Gates & Slim und Saatgut – Der Dollarschatten der Grünen Revolution

von Silvia Ribeiro*

(Mexiko-Stadt, 23. Februar 2013, la jornada-poonal).- Bill Gates und Carlos Slim, die beiden reichsten Individuen der Welt, eröffneten am 13. Februar einen neuen biowissenschaftlichen Komplex (für GVO-Forschung und andere Biotechnologien) im Internationalen Zentrum für die Mais- und Getreideverbesserung CIMMYT (International Maize and Wheat Improvement Center) in Texcoco, Bundesstaat Mexiko.

Neue „Grüne Revolution“ à la Slim & Gates

Die Slim-Stiftung trägt 25 Millionen US-Dollar zur Finanzierung bei. Die Stiftung von Bill und Melinda Gates gehörte bereits vorher zu den Geldgebern des CIMMYT. Sie schließt sich dieser Initiative an, um zu erreichen, dass die Landwirt*innen der Dritten Welt Transgene und anderes Hochtechnologie-Saatgut ausbringen sowie Handys und Computer nutzen, „um sich über die Wetterbedingungen und die Veränderung der Märkte zu informieren“.

Die beiden Magnaten kündigten an, „die landwirtschaftliche Entwicklung in der Welt“ von Mexiko aus mit einer neuen „Grünen Revolution“ anzuführen. Damit nahmen sie Bezug auf den vom CIMMYT vor mehr als 50 Jahren begonnenen Kreuzzug für die Einführung von Hybridsaatgut, Maschinenparks und Agrogiften.

Dies ermöglichte den Chemiekonzernen und dem Agrobusiness den Sturmangriff auf die Landwirtschaft. Was sie nicht erwähnten: Diese erste Grüne Revolution steigerte zwar das Produktionsvolumen einiger Getreidesorten, die auf ebenen und bewässerten Flächen angebaut wurden, hinterließ uns aber ein verheerendes Panorama mit verseuchten Gewässern, ausgelaugten Böden, enormer Bodenerosion, Millionen missgebildeter Kinder, die von Geburt an mit Rückständen von Agrogiften im Blut leben müssen sowie Landvertreibungen.

Ebenso wenig löste diese Revolution den Hunger in der Welt. Der Hunger ist kein technologisches sondern ein ökonomisches Problem, das mit sozialer Gerechtigkeit zu tun hat.

Heute ist die Hälfte der Welt – dank der Kaperung des globalen landwirtschaftlichen Ernährungssystems durch die Konzerne, bei der die „Grüne Revolution“ eine Schlüsselrolle spielte – schlecht ernährt: Sie leidet entweder unter Hunger oder Mangelernährung oder Fettleibigkeit.

Etwa die Hälfte der Treibhausgase, die den Klimawandel verursachen, sind dem agroindustriellen Ernährungsmodell geschuldet. Gerade dieses soll mit dem paradoxen Argument ausgeweitet werden, es werde Saatgut entwickelt, das gegen den Klimawandel resistent ist.

Hungerbekämpfung als Vorwand für Aneignung

Diese mediale „Show“ der um die Armen „besorgten“ Superreichen wird noch zynischer in einem Moment, in dem das Risiko der Kontaminierung des Ursprungszentrums des Mais durch die drohende kommerzielle Freigabe von Genmais in Mexiko und anderen mittelamerikanischen Ländern besteht. Dagegen gibt es den entschlossenen und breiten Widerstand jener Völker, die den Mais geschaffen haben.

Weit entfernt von der Rhetorik, den Hunger in der Welt zu bekämpfen, geht es darum, die genetische Manipulation von Mais und Weizen, von zwei der drei wichtigsten Grundnahrungsmittel für die Welternährung, zu rechtfertigen und die Aneignung durch die Multis noch mehr zu erleichtern. Sowohl das CIMMYT als auch Bill Gates pflegen eifrige Beziehungen mit Monsanto, Syngenta, DuPont-Pioneer, BASF, Dow und Bayer – jenen Unternehmen, die hundert Prozent des Genpflanzen-Anbaus weltweit kontrollieren und gleichzeitig die sechs größten Fabrikanten von Agrogiften sind.

