Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 11. Oktober 2005

Inhalt


GUATEMALA

EL SALVADOR

VENEZUELA

BOLIVIEN

CHILE

LATEINAMERIKA


GUATEMALA

Kritik an Strafsystem

(Guatemala-Stadt, 27. September 2005, cerigua-poonal).- Die Krise desguatemaltekischen Strafsystems habe, neben anderen Faktoren, mit der schlechten Infrastruktur und den fehlenden Rehabilitationsprogrammen zu tun, meinte Margarita Castillo. Castillo war im Jahr 2004 Vize-Direktorin verschiedener Haftanstalten und hat das Strafsystem und die Bedingungen in den Gefängnissen während der letzten vier Jahre beobachtet.

Zwischen dem 15. August und dem 20. September starben in verschiedenen Haftanstalten 52 jugendliche Bandenmitglieder, 92 Jugendliche wurden verletzt. Bei Durchsuchungen nach den Auseinandersetzungen wurden 17 Feuerwaffen, fünf Splittergranaten, Messer sowie Munition verschiedener Kaliber sichergestellt.

Nach den Auseinandersetzungen, Aufständen und Massakern gäbe es von verschiedenen Seiten Erklärungsmuster der Vorfälle. Es sei aber Aufgabe der Staatsanwaltschaft die Gründe für die Morde zu untersuchen, so die Ex-Beamtin und Soziologin. Castillo sagte, eine Hypothese sei, dass ein Pakt zwischen den Banden in die Brüche gegangen ist. Eine andere Annahme gehe von einem Bandenkrieg zur Kontrolle der Drogenverteilung in den Gefängnissen aus.

Laut Angaben der Generaldirektion des Strafsystems waren zwischen dem 18. und dem 25.September acht Gefängnisse überfüllt. In einigen dieser Gefängnisse überschritt die Anzahl der Insassen die Kapazität um 40 bis 200 Prozent. In “El Hoyon”, in Escuintla, wo die Häftlinge am 15. August einen Aufstand verübten, seien die Jugendlichen auf sehr kleinem Raum zusammengepfercht, es fehlten ausreichende sanitäre Anlagen und der Zugang zu Trink- und Waschwasser sei begrenzt, erinnerte Frau Castillo.

Die Haftanstalten seien ein Spiegel dessen, was draußen passiere. Das Leben der Bandenmitglieder sei von ständiger Gewalt geprägt. Diese Gewalt würde dann, egal wo, reproduziert. Außerdem kämen viele Häftlinge häufig nach kurzer Zeit wieder ins Gefängnis, was ihre Unangepasstheit weiter verstärkt, so die Analystin.

Die ehemalige Beamtin meinte, sie habe Fälle von Jugendlichen dokumentiert, die mehr als 30 Mal ins Gefängnis gekommen seien. Dort werde deren gewalttätiges Verhalten weiter gefördert. Wenn sie das Gefängnis verließen, würden sie von der Gesellschaft diskriminiert. Kehrten sie ins Gefängnis zurück, würden sie in den Haftanstalten nicht akzeptiert. Abschließend betonte Castillo, das strukturelle Problem sei, dass das Thema der Rehabilitation nicht als Strategie verfolgt werde.

EL SALVADOR

Hungerstreik in allen Gefängnissen

(Montevideo, 1. Oktober 2005 comcosur-poonal).- „Wenn sie nichtessen wollen, werden wir das respektieren“, antwortete der salvadorianische Innenminister Rene Figueroa, als er nach dem Hungerstreik von Gefangenen in allen salvadorianischen Gefängnissen gefragt wurde. Häftlinge aus den sechs Gefängnisse des kleinen mittelamerikanischen Landes sind in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Sie fordern die Reformierung des Strafsystems und eine bessere Behandlung in den Gefängnissen. Zudem fordern sie die Entlassung von zahlreichen Staatsbeamten wegen Misshandlung und Machtmissbrauch. Die Gefangenen leben oft zusammengepfercht und unter unwürdigen Lebensbedingungen in kleinen unbewohnbaren Zellen.

„Wir verlangen eine gerechtere Behandlung, bessere Bedingungen in den Gefängnissen und ärztliche Versorgung“, sagte ein jugendlicher Hungerstreikender. Am letzten Freitag (30.9.) mussten zwölf hungerstreikende Häftlinge aus gesundheitlichen Gründen in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Der Streik wurde von den Häftlingen des Hochsicherheits-Gefängnisses Zacatecoluca am Sonntag letzter Woche (25. 9.) begonnen. Grund sind die täglichen körperlichen Folterungen der Gefangenen durch die Gefängnisbeamten. Häftlinge aus den Gefängnissen in Quezaltepeque, Ciudad Barrios, Cojutepeque, Chalatenango und Mariona schlossen sich dem Hungerstreik an.

„Hinter dieser ganzen Organisierung steckt jemand und wir werden das herausfinden“, urteilte Präsident Saca, um von der eigentlichen Problematik abzulenken und den Anhängern der Jugendbanden (Mara Salvatrucha und Mara 18) die Schuld zuzuschieben. Mitglieder der Maras haben täglich unter dem Plan „Super Mano Dura“ (Super Harte Hand) zur Bekämpfung der Jugendbanden zu leiden und landen oft nur weil sie die charakteristischen Tätowierungen der Banden tragen, im Gefängnis.

