Präsident verkündet Ausnahmezustand

(Bogotá, 21. Oktober 2021, contagio radio/poonal).- Am 18. Oktober hat der ecuadorianische Präsident Guillermo Lasso den landesweiten Ausnahmezustand ausgerufen. Grund seien „schwere innere Unruhen“, die zu einem starken Anstieg der Gewalt geführt hätten. Mit dem Dekret 224 werde sich die Präsenz von Polizei und Militär „machtvoll in den Straßen“ zeigen, so der neoliberale Präsident.

Die Maßnahme soll zunächst für 60 Tage gelten. Laut Lasso sollen sich Militär und Polizei rund um die Uhr um die Kontrolle von Waffen und Drogenhandel, Beschlagnahme von Drogen, Durchsuchungen und Patrouillen kümmern.

Unter den Maßnahmen, die der Präsident verkündete, erregte eine ganz besonders Aufsehen: So soll eine eigene Rechtsschutzabteilung für die Sicherheitskräfte gegründet werden, die Uniformierte verteidigen soll, die im Rahmen ihrer „Sicherheitsaktionen“ angezeigt werden. „Wir werden eine Rechtsschutzabteilung für Sicherheitskräfte gründen. Diese Einheit wird sich ausnahmslos um den Schutz derjenigen Angehörigen von Polizei und Armee kümmern, die wegen der Ausübung ihrer Pflicht verklagt werden“, verkündete Lasso.

Weiterhin kündigte er ein Entwurf für ein Gesetz „zur Verteidigung der Pflichten der Sicherheitskräfte“ und für die Wiedereingliederung von Drogenkonsument*innen in die Gesellschaft an. Dieses Programm soll gemeinsam mit dem Ministerium für Menschenrechte erarbeitet werden.

Ausnahmezustand gegen Drogenhandel oder sozialen Protest?

Der Ausnahmezustand sieht vor, die Armee in die Provinzen El Oro, Guayas, Santa Elena, Manabí, Los Ríos, Esmeraldas, Santo Domingo de los Tsáchilas, Pichincha und das nahe der kolumbianischen Grenze gelegene Sucumbíos zu schicken. „Das Gesetz soll den Straftäter einschüchtern, aber nicht den Polizisten“, betonte der Präsident. Der Feind sei der Drogenhandel.

Die Ankündigung Lassos kommt nur 18 Tage nach den schlimmsten Gefängnisunruhen, die Ecuador je erlebt hat. Ende September haben die Banden Los Choneros, Los Lobos, Los Largartos und andere um die Vorherrschaft im Gefängnis Nr. 1 in Guayaquil gekämpft. Dabei wurden 119 Männer ermordet; einigen wurden Gliedmaßen amputiert, andere enthauptet.

Zudem steht Präsident Lasso gegenwärtig wegen der Veröffentlichung der „Pandora Papers“ unter Druck, die auch ihn belasten. Die am 4. Oktober veröffentlichte Liste weist Guillermo Lasso als Eigentümer von mehreren Offshore-Firmen in Steueroasen aus. Das ecuadorianische Parlament hat deswegen Ermittlungen eingeleitet.

„Legalisierte und staatlich legitimierte Gewaltanwendung“

Die Regierung des neoliberalen Ex-Bankiers Lasso ist erst seit vier Monaten im Amt. Sie habe eine „politische Schwäche“ an den Tag gelegt, „die nicht das geringste Übereinkommen mit den politischen Repräsentant*innen in der Nationalversammlung und erst recht nicht mit den sozialen Akteur*innen erzielen konnte“, kritisiert das ecuadorianische Kollektiv „Desde el Margen“. Das habe dazu geführt, dass der Staat „die einzige Lösung in der legalisierten und staatlich legitimierten Gewaltanwendung gegen die verarmten und marginalisierten Bevölkerungsschichten“ sehe.

Trotz der Ankündigung riefen der indigene Dachverband Conaie (Confederación de Nacionalidades Indígenas) und die Gewerkschaft FUT (Frente Unitario de Trabajadores) für den 26. Oktober zu Demonstrationen auf. Damit wollen sie gegen die Dekrete 95 und 151 protestieren, mit denen ihrer Ansicht nach die Erdölproduktion um bis zu eine Million Barrel Erdöl täglich verdoppelt werden soll. Zudem befürchten sie, dass die Umweltschutzkontrollen gelockert werden sollen, im „den Zugang ausländischer Bergbaufirmen in das Amazonasgebiet zu erleichtern.“

Widerstand kam auch von der „Allianz der Menschenrechtsorganisationen“, der 15 Menschenrechts- und Umweltorganisationen sowie Frauen- und Indigenenverbände angehören. „Wir lehnen einen Ausnahmezustand ab, zumal er kurz vor angekündigten Demonstrationen verhängt wird, die vom Staat einfordert, dass er die Rechte garantiert“, schrieb die Allianz auf Twitter. Auch das Bündnis der sozialen Organisationen in der Provinz Guayas lehnt den Ausnahmezustand ab. Die Regierung versuche damit, „den sozialen Protest zu kriminalisieren.“

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