Bogotá: Bürgermeister weggeputscht

von Contracorriente

(Bogotá/Hamburg/Berlin, 16. Dezember 2013, indymedia/poonal).- Am 9.12.13 wurde der demokratisch gewählte Bürgermeister der acht-Millionen-Metropole Bogotá, Gustavo Petro von dem sog. „Staatsprokuristen“, Alejandro Ordóñez des Amtes enthoben. Gustavo Petro gilt als zweitstärkster Mann im Land und als wichtiger Hoffnungsträger für ein modernes, tolerantes, friedliches und korruptionsfreies Kolumbien. Er steht außerdem für die Aufdeckung von Verbindungen zwischen mörderischen Paramilitärs zu dem konservativen Establishment. Und sein Beispiel steht dafür, dass fortschrittliche, linke Politik legal möglich ist in dem vom Bürgerkrieg geprägten Land.

Staatsprokurist Alejandro Ordóñez, eine Art Ombudsmann im Range eines Staatsanwalts, ist hingegen Parteigänger des Ex-Präsidenten Uribe. Er gilt als religiös und reaktionär und hat schon Dutzende Bürgermeister aus dem Amt geworfen. Mit Uribe und anderen Vertretern der Ultrarechten soll er sich vor seiner Entscheidung getroffen und abgestimmt haben.

Das Ganze wird von vielen nun als eine Art Staatsstreich gewertet, zumal noch 15 Jahre Berufsverbot für Petro „obendrauf“ verhängt wurden und ein Widerspruch auch nur von besagtem „Staatsprokuristen“ entschieden wird. Ebenso setzte Ordoñez den ausgesprochen fortschrittlich verfassten Stadtentwicklungsplan außer Kraft, der eigentlich Gesetzescharakter hat und entzog damit der Stadtregierung und Verwaltung von „Bogotá Humana“ die mühsam erarbeitete Grundlage.

Die Stadt, der Müll und der Bürgermeister

Der „Müllskandal“, welcher jetzt vorrangig als Grund für die Amtsenthebung herbeigezogen wird liegt über ein Jahr zurück und dauerte ganze drei Tage – worüber europäische Metropolen, wie Madrid oder Neapel nur müde lächeln würden. Nun aktuell kommt sogar ans Tageslicht, dass diese „Krise“ von den vorherigen privaten Unternehmen mutwillig herbeigeführt wurde: Sie schickten Hunderte von Müllwagen in der Übergangsphase kurzerhand in die Werkstatt, anstatt sie, wie vertraglich vereinbart zu übergeben. Zwei der Geschäftsführer dieser milliardenschweren Müllunternehmen waren dabei auch noch ausgerechnet die Söhne des Ex-Präsidenten Uribe.

In der Begründung des Prokuristen für die Amtsenthebung steht hingegen „Bürgermeister Petro hat bei der Müllkrise durch unverantwortliche Entscheidungen und Missmanagement die Gesundheit von acht Millionen Bürgern gefährdet“. Mittlerweile funktioniert die städtische Müllabfuhr aber nicht nur besser und wesentlich kostengünstiger als die vorherige privatwirtschaftliche, sondern gilt wegen ihrer „Null – Müll“ – Ausrichtung international als vorbildlich.

„Bogotá wird das Grab des Uribismus“

Petro und die Stadtregierung verweigern nun aber die Umsetzung der Amtsenthebung und mobilisieren in der Hauptstadt und darüber hinaus für die „Verteidigung von Bogotá Humana“. Es läuft auf eine zugespitzte Auseinandersetzung zwischen einerseits den ultrarechten und andererseits den linken, wie bürgerlich, liberalen Kräften hinaus.

Am 14.12. kam es zu der bisher größten Protestversammlung. Bürgermeister Petro sprach eine Stunde vor der rammelvollen Plaza Simón Bolívar – Zehntausende waren gekommen. Eine Kernaussage von Petro: „Hier definiert sich ob der Frieden möglich ist oder nicht, ob Demokratie möglich ist – ja oder nein”. Er zog Vergleiche zu historischen Ereignissen, wie der Ermordung Allendes in Chile oder des linken Präsidentschaftskandidaten Gaitán. Der Mord an ihn hatte 1948 den Bürgerkrieg ausgelöst. Die Menge skandierte neben „No Pasarán“ auch „Presidencia“ – letzteres bezogen auf Petro und die Wahlen 2014.

In Bogotá selber kann sich Petro nicht nur auf Linke und Parteifreund*innen verlassen, sondern hinter ihm steht auch der ganz überwiegende Teil der städtischen Angestellten – zumeist überzeugte Anhänger*innen von „Bogotá Humana“. Hinzu kommen die aufgeklärten Intellektuellen, die Kulturelite der Stadt und die Student*innen, die sowieso keinen Protest auslassen -diesen schon mal gar nicht. Als völlig unkalkulierbar gilt eine mögliche massive Protest – Teilhabe von Jugendlichen aus Bogotás armen Stadtteilen im Süden – schließlich galt und gilt gerade ihnen die Politik von Petro und Bogotá Humana.

Die Ausrichtung des Protestes ist aus guten Gründen bisher explizit gewaltfrei: Gustavo Petro bedient sich dabei dem europäischen (Vor-)Bild der „Indignados“, der „Empörten“. Das Einzige, was einem Protestcamp „alá puerta del sol“ (Madrid) im Weg zu stehen scheint ist die momentane, tägliche Ausnutzung der Plaza Bolívar für Massendemos. Aber auch sonst im Land und sogar darüber hinaus kommt es nun zu zahlreichen Solidaritätskundgebungen.

Präsident Santos scheint ratlos

Derweil findet die nationale, gemäßigt konservative Regierung von Präsident Manuel Santos keine klare Position. Auch sie würde sich vermutlich nur allzu gerne des unbequemen Bürgermeisters entledigen.

Sie kann aber andererseits nun kaum für Ordoñez öffentlich Partei beziehen, müsste aber in letzter Konsequenz entweder den „Procurador“ entmachten oder dessen Entscheidung durchsetzen, also notfalls Petro und andere verhaften lassen, sollten sie sich weiterhin widersetzen –woran diese bisher keinen Zweifel aufkommen lassen.

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