Wir dokumentieren – Haftstrafen für Ex-Tupamaros

(Montevideo, 9. November 2021, indymedia).- Fast 30 Jahre nach Ende der Militärdiktatur in Uruguay ist der Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit, um die Aufklärung der Verbrechen der Militärdiktatur und gegen die Straflosigkeit der Militärs im vollen Gange und noch lange nicht gewonnen. Trotz jahrzehntelanger Mobilisierung, Recherche und Kampagnen der Bewegung, leistet das „System der Straflosigkeit“, fest verankert in Justiz, Polizei und Politik, auch in den linken Parteien, Widerstand gegen die Aufklärung der Verbrechen.

Ein besonders sinnbildlicher Fall der aktiven Verhinderung durch die Justizbehörden war die Versetzung der Richterin Mariana Mota im Jahr 2013. Als Ermittlungsrichterin führte sie über 50 Verfahren gegen Angehörige des Militärs, die der Folter, des Mordes und Verschwindenlassens beschuldigt sind. Sie war eine der wenigen Personen im Justizapparat, die damals die Aufklärung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit aktiv vorantrieb. Um so größer war der Protest, als bekannt wurde, dass sie durch den Verfassungsgerichtshof, der auch als Verwaltungsorgan der Justiz dient, an ein Zivilgericht im nördlichsten Ende Uruguays versetzt werden sollte. Mehrere hundert Menschen demonstrierten gegen diese offensichtlich politisch motivierte Entscheidung im Foyer und dem Festsaal des Verfassungsgerichtshofes, mehrere Tausend versammelten sich vor dem Gebäude.

Die nun wegen der Besetzung Angeklagten sind keine Unbekannten. Irma Leites und Jorge Zabalza waren beide Mitglieder der MLN-Tupamaros und politische Gefangene während der Militärdiktatur. Sie wurden nun zusammen mit Álvaro Jaume zu zwei Jahren Haft verurteilt, weitere drei Personen zu acht Monaten. Sollten die Haftstrafen tatsächlich vollzogen werden, gäbe es wieder politische Gefangene im Uruguay.

Dies alles steht im Kontext eines extremen Anstiegs der Repression, vorangetrieben durch die ultrakonservative Regierung, die 2019 die Wahlen gegen die linksliberale Partei Frente Amplio gewonnen hat. Sie kann sich dabei auf einen modernisierten und gut gerüsteten Repressionsapparat stützen, der durch die vermeintlich linke Regierung aufgebaut wurde. Unter dieser wurden Kameras in den Innenstädten aufgestellt, die Gehälter der Polizei erhöht, Überwachungstechnologie angeschafft und die Ausbildung und Fähigkeiten dieser erheblich erweitert. Dies alles obwohl bekannt war, dass Polizei und Militär weiterhin politisch aktive Menschen ausspionieren und alles unternehmen, um eine Aufklärung der Verbrechen in der Militärdiktatur zu verhindern.

Der Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit war nie einfach. Die Hinhaltetaktik der Militärs wurde auf allen Ebenen des Staates unterstützt. Selbst der in Europa so beliebte „arme Präsident“ Pepe Mujica sprach sich offen dafür aus, die Verfahren gegen die Militärs einzustellen. Währenddessen versuchen die Hinterbliebenen der Verschwundenen weiterhin, die Umstände der Ermordung ihrer Kinder, Geschwister und Eltern aufzuklären und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen. Dank der Stärke dieser Bewegung, die es geschafft hat, seit den 80er Jahren den Druck aufrechtzuerhalten, gab es immer wieder trotz der widrigen Umstände Erfolge. Die Verurteilungen gegen Irma, Zabalza und Álvaro sind Teil eines neuen Angriffes gegen diese Erfolge. Ein Angriff, der durch die reaktionärsten Kräfte der uruguayischen Gesellschaft geführt wird.

Hier könnt ihr die Erklärung der drei lesen sowie einen Zeitungsartikel von Jorge Zabalza, in dem er sich nochmal ausführlicher zu der Verurteilung äußert.

Einen ausführlichen poonal-Text über die Ereignisse rund um die Absetzung der Richterin Mariana Mota im Jahr 2013 findet ihr hier. Aus diesem Anlass wurde dem uruguayischen Botschafter in Berlin dieser offene Brief übergeben.

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