Dringende Umwelt-Aufgaben für 2023

(Mexiko-Stadt, 14. Januar 2023, desinformémonos).- Ein Fischer verlässt mit seinen Kahn die Zihuatanejo-Bucht. Seit seiner Kindheit fischt er vor der Küste Guerreros. Dort draußen, während sein Boot auf den Wellen des mexikanischen Pazifiks schaukelt, erzählt er, dass es in den letzten Jahren immer schwerer wurde, Fächerfische oder Goldmakrelen zu fangen. Er berichtet auch, dass seit einiger Zeit ein Großteil der illegalen Fischerei, die mit verbotenen Fischnetzen durchgeführt wird, von Mitgliedern der „maña“ kontrolliert wird. „Maña“ ist die regionale Bezeichnung für die Gruppierungen der organisierten Kriminalität. Die „maña“ lasse sich durch keine Autorität aufhalten, fügt er an. In einigen Gegenden an der Pazifikküste in Guerrero sind es sogar die Mitglieder dieser Gruppierungen, die entscheiden, wer fischen darf und wer nicht.

Ein paar Wochen zuvor haben andere Stimmen auf das aufmerksam gemacht, was im Landesinneren geschieht: In einem Brief an die Nationale Kommission für geschützte Naturareale (Comisión Nacional de Áreas Naturales Protegidas- Conanp,) hat die Organisation Montañistas Unidos (Vereinte Bergsteiger) darauf aufmerksam gemacht, dass erste Naturschutzgebiete bereits unter die Kontrolle des organisierten Verbrechens geraten. In ihrem Schreiben teilten sie unter anderem mit, dass im Nationalpark Pico de Orizaba im Bundesstaat Veracruz teils bewaffnete Personen Geld von denjenigen verlangen, die diesen Ort besuchen wollen.

Die Erzählungen des Fischers und der Bergsteiger skizzieren den Kontext der ökologischen Herausforderungen, denen sich Mexiko im Jahr 2023 gegenübersieht. Viele dieser Probleme sind nicht neu. Einige haben sich aufgrund der fehlenden Gelder für den Umweltsektor und aufgrund der Geringschätzung gegenüber der Natur jedoch verschärft.

1. Ziel: Die Gewalt gegen Umweltschützer*innen stoppen

Mexiko ist laut Global Witness-Bericht von September 2022 einer der gefährlichsten Orte weltweit für Umwelt- und Naturschützer*innen. Zwischen 2012 und 2021 wurden in Mexiko 154 tödliche Angriffe auf Umweltschützer*innen registriert; davon 131 zwischen 2017 und 2021. Hinsichtlich der gewalttätigen Angriffe auf Naturschützer*innen führte Mexiko im Jahr 2021 die Liste an. Global Witness spricht von 54 Fällen allein im Jahr 2021. Tomás Severino Ortega, Direktor der Nicht-Regierungsorganisation Cultura Ecológica der Initiative Acceso México, benennt den Schutz vom Umweltschützer*innen als eine der größten Herausforderungen für das Land. Dafür, betont er, müsse Mexiko an der Implementierung des Escazú-Abkommens arbeiten, das seit April 2021 in Lateinamerika und der Karibik in Kraft ist. Es ist das erste Abkommen weltweit, das auch die Menschenrechtsverteidiger*innen in Umweltfragen berücksichtigt und die Staaten dazu verpflichtet, diese zu schützen: Laut Artikel 9 des Abkommen muss „ein angemessenes und sicheres Umfeld [garantiert werden], in dem Personen, Gruppen und Organisationen, die die Menschenrechte in Umweltangelegenheiten fördern und verteidigen, ohne Bedrohungen, Einschränkungen und ohne Unsicherheit arbeiten können“.