Das salvadorianische Gefängnissystem war schon immer gekennzeichnet von seinen schlechten Bedingungen. In den Gefängnissen sind Korruption, Unterdrückung und körperliche Folter der Häftlinge schon lange Alltag. Oft dürfen Frauen ihre Männer nicht besuchen oder Häftlinge wurde die ärztliche Behandlung verweigert, nachdem sie gefoltert worden waren.

VENEZUELA

Gefährliche Gefängnisse

(Fortaleza, 5. Oktober 2005, adital-poonal).- Nach Statistiken derBeobachtungsstelle venezolanischer Gefängnisse wurden im Laufe des Jahres 2005 in venezolanischen Gefängnissen 314 Häftlinge umgebracht. Weitere 518 Häftlinge wurden verletzt. Nach Angaben von Humberto Prado, dem Direktor der Organisation, starben allein im letzten Trimester 99 Häftlinge und weitere 235 wurden verletzt. Zwischen Juli und September stieg die Anzahl von Gewalttaten im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent an. Prado gab an, dass es keine Maßnahmen der Regierung gebe, um die Gewalt zu bremsen und die Regierung in den Strafanstalten versagt habe. Im vergangenen Jahr waren nach den Angaben der Beobachtungsstelle 327 Häftlinge in Venezuela gestorben, 655 wurden verletzt.

Laut der Beobachtungsstelle habe die Zentralregierung auf dem Gebiet des Strafsystems versagt. Es müsse daher überlegt werden, die Verwaltung der Gefängnisse an die Regionalregierungen zu übertragen. Laut der venezolanischen Presse gebe es mehr Gerechtigkeit, wenn die Gefängnisse von den Gouverneuren anstatt von der Zentralregierung verwaltet werden. Nach der Verfassung sind die Regional- oder Gemeindeverwaltungen für die Haftanstalten zuständig, auch Privatisierungen sind möglich.

Prado forderte das Innen- und Justizministerium auf, interdisziplinäre Arbeitsgruppen in den Gefängnissen zu bilden, um die Gesetzesvorschriften zu erfüllen und den Angeklagten und Verurteilten Begünstigungen zu gewähren, um Situationen wie die Hungerstreiks in den Gefängnissen Yare I und II zu verhindern.

Eine der hauptsächlichen Todesursachen in den Gefängnissen ist der Streit zwischen rivalisierenden Gruppen über die Kontrolle der Gefängnisflügel. Die Aufstände, Streiks und Kämpfe sind die Folge der prekären Bedingungen in den venezolanischen Gef&a
uml;ngnissen. Das venezolanische Strafsystem wurde auch von internationalen Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Vor allem wurde die Überbelegung kritisiert, die in vielen Haftanstalten Alltag ist. Ebenso wird bemängelt, dass viele Häftlinge lange Zeit warten müssen, bis ihr Prozess beginnt oder ein Urteil gefällt wird.

BOLIVIEN

Gewaltsamer Polizeieinsatz

(Buenos Aires, 30. September 2005, púlsar).- Einsatzkräfteder Polizei sind äußerst gewaltsam gegen eine Demonstration der Angehörigen der Opfer des sogenannten “Massakers vom Oktober 2003” vorgegangen. Bei dem Massaker verletzte Personen und Angehörige der Opfer demonstrierten vor der Botschaft der Vereinigten Staaten in La Paz. Personen, die sich mit Krücken und anderen Hilfsmitteln fortbewegten, Witwen, Waisen, alte Frauen und Kinder wurden von der Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas zurück gedrängt.

Die Demonstration fand am Donnerstag, den 29. September statt und soll nach Angabe der Demonstranten in den nächsten Wochen jeweils am Donnerstag wiederholt werden. Sie fordern das US-Aussenministerium auf, den bolivianischen Ex-Präsidenten Gonzalo Sánchez de Lozada und zwei seiner damaligen Minister nicht länger in Schutz zu nehmen. Stattdessen solle man dem Rechtshilfeersuchen der bolivianischen Justiz statt geben. Dieser Antrag war schon in der ersten Juliwoche Jahres bei der entsprechenden Behörde der US-Regierung eingegangen. Bislang wurden die bolivianischen Ex-Politiker jedoch nicht zur Verantwortung gezogen. Die Angehörigen der Opfer gemeinsam mit der Vereinigung zur Wahrung der Menschenrechte in Bolivien fordern ein Gerichtsverfahren, um Verantwortlichkeiten des Massakers zu klären. „Wir kämpfen gegen die Straffreiheit und für die Gerechtigkeit. Das soll die Welt wissen.“, sagte Nestor Salinas, dessen Bruder bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Oktober 2003 ums Leben gekommen ist.

