Fototermin mit Trump

(Berlin, 9. Juli 2020, poonal).- Wenn es um den US-Präsidenten Donald Trump ging, ließ Andrés Manuel López Obrador lange Zeit keinen Zweifel. Der Republikaner fördere den Rassismus, seine internationale Politik sei eine „ordinäre Bedrohung der Menschenrechte“ und seine Angriffe gegen Migrant*innen in den USA müssten ein Ende haben, forderte der Mexikaner. Sogar ein kritisches Buch widmete er dem Oberhaupt der Vereinigten Staaten. Und als Trump zwischen den beiden Staaten eine Mauer bauen wollte, mobilisierte López Obrador, kurz Amlo, seine Landsleute an die Grenze. Nie und nimmer werde man diesen Betonwall hinnehmen, stellte er klar.

Das war 2017. López Obrador befand sich im Wahlkampf um die mexikanische Präsidentschaft, die er schließlich 2018 mit einer deutlichen Mehrheit für sich entscheiden konnte. Schenkt man dem Politiker der Morena-Partei Glauben, ist heute jedoch alles anders. Schon bevor er sich diese Woche auf den Weg machte, um seinen Amtskollegen zu besuchen, sprach Amlo von einer „respektvollen Beziehung“ Trumps, „nicht nur gegenüber der Regierung, sondern gegenüber dem gesamten mexikanischen Volk“. Im Namen dieses Volkes dankte Amlo denn auch bei seinem Treffen am 8. Juli dem US-Präsidenten dafür, dass dieser den Mexikaner*innen gegenüber immer respektvoller auftrete.

Amlo hielt trotz Empörung an Besuch fest

López Obrador war anlässlich des Abschlusses des neuen nordamerikanischen Freihandelsvertrags USMCA, der am 1. Juli in Kraft trat, nach Washington gefahren. Damit setzte er ein unmissverständliches Zeichen. Es war schließlich seine erste Reise ins Ausland, seit er im Dezember 2018 sein Amt übernommen hat. Und die führte ihn ausgerechnet zu dem Politiker, der die mexikanische migrantische Bevölkerung in den USA regelmäßig rassistisch beleidigt. Während der kanadische Premierminister Justin Trudeau kurzfristig am 6. Juli seine Beteiligung absagte, nachdem sich Trump zuvor über mögliche neue Zollforderungen ausgelassen hatte, hielt der Mexikaner an seinem Besuch fest. Trotz der massiven Empörung in seiner Heimat und in den USA.

Insbesondere die Tatsache, dass der vorsichtig links orientiert López Obrador seinen rechtsextremen US-Kollegen vier Monate vor der US-Präsidentschaftswahl besucht, stieß auf heftige Kritik. Niemand zweifelte daran, dass Trump dieses Treffen braucht, um im Wahlkampf mehr Stimmen aus der migrantischen Bevölkerung zu gewinnen. Viele lehnten die Reise grundsätzlich ab. Hispanische Abgeordnete im US-Parlament forderten, dass das Treffen angesagt wird, weil es von Trump zu politischen Zwecken benutzt werde. Eine „Gruppe von Wanderarbeitern aus Oaxaca im Ausland“, forderte, López Obrador solle sich zumindest dafür einsetzen, dass die über zehn Millionen illegal im Land lebenden Migrierten einen sicheren geregelten Aufenthaltsstatus bekommen. Immerhin habe er die Arbeiter*innen, die etwa vier Milliarden US-Dollar im Jahr nach Mexiko überweisen, einst als „anonyme Helden“ bezeichnet.

Wahlkampfhilfe für Trump

Doch López Obrador ließ nie einen Zweifel daran, dass sein Ausflug ausschließlich Trump galt. Auf seiner Agenda stand weder ein Treffen mit migrantischen Organisationen noch mit Politiker*innen der oppositionellen Demokraten. Deren Parteichef Tom Perez sprach von einem reinem „Fototermin“ und bat López Obrador, er möge Trump fragen, ob dieser weiterhin der Meinung sei, Mexikaner seien „Vergewaltiger und Mörder“. Auch den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden wollte Amlo nicht zu treffen. „Es wäre nicht angebracht und korrekt, mit Kandidaten zu sprechen, es handelt sich ja um eine Arbeitsreise“, erklärte er. Silvano Aureoles, der Gouverneur des mexikanischen Bundesstaats Michoacán, sprach von einem Besuch beim „rassistischsten und konservativsten“ Staatschef der USA. „Ich bedaure es, dass der Präsident Mexikos die Migranten nicht auf seiner Agenda, im Kopf und im Herzen hat“, sagte Aureoles, aus dessen Region vier Millionen Menschen auf der anderen Seite des Rio Bravo leben.

Dass López Obrador lediglich Trump im Blick hat, verwundert wenig. Die USA ist Mexikos wichtigster Handelspartner, knapp 80 Prozent der Exporte gehen in das nördliche Nachbarland. Die Coronakrise hat Mexiko heftig gebeutelt, doch der Staatschef hält an seinem Ziel fest, das Land durch Korruptionsbekämpfung und Sozialprogramme für die Armutsbevölkerung gerechter zu gestalten. Schon jetzt ist fraglich, ob dies überhaupt noch möglich sein wird, doch Trump kann diesen Plänen schnell einen Strich durch die Rechnung machen.

López Obrador hofft auf gute Beziehungen zum Handelspartner

Dass er diesem Druck schnell nachgibt, hat López Obrador bereits mehrfach bewiesen. Vergangenes Jahr forderte der US-Staatschef die mexikanische Regierung auf, schärfer gegen Migrant*innen und Geflüchtete vorzugehen, die über Mexiko in die USA einreisen wollen. Sollte dies nicht passieren, werde er die Zölle für Importe aus dem Nachbarland massiv erhöhen. Man einigte sich: Mexikos zur Verbrechensbekämpfung neu gegründete Nationalgarde wurde gegen die Arbeits- und Schutzsuchenden eingesetzt, die Migrationsbehörden schoben Zehntausende nach Mittelamerika ab. Zudem werden mittlerweile Menschen, die in den USA Asyl beantragen, nach Mexiko zurückgebracht und müssen dort auf die Entscheidung der US-Behörden warten.

Möglicherweise ist auch dieses Treffen nicht ganz aus völlig freien Stücken zustande gekommen. Als sich Mexiko jüngst weigerte, die reduzierten Quoten der OPEC hinzunehmen, sprang Trump der Regierung zur Seite. „Ihr zahlt uns das zurück, wenn ihr es könnt“, erklärte der US-Präsident damals. Für Trump kam der Besuch angesichts seiner schlechten Umfrageergebnisse jedenfalls zum besten Zeitpunkt. Und dass die Chemie stimmte, verwundert nicht. Denn ganz abgesehen von den unterschiedlichen politischen Koordinaten haben die beiden einige Gemeinsamkeiten: Sie gängeln gerne Journalisten, zeigen sich dem Corona-Virus gegenüber recht gleichgültig und legen keinen Wert auf Klimaschutz. „Beide haben ihr Amt entstellt, um ihren Personenkult ins Zentrum zu stellen“, schreibt etwa der konservativ-liberale Publizist Enrique Krauze.

Wie der respektvolle Umgang Trumps gegenüber der mexikanischen Bevölkerung aussieht, von dem López Obrador nach dem Besuch sprach, stellte Trump zwei Tage vor dem Besuch am Montag zur Schau. Nach einem Besuch der im Bau befindlichen Mauer an der Südgrenze twitterte er: „Ein großer Tag für Arizona.“

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