Wir brauchen einen radikalen Umbruch in der Politik“

Gustavo Alanís, Direktor des Mexikanischen Zentrums für Umweltrecht (Centro Mexicano de Derecho Ambiental – Cemda), betont die Notwendigkeit einer Überprüfung und Stärkung der derzeitigen Schutzmechanismen für Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen. Voraussetzung dafür ist das notwendige Personal und Budget – das wiederum vom Innenministerium abhängig ist. Unter der Regierung von Andrés Manuel López Obrador „stehen weniger Ressourcen und Kapazitäten zur Verfügung, weshalb die Voraussetzungen zur Erfüllung des Schutzauftrags nicht gegeben sind“, fügt Tomás Severino hinzu. „Das derzeitige Vorgehen reagiert eher, als dass es präventiv ausgerichtet ist. Deshalb greift es immer zu spät.“ Für den Direktor von Cultura Ecológica ist einerseits die Implementierung eines präventiven Vorgehens zentral. Daneben sollte jedoch auch danach gestrebt werden, Artikel 9 des Abkommens zu erfüllen: „Wenn wir weniger Gewalt und Umweltzerstörung wollen, müssen politische Prozesse beratender, demokratischer und weniger mit dem Fokus auf Machtzuwachs gedacht werden.“ Gustavo Alanís schließt sich den Aussagen Severinos an: „Wir brauchen einen radikalen Umbruch in der Politik, damit die Menschenrechts- und Umweltschützer*innen ihre Arbeit in einem geschützten Umfeld ausüben können.“

Als Folge der Sparmaßnahmen wird der staatliche Einfluss im Umweltschutz immer geringer

Im Jahr 2023 ist die Umsetzung des Abkommens von Escazú nicht nur zum Schutz der Verteidiger*innen lebensnotwendig, sondern auch, um mehr Umweltgerechtigkeit, den Zugang zu Information und die Bürgerbeteiligung zu garantieren. Mexiko – betont Alanís – sollte in Lateinamerika mit guten Beispiel voran gehen und die notwendigen Reformen zur Umsetzung des Escazú-Abkommens durchführen, „damit es nicht nur bei einem Protokoll auf einem Stück Papier bleibt, das nicht eingehalten wird“. Severino fügt dem hinzu, dass die Aufgabe der Umsetzung des Abkommens von Escazú keinesfalls einfach sein wird, hauptsächlich weil „noch immer der Extraktivismus gefördert wird“. Der Staat hat immer weniger Einfluss auf den Umweltsektor, und es ist eine zunehmende Militarisierung von großen infrastrukturellen Projekten zu beobachten, wie etwa im Falle des sogenannten Tren Maya. Dieser soll, trotz aller Kritiken, laut der Bundesregierung Ende des Jahres eingeweiht werden. Rosa Marina Flores Cruz von der Indigenen Allianz des Isthmus für den Schutz der Erde und der Landschaft (Alianza de Pueblos Indígenas del Istmo en Defensa de la Tierra y del Territorio) und vom Netzwerk Indigene Zukunft (Red Futuros Indígenas ) teilt Severinos Einschätzung. Die Megaprojekte der Bundesregierung würden alle „mit der gleichen extraktivistischen und invasiven Logik vorangetrieben; alle nehmen die radikale Transformation der Landschaft in Kauf“, so Flores.

2. Ziel: Die Naturschutzgebiete stärken

 

Im Jahr 2023 beträgt der Etat für den Umweltsektor 75 627 Millionen Pesos (ca. 3.680.000 €). Diese Summe ist ein beträchtlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahresetat, der nur 40 795 Millionen Pesos (ca 2.000.000 €) betrug. Aber: 90,5% des Budgets gehen an die Nationale Wasserkommission Conagua. In den letzten Jahren war Conagua der einzige Bereich im Umweltsektor, der einen signifikanten Anstieg der vorhandenen Mittel verzeichnen konnte. Trotzdem konnte sie weder die Hamsterkäufe für Wasserkonzessionen noch die illegalen Brunnen stoppen oder Außenstände für die Wassernutzung eintreiben. Ein Großteil des Budgets fließt in den Ausbau der hydraulischen Infrastruktur und die Abwasseraufbereitung. Dadurch „vergisst die Exekutive, ein integriertes Management der hydraulischen Becken anzustoßen, das ein großes Einsparpotenzial bei der Wasseraufbereitung ermöglichen würde. Gleichzeitig könnten auch die Einnahmen gesteigert und die Lebensqualität in ländlichen Gebieten verbessert werden“, betont der Mexikanische Nachhaltigkeitsrat (Consejo Civil Mexicano para la Silvicultura Sostenible – CCMSS) in seiner Studie über die Verwendung der Gelder im Umweltsektor in den vergangenen fünf Jahren.

