Nationalpark durch Tourismusunternehmen gefährdet

von Orsetta Bellani

(Lima, 16. Januar 2013, noticias aliadas).- Das Naturschutzgebiet Tayrona an der kolumbianischen Karibikküste ist ein perfekt erhalten gebliebenes Areal. Jedes Jahr besuchen rund 240.000 Tourist*innen den Nationalpark, um sich an den langen Stränden, dem kristallklaren Wasser und den verschlungenen Pfaden durch den Regenwald zu erfreuen.

Von ein paar Jahren sind seltsame gelbe Farbmarkierungen an Bäumen und Steinen im Park aufgetaucht. César, einer der Guides des Parks ist sicher, dass das transnationale thailändische Touristikunternehmen Six Senses „topografische Referenzpunkte markiert, um ein Luxushotel zu bauen. Es sah so aus, als habe das Unternehmen das Projekt fallen gelassen, doch seit September 2012 gibt es wieder neue Gerüchte zum Thema.“

Familie des Präsidenten beteiligt

Als der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos im September ankündigte, dass Six Senses – über ihre kolumbianische Tochtergesellschaft Arrecifes SA – plane, in Tayrona ein sieben-Sterne-Hotel zu bauen, wurden die Umweltschützer*innen aktiv. Schon einen Monat darauf erklärte der damalige Umweltminister Frank Pearl das Projekt für „gestorben“.

Pearl erwähnte dabei aber nicht die Umweltprobleme, die der Bau eines Hotels in einem Schutzgebiet mit sich bringen würde; er sprach auch nicht von den vier indigenen Völkern in der Sierra Nevada die, gemäß der kolumbianischen Verfassung, befragt werden müssen, bevor Entscheidungen über die Nutzung ihres Bodens gefällt werden. Entscheidend war vielmehr die Entscheidung des Ministerrates, kein Projekt zu beginnen, das mit Familienangehörigen des Staatschefs zu tun hat. Und an diesem Projekt waren damals der Bruder des Präsidenten Felipe Santos und dessen Neffe Francisco Santos beteiligt.

Dessen ungeachtet gab die Rechtsvertreterin von Arrecifes SA, Claudia Dávila, am 4. Oktober 2012 der kolumbianischen Tageszeitung El Espectador gegenüber zu, dass bereits zwei Millionen US-Dollar in Gutachten zum Bau des Hotels investiert worden sind. Wenn man erstmal im Besitz der Umweltverträglichkeitslizenz sei, werde das Projekt in drei Jahren abgeschlossen sein.

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Firma Arrecifes SA wurde im März gegründet mit dem Ziel, Ökotourismusprojekte zu entwickeln. „Arrecifes SA besitzt bereits ein Hotel im Naturpark, aber sie sagen, dass sie ‚Herbergen‘ unterhalten, um die Hoteltätigkeit zu verschleiern, weil das verboten ist“, beklagt Yolima Vargas Garzón, Bloggerin bei El Espectador und kolumbianische Umweltaktivistin. „Außerdem bringt Arrecifes SA Schnellboote und Yachten in die Gewässer des Schutzgebietes; dadurch werden die Korallenriffs beschädigt und das Wasser verschmutzt“.

Arrecifes SA gehört der Daabon-Gruppe an, die wiederum zu zehn Prozent der Familie Dávila Abondano gehört, die in verschiedene Skandale verwickelt ist: das Auslaufen von Palmöl 2008 in der Bucht von Taganga bei Santa Marta; der Bau des Hafens in derselben Stadt, 2011 eingeweiht, der die Meeresströmung verändert und so Überschwemmungen verursacht hat; und 2006 der Kauf des Anwesens Las Pavas, dessen Gelände gerade im Begriff war, an Bauern zurückgegeben zu werden. Diese waren zuvor von Paramilitärs von dem Land vertrieben worden. Darüber hinaus, so das kolumbianische Nachrichtenportal La Silla Vacia, hat die Familie Dávila Abondano 2,1 Millionen Dollar von Agro Ingreso Seguro erhalten; das Programm der Regierung von Álvaro Uribe (2002-2010) sollte der finanziellen Unterstützung von Landwirten dienen.

