Machtkampf um Wahltermin

(Montevideo, 12. August 2020, la diaria/poonal).- Die De-facto-Regierung von Jeanine Áñez in Bolivien nutzt die Pandemie, um den Termin für die geplanten Präsidentschaftswahlen erneut zu verschieben. Diese sollen nun am 18. Oktober stattfinden. Gleichzeitig versucht sie, juristisch gegen die ehemalige Regierungspartei Movimiento al Socialismo MAS vorzugehen. Die erneute Verschiebung der Wahlen hat den sozialen Konflikt in dem Andenland weiter verschärft.

Am 3. August hat der Dachverband der bolivianischen Gewerkschaften COB (Central Obrera Boliviana) zusammen mit dem „Einheitspakt“ (Pacto de Unidad), einem Zusammenschluss MAS-naher Gruppen, Dutzende Straßensperren im ganzen Land errichtet und fordert, dass der Wahltermin vorverlegt wird. Am 12. August hat die COB die Oberste Wahlbehörde TSE (Tribunal Supremo Electoral) und das Parlament aufgefordert, die Wahlen per Gesetz um eine Woche auf den 11. Oktober vorzuverlegen. Das Parlament solle per Gesetz den 11. Oktober als Wahltermin garantieren, forderte der Generalsekretär der COB, Juan Carlos Huarachi.

Die Wahlen hätten zunächst im Mai stattfinden sollen, wurden aber aufgrund der Pandemie erst auf den August, dann auf den 6. September verschoben. Dass nun das TSE den Wahltermin erneut auf den 18. Oktober verlegt hat, hat für massiven Unmut bei der COB und dem Einheitspakt gesorgt, die daraufhin beschlossen, landesweite Blockaden durchzuführen.

In der Pressekonferenz forderte Huarachi die Áñez-Regierung auf, zu den zahlreichen Forderungen der COB an die Regierung Stellung zu nehmen. Dazu gehören eine koordinierte Vorgehensweise im Umgang mit dem Coronavirus, die Verteilung von Medikamenten, eine wirtschaftliche Wiederbelebung, eine Reaktion auf die Massenentlassungen und die Wiederherstellung von Arbeitsplätzen im Bildungsbereich.

Rechte Gruppen machen mobil

Während die Anhänger*innen von Evo Morales weiterhin auf der Straße sind, mobilisieren auch rechte Gruppen, die zu den erbittertesten Gegner*innen der Politik des Expräsidenten gehören, der im vergangenen November gestürzt wurde. So hat am 11. August auch die „Asamblea de la Cruceñidad“ mehrere Forderungen an die Regierung von Jeanine Áñez gestellt. Diese Versammlung wurde vom rechten Bürgerkomitee Pro Santa Cruz einberufen, das Teil der wirtschaftlichen Elite des Departments Santa Cruz ist.

Die Versammlung und das Bürgerkomitee fordern, die Ermittlungsverfahren gegen Morales und die Führungsspitze des MAS weiterzuverfolgen und verlangen zudem den Rücktritt des Präsidenten des TSE, Salvador Romero. Sie lehnen die Festlegung des Wahltermins auf den 18. Oktober ab und stellten der Regierung eine Frist von 48 Stunden, um die blockierten Straßen in Santa Cruz zu räumen.

Rómulo Calvo, Vorsitzender der ultrarechten Versammlung aus Santa Cruz, verlangte, „die vom Bürgerkomitee initiierten Ermittlungen gegen Evo Morales, alle Anführer*innen des MAS, sowie gegen Juan Carlos Huarachi wegen Menschenrechtsvergehen gegen die bolivianische Bevölkerung zügig weiter zu verfolgen“.

„Inakzeptable rassistische Äußerungen“ des Bürgerkomitees

Zudem werden Präsidentin Áñez und ihr Kabinett aufgefordert, „entschlossen die Kraft des Gesetzes wieder herzustellen“. Außerdem solle Salvador Romero zurücktreten. Dieser habe nicht verantwortungsbewusst und unabhängig gehandelt: „Das TSE muss den MAS bestrafen“, ihre Führungspersonen müssten „wegen der begangenen Straftaten“ von den Wahlen ausgeschlossen werden. Darüber hinaus drohte Calvo, dass „dieses Komitee nicht ruhen wird, bis diese menschlichen Bestien, die es nicht wert sind, Bürger genannt zu werden, hinter Gittern sind“.

Insbesondere dieser Satz stieß auf heftigen Widerspruch von Evo Morales, der am 12. August per Twitter mitteilte: „Die rassistischen Äußerungen des Vorsitzenden des Bürgerkomitees von Santa Cruz sind inakzeptabel. Er bezeichnet die indigenen, gebürtigen und bäuerlichen Volksgruppen, die die Rückkehr zur Demokratie fordern, als ‚menschliche Bestien‘.“

Aufruf zum Dialog

Angesichts dieser angespannten Situation haben sich auch die UN, die Europäische Union und die katholische Kirche Boliviens zu Wort gemeldet. In einer gemeinsamen Erklärung riefen sie am 11. August alle Seiten zu einem Dialog auf, um die politische Krise im Land zu überwinden. Sie forderten die Aktivist*innen auf, die Straßenblockaden zu beenden. In ihrer Erklärung betonten sie ihre Unterstützung für das TSE. Die Wahlbehörde sei „bemüht, einen Konsens zwischen den politischen und sozialen Akteuren zu finden, die zu einer Stärkung der demokratischen Institutionen und des Wahlprozesses beitragen“. Zudem riefen sie die protestierenden Gruppen dazu auf, „zu Gunsten des Zusammenlebens zwischen Bolivianern und Bolivianerinnen ihre Aktivitäten einzustellen“. Der Dialog sei „das angemessene Instrument, um Abkommen zu schaffen und einen Weg der Gerechtigkeit und des Fortschritts zu garantieren – in Frieden, Einverständnis und unter Wahrung der Menschenrechte und des gegenseitigen Respekts.“

Am 13. August erließ die Regierung Áñez schließlich ein Gesetz, dass die Wahl am 18. Oktober vorsieht. Das Gesetz wird auch von der Partei MAS unterstützt, die noch immer die Parlamentsmehrheit hat. Auch das TSE hat erneut betont, am 18. Oktober als Wahltermin festzuhalten. Die COB sprach zunächst von „Verrat„, kündigte dann aber an, die Blockaden aufzulösen. Dagegen regte sich jedoch Widerstand in den eigenen Reihen. Mehrere indigene Gruppen sprachen davon, die Blockaden aufrecht erhalten zu wollen.

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