Nur 1,2 Prozent des Etats bleiben für die Pflege der Schutzgebiete

Das Etat für Conagua außen vorgenommen, stehen dem Umweltsektor 7 141 Millionen Pesos (ca. 348 000 €) für das Jahr 2023 zur Verfügung. „Dem Umweltsektor werden weiterhin nur prekäre Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt, die den einzelnen Abteilungen nur sehr limitierte Handlungsspielräume ermöglichen. Dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf die ländlichen Gebiete und seine Bewohner“, hebt der CCMSS in seiner Analyse des Etats hervor. Für Dr. Luis Zambrano, Professor an der Fakultät für Biologie der UNAM, ist eine der größten Herausforderungen für das Land die Wiederherstellung der Umweltinstitute, die in der Vergangenheit stillgelegt worden sind: „Was wir brauchen, sind große Institutionen, die wirklich die Umwelt beschützen“. Vom Gesamtetat für den Umweltsektor im Jahr 2023 gehen nur 1,2 Prozent an den Conanp. Damit soll die Institution nun den Erhalt der nationalen Naturschutzgebiete garantieren, die etwa 33 Prozent der Landesfläche ausmachen (ca. 11 Prozent des Bodens sowie 22 Prozent der Meeresfläche). Laut dem Verband „Nordwestliche Zivilgemeinschaft für ökologische Nachhaltigkeit (Noroeste Sociedad Civil para la Sustentabilidad Ambiental – NOSSA) stehen also weniger als 0,50€ pro Hektar für die Pflege und den Erhalt der Naturschutzgebiete zur Verfügung. Die Mitglieder des Verbands, dem sieben Nichtregierungsorganisationen angehören, weisen darauf hin, dass durch „die Sparmaßnahmen […] Konservierung, Restauration und Schutz und die Nachhaltigkeit der kommunalen Projekte innerhalb der Naturschutzgebiete“ nicht gewährleistet seien – mit üblen Folgen für die Gesundheit der Umwelt als auch das Wohlergehen der Gesellschaft als Ganzes.

Kaum Geld für Umweltrecht

Auch der Bundesstaatsanwaltschaft für Umweltschutz (Procuraduría Federal de Protección al Ambiente – Profepa), die für die Umsetzung des Umweltrechts in Mexiko zuständig ist, stehen knappe Mittel zur Verfügung. Dazu erklärte Alejandro Olivera vom Zentrum für Biodiversität in Mexiko (Centro para la Diversidad Biológica), die Profepa nur mit den nötigsten finanziellen Mitteln auszustatten werde zum Verlust weiterer bereits sehr gefährdeter Tierarten führen. Eine ist die Vaquita Marina, das am stärksten vom Aussterben bedrohte Säugetier der Welt: Man nimmt an, dass nur noch zehn Tümmler in ihrem natürlichen Habitat, dem Oberen Golf von Kalifornien, leben. Gerade in diesem Gebiet „hat die Profepa seit langer Zeit keine Boote, kein Benzin, keine Fahrzeuge mehr zur Verfügung.“

3. Ziel: Den Verlust der Biodiversität stoppen

Der schnelle Verlust der Biodiversität, der Klimawandel und die Umweltverschmutzung durch Plastik sind die dringenden ökologischen Gefahren, denen unser Planet derzeit ausgesetzt ist. In allen drei Bereichen hat Mexiko noch viel Arbeit vor sich. Was den Rückgang der Biodiversität angeht, so ist die Aktualisierung der Norma Oficial Mexicana 059 dringend erforderlich. In dem Verzeichnis werden alle Tier- und Pflanzenarten aufgeführt, die einer Risikogruppe zugeordnet werden können. „Seit mehreren Jahren wurde die NOM-059 nicht mehr aktualisiert. Wir wissen nicht, ob es noch mehr vom Aussterben bedrohte Arten gibt, ob einige bereits ausgestorben sind oder ob sich einzelne Populationen erholt haben“, kritisiert der Biologe Alejandro Olivera. Die NOM sei jedoch nicht das beste Instrument, um alle bedrohten Tierarten zu berücksichtigen und ihr Aussterben zu verhindern. Ideal wäre, so der Biologe, sich auf ein Gesetz berufen zu können, das mit den notwendigen Mechanismen ausgestattet ist, um konstant zu wissen, wie viele Spezies verloren gehen und wie viele sich erholen. Die Dringlichkeit, diese NOM-59 zu aktualisieren, ist spätestens seit der 19. Vertragsstaatenkonferenz (COP19) in Panama im November 2022 offensichtlich. Im Abkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES) werden mehr als 500 Arten aufgeführt, deren Handel reguliert wird. In Mexiko kommen viele dieser Spezies vor, unter ihnen Haie, Frösche und Reptilien. Während derselben Konferenz zum CITES hat Mexiko sich selbst zum Ziel gesetzt, bis Februar 2023 eine Strategie für den Erhalt der Vaquita Marina zu präsentieren. „Es ist sehr wichtig, dass Mexiko in den kommenden Monaten diesen Plan vorlegt und dass dieser überzeugend ist. Wenn dies nicht geschieht, könnte der ständige Ausschuss des CITES in seiner nächsten Sitzung im November 2023 Mexiko mit Sanktionen belegen“, erklärt Olivera. Es sei äußerst dringend, dass die mexikanischen Autoritäten die Gesetze umsetzen und das illegale Fischen des Totoaba im Oberen Golf von Mexiko stoppen, durch das es immer wieder zum Einfangen von Vaquitas Marinas kommt. Der Totoaba kommt in dieser Region von Mexiko häufig vor; er wird illegal gefischt, denn aufgrund seiner Schwimmblase besteht in China eine hohe Nachfrage. Mexiko steht international auch aufgrund der hohen Zahlen an Schildkröten als Beifang in den Fischernetzen in der Kritik. Deswegen und wegen der Nichteinhaltung der Gesetze zum Verbot der illegalen Fischerei des Totoaba habe die Kommission für Umweltzusammenarbeit, die von Mexiko, den USA und Kanada zur Umsetzung des Vertrags gegründet wurde, bereits Untersuchungsverfahren gegen Mexiko beantragt so Olivera.