CHILE

Ehemaliger DINA-Chef verurteilt

(Fortaleza, 3. Oktober 2005, adital).- Der ehemalige Chef deschilenischen Geheimdienstes DINA (Dirección Nacional de Inteligencia), Manuel Contreras, wurde wegen der Entführung von David Silberman zu einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren verurteilt. Silbermann war Mitglied der Kommunistischen Partei und ehemaliger Geschäftsführer von Cobrechuqui. Zusammen mit Contreras verurteilte der Minister Jorge Zepeda auch den Brigadier Marcelo Moren Brito. Den Obersten Gerichtshof forderte der Minister außerdem dazu auf, einen Auslieferungsantrag für den in den USA lebenden Armando Fernández Larios zu stellen, der ebenfalls an der Entführung maßgeblich beteiligt gewesen sein soll. Der Richter bestimmte, dass der Staat der Witwe und den drei Kindern des Opfers Schmerzensgeld in Höhe von umgerechnet je 385.000 Euro zu zahlen habe.

Der Ingenieur David Silberman war am 15. September 1973, vier Tage nach dem Militärputsch, verhaftet und vor einem Kriegstribunal in Calama angeklagt worden. Am 28. September verhängte das Gericht gegen ihn eine zehnjährige Haftstrafe wegen Vergehen gegen das Staatssicherheitsgesetz und weitere drei Jahren wegen Verstößen gegen das Waffengesetz.

Die DINA war der berüchtigte Geheimdienst während der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet in den Jahren von 1973 bis 1990. Am 4. Oktober 1974 wurde Silbermann von Agenten der DINA aus der Strafanstalt in Santiago de Chile entführt und in das Haus von José Domingo Cañas gebracht. Dort und im geheimen DINA-Zentrum „4 Alamos“ wurde er gefoltert und anschließend verschwinden gelassen. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Silberman ist eines der ersten Opfer der sogenannten „Operation Colombo“, die von der DINA in den Jahren 1974 bis 1975 durchführte und die Ermordung von 119 Oppositionellen zum Ziel hatte.

Vor kurzem hatte Contreras dem Obersten Gerichtshof einen Bericht übergeben, der detailliert die Mechanismen der Repression während der Diktatur sowie das Schicksal von 580 „Verhafteten-Verschwundenen“ beschreibt. Der Bericht trägt den Titel „Einleitung in die Übergabe von Texten, die die tatsächliche Verantwortung im Kampf der Institutionen der nationalen Verteidigung im Kampf gegen den Terrorismus in Chile klarstellen“.

Contreras erklärte außerdem, dass die ihm unterstehende Organisation „niemals Aktionen auf eigene Initiative hin durchführte, sondern diese ausnahmslos die Folge von direkten und eindeutigen Befehlen von meinem bereits erwähnten Vorgesetzten (der Diktator Augusto Pinochet)“ waren.

LATEINAMERIKA

Beteiligung für Transvestiten an feministischer Konferenz gefordert

(Fortaleza, 3. Oktober 2005, adital).- Die Internationale Kommissionfür Menschenrechte für Schwule und Lesben IGLHRC (Comisión Internacional de los Derechos Humanos para Gays y Lesbianas) fordert, dass Transvestiten und transsexuellen Frauen am 10. Feministischen Treffen Lateinamerikas und der Karibik teilnehmen können. Die Konferenz findet vom 7. bis 10 Oktober in Sao Paulo in Brasilien statt. Die Organisation Airea Na (Gruppe für die Rechte von Lesben) aus Paraguay und die Programmkoordination der IGLHRC haben eine Unterschriftenkampagne initiiert. Der unterschriebene Brief soll dann auf der Konferenz verbreitet werden.

Das Schreiben sei nicht an das Organisationskomitee der Konferenz gerichtet, sondern an alle Feministinnen, die an dem Treffen teilnehmen. Man hoffe, dass die Forderung dort diskutiert werde und das Plenum eine Entscheidung treffe. Die Organisationen erklärten, dass sie an dem Treffen teilnehmen wollten, weil sie glaubten, dass der Feminismus eine Denkrichtung politische Kraft und e soziale Bewegung sei. Was eine Person als FeministIn definiere, seien ihre Ideen und Aktionen, nicht ihre Anatomie. „Viele von uns arbeiten seit Jahren, in verschiedenen Bereichen, mit Trans-Menschen und mit Menschen, deren Vorstellungen und alltägliches Verhalten feministisch sind. Und ebenfalls seit Jahren, arbeiten wir nicht mit Frauen, deren Sicht der Welt und deren Verhaltensweisen wir als patriarchal und antidemokratisch ansehen.“

Die Organisationen meinen, dass es notwendig sei, die Perspektiven zu erweitern und auf die Herausforderungen zu antworten, die der Feminismus heute aufwerfe. „Wir wollen einen Raum schaffen, in dem Menschen verschiedener sozialer und biologischer Geschlechter (genauso wie Hautfarben, Alter, erotischer Fantasien, finanzieller Möglichkeiten, gastronomischer Vorlieben usw.) sich gegenseitig respektieren, miteinander reden, sich zuhören und gemeinsam feministische Politik und Aktion für dieses Jahrhundert konstruieren können.“

Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V. Köpenicker Straße 187/188, 10997 Berlin, Tel.: 030/789 913 61 e-mail: poonal@npla.de, Internet: http://www.npla.de/

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