Das Projekt Miriam: Frauenbildung für ein Leben ohne Gewalt

von Astrid Schäfers

(Berlin, 01. November 2010, npl).- Seit dem Regierungswechsel 1990 hat sich die Situation von Frauen in Nicaragua stark verschlechtert. Viele Frauen haben ihre Arbeit verloren, die Mehrzahl der Kindertagesstätten hat geschlossen und das Gesundheitswesen ist zum Teil privatisiert worden. Die während der sandinistischen Zeit initiierten Sexualerziehungs- und Familienplanungsprogramme wurden abgebrochen, Prostitution und Gewalt gegen Frauen und Kinder haben stark zugenommen.

Frauenmorde (Feminizide) nehmen zu

Seit 1991 arbeiten die verschiedenen Frauengruppen in thematischen Netzwerken wie dem “Netz gegen Gewalt gegen Frauen”, dem “Netz Frauen und Gesundheit” oder dem “Netz Frauen und Rechtshilfe”. Der Versuch, eine nationale feministische Koordination und Organisation, das „Comité Nacional Feminista“, aufzubauen, scheiterte jedoch an inneren wie äußeren Widersprüchen.

In den letzten Jahren hat die Zahl der ermordeten Frauen in Nicaragua stark zugenommen. 2009 wurden 79 Frauen getötet. Bei den Tätern handelt es sich nach Angaben des Netzwerks für Frauen gegen Gewalt RMCV (Red de Mujeres contra la Violencia) um Personen aus dem familiären Umfeld der Frauen, häufig um ihre Partner.

Aufgrund der Untätigkeit des nicaraguanischen Staates im Breich der Bekämpfung von Gewalt an Frauen organisierte das Netzwerk RMCV Mitte September eine Demonstration in Managua. Wir fordern Gerechtigkeit, der Machismus tötet uns!“, riefen die Teilnehmerinnen und gaben damit ihrer Auffassung Ausdruck, dass der Schutz des Lebens von Frauen für die nicaraguanischen Behörden offenbar „keine Priorität hat“. Sie kritisierten, dass die Justizbeamt*innen unsensibel mit dem Thema der Gewalt an Frauen umgingen. Morde aus Eifersucht, so genannte Feminizide, und körperliche Gewalt an Frauen würden weder gesondert klassifiziert und analysiert noch im Zusammenhang mit der Diskrimierung von Frauen und extrem ungleichen Machtverhältnissen gesehen.

Projekt Miriam betreut Frauen mit Gewalterfahrung

Die Nichtregierungsorganisation „Miriam“ betreut und berät Frauen, die Gewalt erleiden und von ihren Ehemännern bedroht werden. Sie werden vom Polizeikommissariat für Frauen zu Miriam geschickt. Die Organisation kann ihre Situation zu Hause aber nicht sofort ändern und z.B. denn Ehemann dazu zwingen, das Haus zu verlassen. Nachdem die Frau die erlittene Gewalt denunziert hat, kann die Situation zu Hause für sie noch schwieriger werden, wenn ihr Ehemann davon erfährt. So ist es einigen Frauen auch nicht möglich, die soziale Verpflichtung einzugehen, die sie gegenüber dem Projekt gemacht haben und zum Beispiel in der Organisation Miriam mitzuhelfen, weil ihr Ehemann dies nicht zulässt. Die soziale Verpflichtung ist ein Prinzip von Miriam, dass sich auf die Frauen bezieht, die ein Stipendium von der Organisation erhalten, um ein Hochschulstudium absolvieren zu können, und Frauen, die Vorbereitungskurse und Unterricht in der Schule von Miriam wahrnehmen.

Stipendium gegen soziale Verpflichtung

Das Stipendienprogramm war eines der ersten Projekte der Nichtregierungsorganisation. Doris Huber, einer in Nicaragua lebenden Österreicherin, fiel auf, dass Frauen in Nicaragua kaum Zugang zu höherer Schulbildung oder gar einem Universitätsstudium hatten. Deshalb suchte sie Personen in Österreich, die Frauen ein Studium finanzierten. 1989 gründete sie dann die Nichtregierungsorganisation, die sich auch heute noch über Spenden und die finanzielle Unterstützung der österreichischen Botschaft finanziert. „Miriam ist ein gemeinnütziger Verein. Ziel unserer Arbeit ist es, die Ausbildung und Qualifikation von Frauen zu fördern. Sie sollen im Hinblick auf ihre Rechte sensibilisiert und gestärkt werden. Wir arbeiten auch mit Mädchen im Kindesalter und jungen Frauen“, erzählte Hilda Saldaña von Miriam.

Was das Stipendienprogramm betrifft, so können die Frauen, die sich sozial engagieren und entweder bei Miriam oder anderen Organisationen arbeiten, auch erste Arbeitserfahrungen in dem Bereich machen, in dem sie ein Studium absolvieren.

Erworbenes Wissen weitergeben

„Was mir an diesem Programm gefällt, ist das Konzept. Die Gesellschaft soll an dem Wissen teilhaben können, dass die Frauen erwerben, die ein Stipendium von Miriam erhalten. Sie bekommen also nicht nur etwas, sondern sie geben der Gesellschaft auch etwas dafür. Deshalb gibt es das Prinzip, dass jede Frau eine soziale Verpflichtung eingehen soll, also freiwillige Arbeit machen soll. Die Frauen unterstützen uns zum Beispiel in den Projekten von Miriam. Eine Frau, die z. B. Jura studiert, kann die Rechtsanwältin, die für Miriam arbeitet, unterstützen. Eine Frau, die Psychologie studiert, kann die Psychologin, die bei Miriam arbeitet, unterstützen. Sie kann während ihrer Arbeit dabei sein, vielleicht auch schon Frauen beraten oder zumindest Frauen empfangen, die zu Miriam kommen“, erzählte Wenke Lösener, die ehemalige deutsche Koordinatorin des Stipendienprogramms. Miriam kann allerdings nicht alle Frauen in Nicaragua ausbilden und unterstützen, die sich kein Studium leisten können, die Gewalt erleiden, Aufgaben, denen eigentlich der nicaraguanische Staat nachkommen müsste.

 

Vergleiche hierzu auch den Audiobeitrag der Autorin im Rahmen der Kampagne „Menschen. Rechte. Stärken!“, der unter der URL http://www.npla.de/es/onda/content/1105 kostenlos angehört oder heruntergeladen werden kann.

 

Weitere Informationen:

Homepage Projekt Miriam (Deutsch)

poonal 899: Zahl schwangerschaftsbedingter Todesfälle höher als in offizieller Statistik

 

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