Überfischung durch illegalen Fischfang

Die sich stetig verschlechternden Fischgründe sind ein weiteres Problem. Dazu Renata Terrazas von Oceana Mexico: „Wir können nicht erlauben, dass 40 Prozent der Fischgründe kollabieren. Wir müssen alle verfügbaren Mittel und Wege umsetzen, um die Überwachung und den Schutz der Meere zu verbessern.“ Diese Organisation versucht seit einiger Zeit, Rückverfolgbarkeitsstandards durchzusetzen, um die Zahl der illegal verkauften Fische in Mexiko sowie der Exporte ins Ausland zu reduzieren. „Rückverfolgbarkeitsstandards würden die illegale Fischerei zwar nicht beenden, jedoch die Infrastruktur kreieren, um diese einzuschränken.“ Es fehle außerdem noch ein Gesetz zur Restaurierung der Fischgründe. Solche Vorgaben würden es Abteilungen wie etwa der Nationalen Kommission für Aquakultur und Fischerei (Comisión Nacional de Acuacultura y Pesca – Conapesca) ermöglichen, Projekte zur Wiederherstellung von leergefischten Fischgründen durchzuführen. Bis jetzt, kommentiert Terrazas, sind es vor allem Initiativen von Kommunen, Organisationen und Wissenschaftlern, die es geschafft haben, dass sich Bestände der für die Fischerei wichtigen Meerestiere erholt haben.

4. Ziel: Aufmerksamkeit für die Waldgebiete

Das Budget der Nationalen Forstkommission Conafor wurde im Jahr 2023 noch weiter gekürzt. Der Mexikanische Zivilrat für Nachhaltige Forstwirtschaft (Consejo Civil Mexicano de Silvicultura Sostenible – CCMSS) hebt in einer Analyse des Haushalts hervor, dass die Einsparungen im Budget „direkt die Gemeinden und kommunalen Forstbetriebe betreffen, die auf diese Gelder zurückgreifen, um ihre Anwohner für den Schutz und die zum Erhalt notwendigen Arbeiten anzustellen“. Die Organisation betont weiter, dass „die Unaufmerksamkeit und Abwesenheit der Institutionen aufgrund der fehlenden finanziellen und personellen Ressourcen in den ländlichen Gebieten schwerwiegende Nachwirkungen hat, wie etwa den illegalen Tausch von Bodennutzungsrechten, illegale Abholzungen, Waldschädlinge sowie das illegale Vorgehen in kommunalen Waldgebieten von Firmen beim Holzabbau, Minen und durch die Agrarindustrie“. José Iván Zúñiga vom World Resources Institute (WRI) in Mexiko, gibt an, dass die Unsicherheit und die fehlende staatliche Kontrolle in diesen Gebieten die am dringendsten zu behebenden Missstände seien. Die kommunale Waldverwaltung stellt für Zúñiga ein effektives Instrument dar, das weiterverfolgt werden sollte. Diese Ansicht wird durch zahlreiche Studien untermauert, die aufzeigen, dass kommunale Waldverwaltung den Erhalt von Waldgebieten ermöglicht und die Bekämpfung von Waldbränden und Schädlingen erleichtert und außerdem in den Kommunen die Armut minimiert und die Regierung stärkt.

