Fujimori begnadigt, Castillo gezähmt

(Lima, 22. März 2022, alainet).- Bereits vor sechs Wochen hat sich durch die Regierungsumbildung zum mittlerweile dritten Kabinett unter dem linken Präsidenten von Pedro Castillo gezeigt, dass seine Regierung von den neoliberalen Rechten gezähmt worden ist. Doch nun wurde erneut Ex-Diktator Alberto Fujimori begnadigt, wie schon 2017 unter dem damaligen Präsidenten Pedro Pablo Kuczynski. Das zeigt uns erneut, dass reaktionäre Kräfte dabei sind, eine ursprünglich linke Regierung zu kapern. Dabei spielt keine Rolle, wer die Begnadigung Fujimoris ausgesprochen hat (in diesem Fall das Verfassungsgericht mit seiner konservativen Mehrheit), sondern das politische Klima, in dem diese stattfindet. In den vergangenen Tagen konnten wir die Hinterzimmergespräche zwischen der Regierung und der rechten und extrem rechten parlamentarischen Opposition beobachten, durch die bevorstehende Misstrauensanträge gegen Minister*innen und gegen den Präsidenten selbst aufgeschoben werden konnten.

Obwohl nun erneut der Schlachtruf „alle sollen abhauen“ („que se vayan todos“) in den Straßen zu hören ist, scheint in den obersten Stellen des Regierungsapparats und im Kongress das Motto zu dominieren: „Wir bleiben alle“. Und das riecht mal wieder nach dem Pakt von Straflosigkeit und Opportunismus, den wir Peruaner*innen in den vergangenen sechs Jahren bei der Mehrheit der politischen Klasse beobachten konnten, die nämlich nicht einen Ausweg aus der allgegenwärtigen Krise sucht, sondern vielmehr daran interessiert sind, die sie unterstützenden politischen Kräfte weiter steuern zu können.

Die Korruption befällt die Regierung des Wandels

Auf diese Weise haben sich die zunehmenden Sorgen in der Bevölkerung zu einer Krise ausgewachsen, aus der es zumindest kurzfristig keinen gangbaren Ausweg mehr gibt. So kommt es, dass die immergleichen Akteur*innen mit ihrem Festmahl weitermachen, an das sie uns schon gewöhnt haben, während sich die einfachen Menschen um ihr tägliches Überleben kümmern müssen. Und das ist der Punkt: Die Korruption fast aller Ex-Präsidenten, politischer Anführer*innen und ihrer jeweiligen Entourage scheint nun auch eine Regierung zu befallen, von der man dachte, sie sei eine Regierung des Wandels. Und mittendrin steckt das Schlimmste der peruanischen Politik: Der Fujimorismus und mit ihm die zweite betrügerische Begnadigung seines Führers, Alberto Fujimori.

Es gibt keinen direkten Beweis dafür, dass die Regierung von Pedro Castillo an der Begnadigung beteiligt war, und tatsächlich haben sich mehrere Minister*innen und selbst der Premierminister Aníbal Torres dagegen ausgesprochen. Dennoch gab es merkwürdige Zufälle im Parlament, die einen zum Nachdenken bringen: Wie kommt es, dass sich der wütende Elan für ein Amtsenthebungsverfahren (des Präsidenten) legt und die parlamentarischen Anträge gegen die Minister*innen ohne Mehrheit bleiben und kurz darauf das Urteil des Verfassungsgerichts ergeht? Das alles riecht nach Absprache, aber keine Absprache durch einen demokratischen Dialog, sondern eine Absprache im Hinterzimmer.

Zu einem Zeitpunkt, an dem Castillo bereits explizit das Regierungsprogramm verlassen hat, das ihn zu seinem Wahlsieg verholfen hat (einschließlich der Forderung nach Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung, wie auch Premierminister Aníbal Torres immer wieder betont hat), ist das einzige Programm, das Castillo noch bleibt, sich an der Macht zu halten. Und an der Macht zu bleiben bedeutet in diesem Kontext nichts anderes als: die Kontinuität des Neoliberalismus (keiner weiß das besser als der neoliberale Ex-Präsident Ollanta Humala).

Regierungsprogramm: Kontinuität des Neoliberalismus

Das Problem ist, dass wir uns nicht wie vor zehn Jahren an einem Höhepunkt des neoliberalen Modells befinden, sondern in einer schweren Krise, die, zusammen mit der Korruption und der Pandemie, die Krise des politischen Systems mit unseren Lebensumständen zusammengeführt hat. Damit meine ich, dass die staatlichen Institutionen und die soziale Kontrolle den Mächtigen nicht mehr zur Reproduktion ihrer eigenen Macht dienlich sind. Und deswegen glaube ich nicht, dass der Drang von Castillo und seinen Leuten, an der Macht zu bleiben, eine Zukunft hat. Wir steuern auf eine neue Krise zu, die vielleicht größer ist und unvorhersehbare Konsequenzen haben kann. Mehr von demselben zu tun ist kein Ausweg für Peru in diesen Zeiten.

Was überrascht, ist die Schwäche der linken als auch der demokratischen Kräfte, die einen grundlegenden Neustart für Peru fordern. Dadurch entsteht ein gefährliches politisches Vakuum, in das jedwede politische Idee stoßen kann. Darum muss man genau deshalb auch die vermeintlichen Alternativen kritisch sehen und akzeptieren, dass der einzige Ausweg für Peru jenseits des neoliberalen Modells liegt. Denn wie es beim Walzer heißt: „Jede Wiederholung ist eine Beleidigung.“

*Nicolás Lynch ist Soziologieprofessor an der Nationalen Universität von San Marcos, Lima

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