Wirbelstürme Eta und Iota erzeugen Millionenschäden

(Berlin, 25. Dezember 2020, npla).- Im November zogen im Abstand von zwei Wochen gleich zwei Wirbelstürme über Zentralamerika und lösten vor allem an der Nordküste von Honduras gewaltige Überschwemmungen aus. Über drei Millionen Menschen hatten Schäden zu beklagen, Häuser, Straßen, Brücken und Ernten wurden zerstört. Mangelnde Krisenprävention und ein jahrelanger Raubbau an den Wäldern verstärkten das Ausmaß der Katastrophe. Die wirtschaftlichen Folgen werden noch lange zu spüren sein. Bilder von der Nordküste von Honduras zeigten zwischen Mitte und Ende November ein einziges Meer von schlammig-braunem Wasser, aus dem die Hausdächer hervorragten. Nachdem das Wasser endlich abgeflossen war, offenbarte sich eine Welt unter Schlamm: halbverschüttete Häuser, davor unbrauchbar gewordene Möbel, Matratzen, Elektrogeräte, unpassierbare Straßen. In der Großstadt San Pedro Sula campierten die Menschen aus den überschwemmten Zonen an den Straßenrändern, und auch zum Jahresende leben noch Menschen in Notunterkünften und auf der Straße.

Die Katastrophenschutzbehörde Copeco schätzt, dass in Honduras über dreieinhalb Millionen Menschen durch die Stürme geschädigt wurden. Die Nichtregierungsorganisation Sozialforum für Auslandsverschuldung und Entwicklung (FOSDEH) geht davon aus, dass die Schäden der beiden Stürme acht Milliarden Euro übersteigen werden. Hinzu kommen die Auswirkungen der Covid-Pandemie. Beides zusammen könnte den Verlust von 860.000 Arbeitsplätzen und einen wirtschaftlichen Rückschritt von 20 Jahren nach sich ziehen, so die Ökonom*innen von FOSDEH. Noch größere Teile der Bevölkerung drohen in die Armut oder gar in die extreme Armut abzurutschen.

Erinnerung an Hurrikan Mitch

Die schlimmsten Überflutungen gab es im Sulatal und im Aguántal. „Praktisch haben wir den Alptraum des Hurrikan Mitch von vor 22 Jahren noch einmal erlebt. 80 Prozent der Bevölkerung ist in der einen oder anderen Form betroffen. Die Menschen in den tief gelegenen Regionen mit einem großen Risiko für Überschwemmungen haben ihre Häuser und ihren gesamten materiellen Besitz verloren“, sagt Juana Esquivel, Direktorin der Stiftung San Alonso Rodriguez. Die im Department Colón tätige Organisation war 1999 während des Wiederaufbaus nach dem Hurrikan Mitch gegründet worden.

Viele Menschen im Aguántal leben von Subsistenzwirtschaft oder verdingen sich als Tagelöhner*innen oder Saisonkräfte. Mit den Überschwemmungen verlieren viele sowohl ihre Ernten als auch ihre Einkommensquellen. Zeitarbeitsverträge würden in der Krisensituation als erstes aufgelöst, so Esquivel.

Auch im Sulatal, wo die Flüsse Ulúa und Chamelecón über die Ufer getreten sind und manche Munizipien wie etwa La Lima fast komplett unter Wasser standen, sind es die ärmsten Teile der Bevölkerung, die am stärksten betroffen sind. „Die Überschwemmungen haben diejenigen am schlimmsten betroffen, denen es schon immer schlecht geht. Denjenigen, die im höher gelegenen Teil des Sulatals leben, ist nichts passiert. Die Menschen, die im unteren Teil des Tals leben, erleben eine Katastrophe, eine schreckliche Situation“, berichtet Víctor Fernández, Koordinator der Breiten Bewegung für Würde und Gerechtigkeit (MADJ). Anfang Dezember waren viele Gemeinden bei den Aufräumarbeiten noch immer auf sich selbst gestellt.

