Präsident greift kritische Medien an

(Oaxaca-Stadt, 19. April 2022, taz).- Es scheint so, also ob der salvadorianische Präsident Nayib Bukele seinen schlechten Umgang mit Publizist*innen und kritischen Wissenschaftler*ìnnen von seinem mexikanischen Amtskollegen Andrés Manuel López Obrador gelernt hat. Doch während es der Mexikaner bei Beschimpfungen belässt, macht Bukele Nägel mit Köpfen.

Vergangene Woche bezeichnete er den Anthropologen und Buchautor Juan José Martínez* auf Twitter als „Abfall“ und zitierte völlig aus dem Zusammenhang gerissene Äußerungen des Wissenschaftlers über Jugendbanden. Wenige Tage zuvor hatte das von seiner Partei dominierte Parlament ein Gesetz beschlossen, nachdem jeder zu einer hohen Haftstrafe verurteilt werden kann, der Texte, Bilder, Graffiti oder andere visuelle Ausdrucksformen der Gangs veröffentlicht, diese herstellt oder deren Herstellung ermöglicht.

Das klingt ziemlich irre, schließlich sind die „Mara Salvatrucha“ und deren Gegner „Barrio 18“ aus dem Alltag El Salvadors nicht wegzudenken. Kaum ein Tag vergeht, in dem nicht über sie berichtet wird. Doch für Bukele, der als Dauer-Twitterer mit Basecap auf hip macht und zugleich skrupellos durchregiert, sind die Banden zu einem Politikum geworden. Nach seiner Wahl war es um die „Pandillas“ zunächst ruhig geworden. Die Zahl der Toten in dem Land, das zu den gefährlichsten weltweit zählt, sank. Recherchen des Nachrichtenportals El Faro zufolge gab es einen Deal zwischen Bukele und den Banden: keine Gewalt, dafür bessere Bedingungen für die Gefangenen und „Wohltaten“ für die Gangs in Freiheit.

Journalist*innen werden ausspioniert

Nicht erst seit dieser Veröffentlichung hat der Staatschef El Faro im Visier. Schon zu Beginn von Bukeles Amtszeit Anfang 2019 wurden Mitarbeiter*innen des Mediums mit der Abhörsoftware Pegasus ausspioniert. Immer wieder hetzt der Präsident gegen das Portal. Die Kolleg*innen werden indes nicht müde, seinen autoritären Führungsstil zu kritisieren. Aus Protest gegen das neue Gesetz machten sie für 24 Stunden ihr Portal dicht. Die Pakte der Regierung aufzudecken, sei nun ein Verbrechen, erklärten sie.

Oscar Martínez, Chefredakteur von El Faro, könnte das schnell zu spüren bekommen. Er hat zusammen mit seinem Bruder Juan José das auch in Deutschland erschienene Buch „Man nannte ihn El Niño de Hollywood“ über die Pandilleros geschrieben. Um Juan José Martínez zu denunzieren, zitierte Bukele ihn mit Sätzen wie: „Die Jugendbanden erfüllen eine notwendige soziale Rolle.“ Damit lässt sich hetzen, zumal der Staatschef seit dem Ende des Pakts und den darauf folgenden tödlichen Gewaltexzessen hart gegen die Gangs vorgeht: mehr als 12.000 teilweise willkürliche Verhaftungen, Ausnahmezustand, Misshandlungen in den Gefängnissen bis hin zum Essensentzug. Martínez bezeichnet er als „Referenz der internationalen Gemeinschaft“, also als Vertreter ausländischer Mächte, die ihm und dem salvadorianischen Volk Schlechtes wollen.

Mit dieser Argumentation ist er in der Region nicht allein. Sowohl Mexikos konservativ-sozialer Präsident López Obrador als auch das nicaraguanische Herrscherpaar Daniel Ortega und Rosario Murillo bemühen dieses nationalistische Narrativ, um ihre Anhänger*innen zusammenzuschweißen.

Kritik aus Europa als kolonialistische Einmischung

In Nicaragua wurden Oppositionelle zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie angeblich internationale Interventionen provozieren wollten, und López Obrador bezeichnete jüngst Kritiken des Europaparlaments an den vielen Journalist*innenmorden als kolonialistische Einmischung.

Ähnlich reagierte Bukele auf Kritik aus dem Ausland am menschenrechtswidrigen Umgang mit den Bandenmitgliedern. Wenn die internationale Gemeinschaft den „Terroristen“ in Haft Essen geben wolle, könne sie gerne kommen, sagte er. Er würde deshalb keinem Schulkind die Nahrung entziehen. Das Spiel mit den Ressentiments funktioniert gut. Rund 80 Prozent der Bevölkerung stehen hinter Bukele und unterstützen sein hartes Vorgehen gegen die Jugendbanden.

*Juan Martínez musste El Salvador aufgrund von Todesdrohungen verlassen (Anmerkung der Redaktion).

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