Mexiko: Öffentliche Forschungsgelder für Multinationale

(Mexiko-Stadt, 2. Februar 2019, La Jornada).- Am 15. Januar 2019 machte Elena Álvarez-Buylla, die neue Direktorin des Nationalen Wissenschafts- und Technologierates Conacyt, bekannt, dass diese Einrichtung in der vorausgegangenen Regierungsperiode etwa 50 Milliarden Pesos (etwa 2,3 Milliarden Euro) an Privatunternehmen vergeben hat; in Form von Subventionen, Steuervorteilen und anderen Privilegien. Über „Forschungsprojekte“ schluckten sie öffentliche Gelder. Bei vielen davon handelte es sich um große multinationale Unternehmen, wie Monsanto und andere Gentec-Unternehmen, Pharma-Giganten wie Bayer und Sanofi-Aventis, Chemie-Multis wie Dow Chemicals, Autokonglomerate wie Ford und General Motors, globale IT-Firmen wie Intel, IBM und Samsung. Zu diesen unerklärlichen direkten Subventionen kommt hinzu, dass die Projekte vielfach mit Hilfe von Universitäten und öffentlichen Forschungseinrichtungen durchgeführt werden. Weit davon entfernt, für diese von Nutzen zu sein, wird so der ungerechtfertigte Einfluss der Multis auf Forschungsprogramme erleichtert. Die Multinationalen nehmen die vorhandene Infrastruktur sowie die vom Staat finanzierte Ausbildung und Arbeit von Forscher*innen, Dozent*innen und Studierenden in Anspruch und erhalten so zusätzliche Unterstützung. Das Programm für Innovationsanreize PEI des Conacyt vergab zwischen 2009 und 2017 etwa 24,5 Milliarden Pesos (ca. 1,1 Mrd. Euro) an staatlichen Subventionen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Davon gingen 7,37 Milliarden Pesos (knapp 340 Millionen Euro) an 512 große Unternehmen. Mehrheitlich wird das Geld für die ureigene Interessen der Unternehmen verwendet. So werden Aktivitäten wie Praxistests von Medikamenten oder die Bewertung von Gentechnikprodukten bezahlt, die die Firmen ohnehin für den Markteintritt hätten durchführen müssen.

Gentechnologie in der Landwirtschaft: Millionen für Monsanto, DuPont, Bayer & Co

Der Fall der Multis aus der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie ist besonders empörend. Denn die Subventionen fließen an die größten globalen Saatgutunternehmen und werden vor allem für die Arbeit mit Mais eingesetzt. So subventioniert Mexiko als Ursprungsland des Mais´, Saatgut- und Ackergift-Multis mit öffentlichen Geldern, die sich nicht nur den mexikanischen Mais-Markt angeeignet haben, sondern auch mit ihren Sorten, die einheimischen Maissorten und die Felder verunreinigen.

Von 2009 bis 2017 erhielten Monsanto, PHI México (im Besitz von DuPont), Dow Agrosciences, die Landwirtschaftssparte von Bayer und das Saatgutunternehmen Harris Moran zusammen über 50 Millionen Pesos (ca. 2,3 Mio. Euro). Die Projekte umfassten vor allem die Entwicklung neuer gentechnisch veränderter Mais-Konstrukte, Pflanzenvernichtungsmittel gegen widerstandsfähiges Unkraut beim Maisanbau sowie den Anbau von Sorghum und anderer Pflanzungen. Dow erhielt mehr als eine Million Pesos (knapp 46.000 Euro) rückzahlungsfreier Zuschüsse, um seine ersten Konstrukte gentechnisch veränderter Organismen (GVO) zu evaluieren. Zusammengefasst: öffentliche Gelder, um -mit GVO, Hybridpflanzen und Ackergiften für den Mais- Geschäfte zu machen. Diese Aktivitäten stehen im Widerspruch zu den Interessen der Campesines, die den Mais erzeugen und zu den Aufgaben, die öffentliche Institutionen, wie die Nationale Behörde für Wald-, Land- und Viehwirtschaftliche Forschungen INIFAP, erfüllen müssten, um die Produktion mit einheimischem Saatgut zu verbessern.