Untätigkeit und Korruption

Soziale Organisationen beklagen die Abwesenheit der staatlichen Institutionen im Angesicht der Katastrophe. Doch nicht erst nach den Stürmen, auch im Hinblick auf die Maßnahmen vor den Stürmen kann man den Behörden unterlassene Hilfeleistung vorwerfen. Weder warnte die Behörde Copeco die Bevölkerung rechtzeitig vor dem Hurrikan Eta, noch brachte sie die Menschen in Sicherheit. „Es gab absolut keine Präventionsmaßnahmen, und eine Reaktion kam erst nach Wochen. Es gibt Zonen, wo nicht einmal ein Fahrzeug angekommen ist, um den Schutt und die Müllberge zu entfernen“, erzählt Fernández.

Unterdessen ist das Vertrauen gering, dass internationale Hilfe, wenn sie durch die Hände der staatlichen Institutionen geht, auch bei der betroffenen Bevölkerung ankommt. Die Korruption ist ein allgegenwärtiges Thema, das man auch bei der internationalen Katastrophenhilfe im Auge behalten muss, findet Juana Esquivel: „Wir fordern von der internationalen Gemeinschaft und den solidarischen Organisationen, der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, dass sie für Mechanismen garantieren, damit die Hilfen direkt bei der Bevölkerung ankommen, die sie braucht.“

Abholzung in den Bergregionen

Mit Eta und Iota trafen erstmals zwei starke Wirbelstürme im November auf Land, zu einem Zeitpunkt also, zu dem die Hurrikansaison sich normalerweise schon dem Ende zuneigt. Das ist ein klarer Effekt der Klimaerwärmung. Dass die Folgen in Honduras derart fatal waren, liegt aber nicht allein an der Klimakrise, sondern auch am Umgang mit Wäldern und Flüssen, wie Miriam Miranda, die Koordinatorin der Garífuna-Organisation OFRANEH in einem auf Facebook veröffentlichten Video kritisiert. Die Garífuna-Gemeinden liegen an der Nordküste und standen ebenfalls teilweise unter Wasser. Dass die Flüsse, die im Norden in den Ozean münden, so massiv über die Ufer getreten sind, liege an dem falschen Umgang mit Flüssen und Wäldern, meint Miranda. Während im Sommer Trockenheit herrsche, würde aus den Flüssen Sand abgebaggert. In den Bergen, an den Quellen der Flüsse würden Wälder für Wohnungen und kommerzielle Projekte zerstört. „Wir brauchen die Wälder, um das Regenwasser zu speichern, bevor es in die tiefer liegenden Zonen vordringt, wo die Menschen leben. Es muss Bäume geben, die das Wasser aufnehmen, das vom Himmel fällt. Um das zu wissen, braucht man keine wissenschaftliche Untersuchung, das ist die Realität“, sagt Miranda.

Armut als Risikofaktor

Honduras steht theoretisch vor großen Aufgaben. Der Wiederaufbau von Wohnhäusern und Infrastruktur muss organisiert werden. Eine rasche Anpassung an den Klimawandel tut Not, denn Wirbelstürme werden mit steigenden Meerestemperaturen stärker und häufiger. Zudem leidet das Land im Sommer immer wieder an Dürre; während nun zu viel Wasser niederging, trocknen wichtige Flüsse in der Trockenzeit aus. Wiederaufforstung anstelle von Abholzung, vor allem in den Bergregionen, ist gefragt.

„Das wird sich nicht von heute auf morgen lösen lassen“, meint Miranda. „Die Regeneration wird Jahrzehnte dauern. Es muss auch dafür gekämpft werden, dass unsere Häuser in sicheren Zonen gebaut werden, in den Zonen, die sich die Mächtigen in diesem Land angeeignet haben.“

Weil ihnen kein anderer Platz zum Leben bleibt, sind die Ärmsten gezwungen, in den risikoreichen Gebieten zu siedeln, im Tiefland, an den Ufern der großen Flüsse. Wenn es nicht zu einer Umverteilung von Land kommt und die Natur nicht besser geschützt wird, dann werden sich Katastrophen wie diese wiederholen. Und es werden immer die Ärmsten sein, die am meisten dabei verlieren.

Zu diesem Text gibt es auch einen Audiobeitrag bei onda.

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