Und selbstverständlich ist die Familie Dávila Abondano Eigentümerin des Geländes, auf dem der Hotelbau geplant ist. „Unseren Besitz haben wir 1958 durch den Zuschlag des Landwirtschaftsministeriums erhalten“, erklärte Dávila am 5. Oktober in einem Interview mit El Espectador: „Es ist ein privates Gelände, auf dem es gesetzlich erlaubt ist, ökotouristische Projekte zu entwickeln. 2010 haben wir uns mit Six Senses getroffen und vereinbart, dass sie das Gelände bewirtschaften sollen“.

Der Nationalpark Tayrona ist eine der bekanntesten Gegenden Kolumbiens im Ausland und zudem der Ort, der den Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez zu seinem Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ inspiriert hat. Dennoch gehört der Park nicht etwa der kolumbianischen Bevölkerung, sondern einigen einflussreichen Familien in dem Gebiet. Dazu gehört eben die Familie Dávila Abondano, die das Gelände 1958 vom damaligen Kolumbianischen Institut für Agrarreform erhalten hat – kurz bevor das Gesetz Nummer zwei von 1959 den Staat dazu gezwungen hätte, das Land an arme Bauern zu geben.

Nationalpark in Händen von Privatpersonen

Über 90 Prozent des Parks Tayrona gehört Privatpersonen. 2008 führte der Anwalt Filipo Burgos eine Untersuchung durch und schätzte die Zahl der Eigentümer*innen auf 260. Doch am 23. August 2012 teilte das Umweltministerium nach einer Überprüfung der Landtitel mit, dass nur 20 der Grundstücke im Nationalpark legal sind. „Zu den illegalen Grundstücken gehört das von Tequendama CI, einer Firma der Daabon-Gruppe, die die Ländereien für Viehwirtschaft genutzt hat, was in Naturschutzgebieten verboten ist. Auch Arrecifes SA ist dabei, einige Ländereien im Naturpark an den Staat zurück zu geben“, erläuterte Vargas Garzón gegenüber Noticias Aliadas.

Während Arrecifes SA darauf wartet, dass das Umweltministerium die Rahmenbedingungen für das Projekt definiert, damit das Unternehmen die Umweltlizenz beantragen kann, wünschen sich die kolumbianischen Umweltschützer*innen eigentlich nur eins: dass die Regierung die Privatgrundstücke in Tayrona enteignet und das Dekret Nummer 622 aus dem Jahr 1977 anwendet, das ausdrücklich das Hotelgewerbe in den Nationalparks untersagt.

Park für Indigene „nicht verhandelbar“

Eine weitere Hürde, die das Unternehmen überwinden muss, ist der Widerstand der indigenen Gemeinden, die dort leben. Erst vor kurzem hat Arrecifes SA ein Video veröffentlicht, das am 20. und 21. Oktober 2012 aufgenommen wurde und in dem die Kaziken der Koguis, Arhuacos und Wiwas das Hotelprojekt unterstützen. Doch für Vargas Garzón „hat die Unterschrift keinerlei Wert, da es keine formelle vorhergehende Befragung gegeben hat. Zwar kann man das als Kontaktaufnahme werten, aber sie war arglistig: Arrecifes SA hat mit Anführern gesprochen, die nicht einmal Spanisch sprechen können.“

Am 28. Oktober 2012 haben die Kankuamo – die einzigen in der Sierra Nevada, die nicht an der Versammlung teilgenommen hatten – eine Erklärung veröffentlicht. Darin bestehen sie darauf, dass „die heiligen Orte unberührbar und nicht verhandelbar“ seien. Zudem erklärten sie, dass „diese Aktivität nicht mit den vier Völkern der Sierra Nevada abgesprochen wurde, was aber Grundvoraussetzung ist, um für ein Projekt zu bürgen, dass heilige Plätze beeinträchtigt“.

 

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