Im selben Zeitraum übergab das PEI 5,3 Millionen Pesos (ca. 242.000 Euro) an Barcel/Bimbo, 42,7 Millionen Pesos (knapp zwei Millionen Euro) an Gamesa und 5,8 Millionen Pesos (ca. 265.000 Euro) an Sabritas (diese Unternehmen produzieren vor allem Weißbrot und Snacks, Anm.d.Ü.). Die beiden letztgenannten Firmen sind Eigentum des multinationalen Unternehmens PepsiCo, das darüber hinaus weitere 4,3 Millionen Pesos (knapp 200.000 Euro) an öffentlichen Gelder einstrich. Mit anderen Worten: mehr als 57 Millionen Pesos (ca. 2,6 Millionen Euro) gingen an PepsiCo, einem der weltweit führenden Hersteller von Getränken und Junkfood. 50,4 Millionen Pesos (ca. 2,3 Millionen Euro) gingen zudem an Conagra, einem Multi mit Hauptsitz in den USA und ein Gigant in der Lebensmittelindustrie. Auch Multis mit mexikanischem Ursprung erhielten Subventionen. Darunter Bachoco (Hühnerfarmen) und Minsa (Maisindustrie) mit zusammen 9,1 Millionen Pesos (ca. 420.000 Euro). Agroindustrias Unidas de México (Miteigentümerin des Schweinemastbetriebes Granjas Carroll) erhielt über 15 Millionen Pesos (ca. 700.000 Euro) und Agromod, Unternehmen (des AMLO-Vertrauten, Anm.d.Ü.) Alfonso Romo, knapp 32 Millionen Pesos (knapp 1,5 Mio. Euro).

Absurd ist genauso der Fall der Pharma-Multis. Das Programm für Innovationsanreize übergab Dutzende Millionen Pesos an die weltweit führenden Pharmamultis wie Merck, Novartis, Sanofi, Bayer, Boehringer Ingelheim. Diese Industrie hat die prozentual größten Gewinnmargen aller Industriebranchen und ist bekannt für ihre fehlenden Innovationen. Mit angeblich neuen Produkten, die leicht veränderte Kopien ihrer Vorgänger sind, verlängern sie die Dauer ihrer Patente und verhindern den Zugang zu günstigen Medikamenten.

Die „innovativen Privatwirtschaft“ ist ein Mythos

Anders als es uns der Mythos, dass die technologischen Innovationen aus dem Privatsektor kommen und er deshalb unterstützt werden müsse, glauben machen will, zeigt die Geschichte das Gegenteil auf. Alle großen Innovationen der vergangenen Jahrzehnte sind von öffentlichen Einrichtungen entwickelt worden: Internet, GPS, Touchscreens und die softwaregeleitete Sprachassistenz, ohne die wir weder Smartphones noch viele andere Apparate hätten, die heute die Grundlage für den Digital- und Kommunikationsbereich darstellen. Gleiches gilt für andere Branchen einschließlich der Bio- und der Nanotechnologie (Mariana Mazzucato, The Entrepreneurial State, 2011).

Die Multis haben diese Erneuerungen übernommen und für ihren Profit privatisiert, mit Hilfe von Patenten auf oligopolistischen Märkten. So schaffen sie Abhängigkeit und hemmen -im Gegensatz zum bestehenden Mythos- die Innovation. Darum ist es fundamental, dass der Conacyt das bestehende Subventionsprogramm PEI abschafft und überlegt, welche Aktivitäten und Forschungen es stattdessen unterstützt und zwar im Sinne der Notwendigkeiten und zum Vorteil der Mehrheit der mexikanischen Bevölkerung.

Silvia Ribeiro ist Forscherin der ETC Group.

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