Gefängnis im Staat Sao Paulo, beauftragt haben.“ Die beiden wurden nach bekannt werden der Nachricht der Morddrohung auf schnellstem Wege in ein anderes Gefängnis verlegt.

Bastos berichtete, dass „die MST-Anführer in der Strafanstalt ausreichende Garantien für Leben und Sicherheit haben.“ In dem Gefängnis sitzt ebenfalls der berüchtigte Fernandinho Beira-Mar ein, die Nummer Eins im Drogenhandel in Brasilien. Die beiden Bauernführer sind wegen Waffenbesitzes und des Eindringens der MST auf Großgrundbesitz inhaftiert.

ARGENTINIEN

Recht auf Intimität vor Recht auf Identität

(Monteviedeo, 3. Oktober 2003, púlsar).- Der Oberste Gerichtshof Argentiniens hat die Anordnung einer obligatorischen Blutentnahme für eine DNA-Analyse abgelehnt. Diese sollte zur Feststellung der Identität einer mutmaßlichen Tochter von vermissten Personen aus der Diktaturzeit dienen.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das Recht auf Intimität (Persönlichkeitssphäre) schwerer wiegt, als das Recht auf Identität. Womit die negativen Folgen für die junge Frau Evelyn Vázquez Ferré, welche in der Zeit der letzten Militärdiktatur auf illegale Weise adoptiert wurde, in Kauf genommen wurden.

Laut den „Großmüttern der Plaza de Mayo“ wurde Vázquez Ferrá auf unübliche Weise von einem Unteroffizier der Marine adoptiert, während ihre Mutter in einem der Folterzentren der Militärregierung gefangen gehalten wurde. „Die Mutter von Evelyn wurde, zusammen mit ihrem Ehemann, festgenommen, als sie im fünften Monat schwanger war. Es steht fest, dass sie das Kind im Folterzentrum der Höheren Militärschule der Armada, bekannt als ESMA gebar. Weiterhin ist bewiesen, das das Kind später adoptiert wurde“, teilte die Anwältin der „Großmütter der Plaza de Mayo“ der Presse mit.

Das Urteil des Gerichts, dass durch zahlreiche Korruptionsvorwürfe diskreditiert ist, wurde von den „Großmüttern der Plaza de Mayo“ abgelehnt. Sie erwägen einen politischen Prozess gegen die Kammer und eine Klage gegen den argentinischen Staat vor der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte.

Regierung entlässt Polizeichef

(Montevideo, 3.Oktober 2003, comcosur).- Der argentinische Präsident Néstor Kirchner hat die plötzliche Entlassung des Chefs der Landespolizei bestätigt. Die Entlassung erfolgte auf Grund der Verbindung des Mannes mit einem millionenschweren Bauprojekt, das dem Staat schweren Schaden verursachte.

Der Minister für Justiz, Sicherheit und Menschenrechte, Gustavo Béliz, informierte auf einer Pressekonferenz, dass „der Grund für die Entfernung aus dem Dienst … in einer Serie von Unregelmäßigkeiten liegt, die wir bei mehreren direkten Vertragsabschlüssen bemerkten“. Bei diesen Bauprojekten wurden Unternehmen von nahen Familienangehörigen – unter anderem seines Sohnes – kontrahiert, wobei es zu Informatikdienstleistungen für die Polizei in Höhe von 680.000 Dollar kam.

Diese Verträge kamen ohne die nötige Ausschreibung zustande und waren – um die Situation noch zu verschlimmern – zu weit überhöhten Preisen von bis zu 130.000 Dollar Differenz abgeschlossen. Die Beteiligten dieser Vorfälle wurde der Strafgerichtsbarkeit übergeben. Der Minister fügte hinzu, dass die getroffene Entscheidung beispielgebend für die Regierung im Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit sei.

CHILE

Entschädigungen für die Pehuenche

(Lima, 8. Oktober 2003, na-poonal).- Nach drei Prozessjahren, in denen es auch zu Straßenblockaden und Zusammenstößen mit der Polizei kam, wurden Mitte September zwei „Memoranden zur Verständigung“ zwischen vier Pehuenche-Familien und dem spanisch-transnationalen Unternehmen Endesa verabschiedet. Endesa wird ein Wasserkraftwerk am oberen Bío-Bío-Fluss 500 km südlich von Santiago bauen.

Der Staudamm Ralco, dessen Bau 1999 gerichtlich gestoppt wurde, wird mehr als 3000 ha Land überschwemmen, das 91 Pehuenche-Familien gehört. Nur vier Familien weigerten sich, das Angebot von Endesa, ihr Land gegen anderes einzutauschen, zu akzeptieren. Diese Familien werden von Berta Quintremán, Mercedes und Rosario Huenteao und Aurelia Marihuan angeführt.

Die neuen Vereinbarungen beinhalten eine Entschädigung von 285.000 US-Dollar und 77 ha Land für jede der vier Familien von Endesa. Gleichzeitig verpflichtete sich die Regierung, 1200 ha Land der Farm „Zukunft“ zu erwerben, die sich in der Umgebung befindet, und für die Familien finanzielle Unterstützung für Wohnungen zu zahlen. Die Pehuenche ihrerseits verzichten auf weitere rechtliche Schritte gegen Ralco, so dass der Bau fortgesetzt werden kann.