Gütesiegel „Aus Anbaugebieten ohne Abholzung“ ausweiten

Für 2023 wird außerdem erwartet, dass die Regierung die Informationen zu Rodungen aktualisiert, da die offiziellen Zahlen für die einzelnen Bundesstaaten im Nationalen System zur Forstinformation (Sistema Nacional de Información Forestal – SNIF) nur bis 2019 gehen. Auf der gleichen Seite des SNIF findet man die Informationen, dass der Hauptgrund für die Rodungen die Umwandlung von Waldgebieten in Weidegründe und Agrarflächen sei. Deshalb wird für dieses Jahr die Ausweitung des Gütesiegels „Aus Anbaugebieten ohne Abholzung“ für Fleischprodukte, Avocados und Agave erwartet. Denn die nachhaltigere Produktion von Lebensmitteln ohne Rodungen oder Abhängigkeit von Agrochemikalien ist für Dr. Alfonso Valiente Banuet vom Institut für Ökologie der UNAM eine der Hauptherausforderungen, der sich die Welt und insbesondere Mexiko in der Zukunft stellen muss. Die Abholzungen – warnt Banuet – zerstören den feuchten tropischen Regenwald Mexikos, vor allem auf der Halbinsel Yucatán in Campeche und Quintana Roo. Der Professor betont, dass die Umstellung in der Nutzung des Waldbodens den Verlust wertvoller ökologischer Wechselwirkungen bedeutet, deren Nachwirkungen noch mindestens 40 bis 60 Jahre spürbar sein werden. „Mexiko muss daran arbeiten, diese Prozesse umzukehren“, insistiert er. Für das Jahr 2023 wird auch eine angemessene Evaluation des Programms Sembrando Vida (Leben pflanzen) erwartet. Dieses Sozialprogramm der aktuellen Regierung Mexikos wird vom Präsidenten Andrés Manuel López Obrador als ein Projekt zur Aufforstung und Wiederherstellung des Waldes präsentiert, „ist es aber nicht. Weder die Beschreibung des Programms noch die Grundsätze oder Regeln weisen es als solches aus. Es ist ein Programm für die soziale Entwicklungshilfe: für die Lebensmittelsicherheit und die Wiederherstellung landwirtschaftlicher und Waldarten, die dabei waren, verloren zu gehen. Aber kein Umweltprojekt“, betont José Iván Zúñiga vom World Resources Institute in Mexiko. Neben Zúñiga gibt es noch viele weitere Stimmen, wie etwa die von Tomás Severino, die darauf aufmerksam machen, dass es bislang keine Indikatoren dafür gibt, dass das Programm Sembrando Vida dazu beiträgt, dass Mexiko weniger Treibhausgase produziert, wie es die Regierung behauptet. Laut Professor Luis Zambrano ist das größte Problem von Sembrando Vida, dass es auf den Nutzen für den Menschen und nicht den Lebensraum fokussiert: „Wenn man nur an die Verwertungslogik und nicht an den Lebensraum denkt, verliert man viel Biodiversität.“