Der Fuchs erteilt den Hühnern Unterricht

Die Gates-Stiftung ist seit 2010 Anteilseignerin von Monsanto. Damals erwarb sie 500.000 Aktien. Monsanto ist zudem Nutznießer millionenschwerer Programme der Gates-Stiftung für die Entwicklung von angeblich dürreresistentem Genmais in Afrika.

Alle Gentechnik-Unternehmen haben davon profitiert, mit CIMMYT oder ähnlichen Zentren, die dem Netzwerk der Beratungsgruppe für Internationale Agrarforschung CCGIAR (Consultative Group on International Agricultural Research) angehören, an von der Gates-Stiftung finanzierten Programmen teilzunehmen. Sei es, um gentechnisch veränderte Organismen zu entwickeln oder sei es, um ihr sonstiges Saatgut, ihre Agrargifte und ihre Technologien zu befördern.

Mit Asgrow, einem zu Monsanto gehörenden Unternehmen, arbeitet CIMMYT im Programm Erhaltungslandwirtschaft. Monsanto hat eine lange Geschichte als Giftfabrikant an, der für die Zerstörung von vielen Millionen Hektar Böden verantwortlich ist. So betrachtet, erteilt der Fuchs den Hühnern Unterricht. Das CIMMYT hat auch Vereinbarungen mit Syngenta und Monsanto getroffen, um Mais und andere Genpflanzen zu entwickeln.

Genmais für Kleinbauern in Afrika und Asien

Die nach tausenden zählenden Saatgutvarietäten von Mais und Weizen, die das CIMMYT in seinen Genbanken aufbewahrt – und die die Grundlage für die Experimente in dem neuen biowissenschaftlichen Komplex sind – wurden ursprünglich von Bäuerinnen und Bauern in der ganzen Welt geerntet. Denn diese sind es, die die Vielfalt geschaffen haben, sie aufrechterhalten und dies weiterhin tun werden. Dieses Saatgut zu manipulieren und zu patentieren stellt einen Überfall auf das Allgemeingut der Völker dar. Dieser ist umso paradoxer, weil Anbauprodukte geschaffen werden, die die Zahl der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen weiter verringern werden.

Kurioserweise ist dies die Ausgangsposition, von der aus die Großmonopolisten (Slim im Bereich der Telekommunikation, Bill Gates und Monsanto mit der historisch gesehen brutalsten Monopolmacht – mit Microsoft bzw. den GVO besitzen sie einen Marktanteil von nahezu 90 Prozent in ihren jeweiligen Branchen) erklären, den Genmais den Kleinbauern und Kleinbäuerinnen in Afrika und Asien zur Verfügung stellen zu wollen, ohne dass sie dafür Patente zahlen müssen.

Ex-Präsident Zedillo ist Berater der Gates-Stiftung

Der CIMMYT-Direktor erläutert das so: Es soll sich um transgene Eigenschaften handeln, die länger als 15 Jahre genutzt wurden und deren Patente auslaufen werden. Das CIMMYT kann sie in seinem Labor recyceln und damit den armen Campesinos Gutes tun.

Anders gesagt: Den Bauern und Bäuerinnen könnte Genmais von jener Art zur Verfügung gestellt werden, wie er in Mexiko freigegeben werden soll und in mehreren europäischen Ländern aufgrund von Umweltschäden und der möglichen Förderung der Tumorbildung verboten ist. Wie großzügig.

Aber natürlich. Erinnern wir uns daran, dass der mexikanische Berater für das globale Entwicklungsprogramm von Gates der ehemalige Präsident Mexikos, Ernesto Zedillo ist. Dieser schaffte die Einfuhrzölle für Mais ab, die Mexiko laut NAFTA zustanden, um die nationale Produktion zu schützen.

Zudem weiß er, wie die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen der Maisvölker zu behandeln sind. Als Beleg reicht Acteal.

*Forscherin der ETC-Group

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