Militär misshandelt 35 Menschen

(Asunción, 24. Juli 2020, el surti).- Ein schwarzweiß-Video ohne Ton. Mitten in der Nacht zerren zwei Soldaten sechs junge Menschen auf die Ladefläche eines Pick-ups ohne Nummernschild, schubsen und schlagen sie. Das Fahrzeug fährt los und verschwindet irgendwo hin. Was klingt wie eine Beschreibung aus einer anderen Zeit, geschah am 17. Juli 2020, um 1:48 morgens in der Grenzstadt Ciudad del Este, Paraguay.

Nach einer Meldung über eine Schießerei zwischen Marinesoldaten und mutmaßlichen Schmuggler*innen, bei denen der Unteroffizier Marcos Agüero ums Leben kam, startete das Militär eine illegale Razzia in den Vierteln San Miguel Remansito und Villa Kuwait. Auf Befehl des Kapitäns Walter Díaz verschleppten die Marinesoldaten 35 Menschen aus ihren Häusern und folterten sie, darunter sechs Jugendliche und drei Transfrauen.

Staatsanwaltschaft und Polizei erfuhren erst acht Stunden später von den Festnahmen. Die Opfer befanden sich zwölf Stunden auf der Marinebasis in Ciudad del Este, ohne Kontakt zur Außenwelt, bis sie mit einem Angehörigen oder einer Anwältin sprechen konnten. Die Festnahmen, die Misshandlungen, die Schmauchspurentests ohne Anwesenheit eines Staatsanwalts – all das war illegal.

Nachts aus dem Haus gezerrt

Auch Hugo Arsenio González wurde aus dem Haus gezerrt. Er sagte aus, die Soldaten hätten heißes Wasser und Alkohol auf seinen Kopf gekippt. Später hätten sie ihn ins Bad gebracht und zu viert geschlagen. „Bei einem Schlag ist meine Vene geplatzt“, erzählte er einem Radiosender. Fast wäre er verblutet. „Im Krankenhaus haben sie mein Leben gerettet“.

Der Jugendliche Fernando sagte aus, dass er auf dem Boden lag, während sie ihm mit Knüppeln auf den Rücken schlugen. Ein anderes Opfer erzählte: „Sie verabreichten uns Kautschuk und schnitten uns die Luft ab. Mir schlugen sie ins Gesicht.“

Cris, Sadis und R., drei Transfrauen, wurden von über einem Dutzend Soldaten verhaftet, die um Mitternacht die Tür eintraten, berichteten sie dem Portal Agencia Presentes. „Sie zerrten uns drei an den Haaren raus. Sie warfen uns wie Müllsäcke auf einen Pick-up und brachten uns zur Marinebasis. Dort begann unser Leidensweg“, so Sadis López. Ihnen seien Masken übergestülpt worden. „Wir konnten kaum atmen. Sie schlugen uns mit Knüppeln und dicken Tauen. Sie sagten, sie würden uns mit Gewalt zu Männern machen“, so Sadis.

Alle benutzten dasselbe Wort, um die Geschehnisse zu beschreiben: Folter.

„Ist das der Rechtsstaat?“

Die Soldaten schlugen auch einem zweijährigen Mädchen mit einem Gewehrkolben den Mund blutig, das in den Armen ihres festgenommenen Vaters war. Den 69-jährigen Carlos Antonio López schlugen sie den Gewehrkolben auf den Kopf. Am folgenden Tag zeigten drei Jugendliche ihre violetten Hämatome in die Kamera eines Smartphones. Man hört eine Frau fragen: „Ist das der Rechtsstaat?“

Allein zwischen 2013 und 2016 sind 873 Anzeigen gegen Sicherheitskräfte bei der Staatsanwaltschaft für Menschenrechte eingegangen, die für Fälle staatlichen Verschwindenlassens, Misshandlungen, Folter, Verfolgung und Tötungen zuständig ist. Bei den Zahlen sind die Delikte nicht angegeben, aber in keinem Fall ist ein Urteil ergangen. Straflosigkeit, stellte der UN-Ausschuss gegen Folter bereits 2017 fest.

Kapitän Walter Díaz wurde nach dem Tod des Unteroffiziers Marcos Agüero entlassen. Von den 35 illegal Verhafteten wurden 25 wegen Widerstands und Verstoßes gegen die Quarantäne angezeigt, zwei wegen Mordes.

Bis zum 21. Juli ist noch kein Militärangehöriger wegen der Folterungen angeklagt worden.

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