5. Ziel: Neue Gesetze verabschieden, alte aktualisieren und bestehende durchsetzen

Die Straflosigkeit zu bekämpfen, die das Land durchdringt, ist eine der größten Herausforderungen für Mexiko. Das Umweltthema, die Geringschätzung gegenüber der Gesetzgebung, die sich bei Projekten wie etwa dem Bau des Tren Maya zeigt – wo auf Gebieten gebaut wurde, für die es keine Erlaubnis zur andersartigen Nutzung des Waldbodens gab – könnte dazu führen, dass das Land im Rahmen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens und demnächst auch des T-MEX angezeigt wird. Das Land könnte auch aufgrund von Avocadoexporten in die USA angeklagt werden, die in gerodeten Gebieten produziert werden. Gustavo Alanís merkt an, dass eine große Herausforderung die Befolgung des bereits bestehenden umweltrechtlichen Rahmens ist: „Das Land muss Arbeitsplätze schaffen, aber das kann nicht auf Kosten der Natur gehen… Die Hauptaufgabe der Regierung sollte der Schutz des natürlichen Erbes und der Gesundheit der Menschen sein“. Zu all den in Mexiko unbeachteten Umweltschutzgesetzen gehört auch die Regelung über den Gebrauch von Plastik. „Der geringe Fortschritt, der in diesem Bereich gemacht wurde, ist während der Coronapandemie wieder verloren gegangen“, sagt Alejandro Olivera. Er fordert ein Eindämmen des exzessiven Plastikgebrauchs in Mexiko, da dieses Material große Probleme in allen Ökosystemen und im Speziellen in den Meeren anrichtet. Man erwartet im Jahr 2023 vom Kongress und Senat, dass diese aufhören, taub gegenüber den vorhandenen Problemen zu sein und endlich die Ley General de Aguas verabschiedet. Dieses Gesetz, das Wasser als öffentliches Gut und nicht als privates Eigentum festschreibt, hätte schon vor mindestens drei Jahren eingeführt werden sollen. „Wir können nicht mit einer vollkommen überholten Gesetzgebung weiterarbeiten“, kritisiert Dr. Marisol Anglés Hernández, Spezialistin für Umweltrecht am Rechtsforschungsinstitut der UNAM.

Bergbau-Privilegien einschränken

In diesem Jahr sollte auch die Offizielle Mexikanische Regelung über die Anwendung von Pestiziden über die Luft vorliegen, so die Expertin. Ferner wird eine Reform des Bergbaurechts erwartet. Dem Industriezweig soll die Etikettierung „öffentlicher Nutzen“ und seine bevorzugte Stellung aberkannt werden; die Gemeinden sollen frei über die Nutzung ihrer Gebiete entscheiden können; die Konzessionsvergabe soll verändert und somit die de facto Privatisierung von Land und der natürlichen Güter eingedämmt und die Privilegien der Bergbaugesellschaften beim Zugang zu Land und Wasser abgeschafft werden. Auch das Gesetz zur Elektroindustrie müsse aktualisiert werden, „um es den Gemeinden zu ermöglichen, ihren eigenen Strom zu produzieren“, so Dr. Anglés an. Außerdem müsse Mexiko ernsthaft bei der Energiewende vorankommen: „Wir sind eines der Länder mit den meisten Möglichkeiten für alternative Energiequellen, aber wir unterstützen immer noch das Benzin und setzen alles auf den Kraftstoff“. Für Indigenen-Sprecherin Rosa Marina Flores Cruz ist es unerlässlich, dass in dieser Diskussion auch die Stimmen der Indigenen und der Gemeinden berücksichtigt werden. So soll das Aufzwingen von Wind- oder Solarprojekten zur „alternativen Energiegewinnung“ verhindert werden, nur damit ein Teil der Gesellschaft sein Konsumverhalten beibehalten kann. In Mexiko, Guatemala und anderen Ländern haben Gemeinden bereits bewiesen, dass alternative Energiegewinnungsformen existieren, die nicht die Rechte derjenigen, die das Land bewohnen, verletzen. In diesem Sinne ist laut Dr. Anglés die größte Herausforderung, dass sich mehr Gemeinden und Bürger für den Umweltschutz einsetzen. Tomás Severino vertraut darauf, dass im Jahr 2023 die gesellschaftliche Partizipation rund um das Thema Umweltschutz ansteigen wird, da „es ein immer stärkeres kollektives Bewusstsein in Bezug auf Umweltfragen gibt… Es gibt viele Dinge zu tun und wir brauchen mehr Menschen, damit diese umgesetzt werden“. Auch Professor Luis Zambrona setzt der allgemeinen Hoffnungslosigkeit, die im globalen Diskurs deutlich wird, einige positive Überlegungen entgegen: „Wir können sehr wohl handeln, um die Bedingungen für die Biodiversität in unserem Land und in unserer Gemeinschaft zu verbessern. Es ist fundamental, auf lokaler Ebene zu beginnen.“ Vor dem Hintergrund dieser Umweltnotsituation sollte daran erinnert werden, was schon vor Jahren Paul R. Ehrlich, Ökologe und Präsident des Zentrums für Naturschutz in Standford, geschrieben hat: „Wir müssen lernen, die Natur sensibel zu behandeln. Jeder Mensch sollte sich als Umweltschützer begreifen.“

Übersetzung: Chantal Diercks

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