Schwulenbewegungen kämpfen für einen Platz im politischen Raum

(Santiago de Chile, 29. Sptember 2003, adital-poonal).- War es 1991 einzig die inzwischen nicht mehr bestehende Linkspartei Participación Democrática de Izquierda (PDI), die sich den sexuellen Minderheiten öffnete, so setzen sich inzwischen ganze vier Parteien für die Respektierung der Homosexuellen ein; Dutzende Parlamentarier*innen, Parteiführer*innen und Politiker*innen unterschiedlicher ideologischer Lager sind Vorschlägen aus der Schwulen-, Lesben- oder Transsexuellenbewegung gegenüber aufgeschlossen.

Es sind vor allem zwei Strategien, die diese Gruppen anwenden, um sich bei der Politik Gehör zu verschaffen: die erste ist die Verbündung mit Parlamentsabgeordneten, sowie Parteimitgliedern verschiedener Couleur oder Regierungsangehörigen; – allen voran benutzt diese Strategie die Schwulenbefreiungsbewegung Movimiento de Integración y Liberación Homosexual (Movilh). Die zweite, die zumindest bisher vorwiegend ausprobiert wurde, besteht in der Identifikation von Gruppen einer sexuellen Minderheit mit einer einzigen politischen Richtung (der Linken) oder einer Partei, von der aus man die gewünschten Veränderungen vorantreiben kann.

Nach Ansicht der Schwulenbewegung Opus Gay sind seit man auf die Parlamentsabgeordneten zugeht zwar einige wichtige Fortschritte für die Anerkennung Homosexueller im öffentlichen Leben erfolgt, jedoch ergaben sich durch diese Vorgehensweise auch Konflikte, etwa durch Rivalitäten unter den Kongreßmitgliedern, die mit den Zielen der Schwulen nichts zu tun haben und deren Durchsetzung erschweren.

Jetzt, wo sich die Kommunalwahlen für 2004 nähern und wo die Sozialistische Partei (die es schon geschafft hat, sich als Teilnehmer bei der Schwulenparade „Marcha 2003 del Orgullo Gay“ bei der Presse zu profilieren) die Schaffung eines „Schwulenarbeitskreises“ ankündigt, wo die Partei für Demokratie (PPD) sich bereiter zeigt denn je, bei der Wahlkampagne dem Führer der Movilh, Rolando Jiménez, eigene Auftritte zu ermöglichen, – jetzt ist der passende Moment Klartext zu reden im Bezug auf die öffentlichen und versteckten Verbindungen zwischen Homosexualität und politischer Macht.

Die verschiedenen Schwulenbewungen beklagen, bisher fehle der Unterstützung seitens Parteien und Institutionen ein Programm oder eine klare Vorgehensweise, die konkrete Schritte beinhalte, die von der politischen Konjunktur unabhängig seien.

Während die Einflussnahme auf Kongressabgeordnete durchaus schon etwas bewirkt hat, ist die Strategie von Movilh, auf die Regierung einzuwirken, nur teilweise von Erfolg gekrönt, da diese zwar sehr medienwirksam Versprechungen gemacht, aber bisher so gut wie keine Taten hat folgen lassen; darauf zu warten wäre vergeblich.

Rund 1 500 Personen kamen am 27 September bei der Schwulenparade „Marcha 2003 del Orgullo Gay“ zusammen. Die Redebeiträge, die eine stärkere Solidität spüren ließen als die der Vorjahre, drehten sich vor allem um zwei Forderungen: die Abschaffung des Paragraphen 373 des Strafgesetzbuches, der sittenwidriges Verhalten bestraft, und die Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes.

Der bunte, vom Wagen der chilenischen Aidshilfe „Sidacción“ angeführte Umzug, bei dem Organisationen von Schwulen, Lesben und Transsexuellen vertreten waren, führte mit der typischen Popmusikbeschallung von der Plaza Italia durch mit dem Regenbogen „beflaggte“ Straßen bis zum Parque Almagro.

PARAGUAY

Konfrontation zwischen Landarbeiter*innen und Polizei

(Montevideo, 3.Oktober 2003, comcosur).- Ein Toter Campesino und mehrere Verletzte sind die traurige Bilanz neuer Zusammenstösse zwischen Landarbeiter*innen und Sicherheitskräften. Die Zusammenstösse ereigneten sich, als die Polizei versuchte, im Bezirk Alta Paraná eine Hacienda von vermeintlichen Eindringlingen zu räumen. In einer Erklärung sagte der Landarbeiter Esteban Benítez, dass „der Genosse Miguel Peralta durch eine Kugel starb, die von den Polizisten abgefeuert wurde und das weitere fünf schwer verletzt sind“.

Er fügte hinzu, dass die geräumten Gebiete nicht zur Hacienda gehören: „Es ist ein staatliches Landstück, dass wir mit 160 Familien seit fünf Jahren besetzt halten. Unser Anwesen oder Gebiet nennt man ,saubere Aufgabe' und wir sind gekommen, um die Übergabe des Grundstücks von der Regierung zu erkämpfen“. Er erklärte weiter, dass „die Familie von General Adler Duarte dieses Land beansprucht, weil sie annimmt, dass in den 70er Jahren der Diktator Alfredo Stroessner (1954-1989) ihnen 38.000 Hektar zugeteilt hatte“. Die nationale Arbeitergewerkschaft CNT erklärte ihre Ablehnung der Polizeigewalt und ihre „Solidarität mit den Bauern“. Ein Sprecher kritisierten den Präsidenten Nicanor Duarte bereits, weil er auf der einen Seite sagt, dass „die Landarbeiter eigenes Land zur Bearbeitung bekommen werden“ und auf der anderen Seite „die Polizei anweist, die Bauern mit Projektilen voll zu pumpen“.

 

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