„Bolsonaro raus!“ – Tausende demonstrieren landesweit

(Río de Janeiro, 25. Juli 2021, La Jornada).- Dutzende Tausend Brasilianer*innen sind am 24. Juli in 20 der 26 Bundesstaaten des Landes erneut für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Jair Bolsonaro auf die Straßen gegangen. Es ist das vierte Mal, dass linke Parteien, Gewerkschaften und soziale Bewegungen zu Protesten gegen Bolsonaro aufrufen. Gleichzeitig ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Brasiliens Präsidenten: Er soll Vermutungen über Unregelmäßigkeiten bei den Verhandlungen um Covid-19-Impfstoffe geheim gehalten haben.

Aus diesem Anlass war landesweit und international zu mehr als 400 Demonstrationen aufgerufen worden. Einer der ersten Protestzüge fand im Zentrum von Rio de Janeiro statt. Tausende Menschen, die meisten in Rot gekleidet und mit Masken gegen das Coronavirus, demonstrierten mit Plakaten, auf denen es etwa „Krimineller Korrupter raus!“, „Wir alle können es nicht mehr ertragen“, „Bolsonaro raus!“ oder „Die Revolutionen sind so lange unmöglich, bis sie unvermeidbar werden“ lautete. Hunderte zogen vom Zumbi dos Palmares-Denkmal bis zur Candelaria-Kirche im Zentrum der Stadt.

Nicht nur die Unzufriedenheit über die Pandemiepolitik treibt die Protestierenden an

Bis zum Nachmittag berichtete die brasilianische Presse mit Bildern von mit Demonstrierenden gefüllten Straßen über die zentralen Themen der Proteste: die Kritik am späten Beginn der Impfkampagne sowie an der ansteigenden Arbeitslosigkeit und die Forderung nach einer Erhöhung der Notfallhilfen für die ärmsten Bevölkerungsteile in der Pandemie.

Präsident Bolsonaro ist derzeit in der brasilianischen Bevölkerung so unbeliebt wie noch nie seit seinem Amtsantritt im Jahr 2019. Er steht nicht nur für sein Bekenntnis zur Ausbeutung geschützter Bereiche des Amazonasgebietes, darunter auch geschützte Bereiche für Indigene, in der Kritik. Auch seine Waffenpolitik und ein umfassendes Privatisierungsprogramm stoßen auf Ablehnung.

Die Rufe nach einem Amtsenthebungsverfahren werden lauter

In Beliebtheitsumfragen bringt es der brasilianische Präsident deshalb aktuell nur auf 24 Prozent und damit den niedrigsten Wert überhaupt. Außerdem lassen die Umfragen einen Erfolg von Bolsonaros größtem Rivalen, dem Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva (Lula), bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober des kommenden Jahres erwarten. Lulas Arbeiterpartei PT ist eine der größten Mobilisierungskräfte der aktuellen Proteste.

Bereits am 30. Juni hatte die Opposition in der Abgeordnetenkammer einen „Superantrag auf ein Amtsenthebungsverfahren“ vorgelegt, das hunderte Bitten um Ersetzung von Präsident Bolsonaro versammelt. In dem Schreiben werden Bolsonaro mehr als 20 unterschiedliche Vergehen vorgeworfen.

Aktuell verfügt Bolsonaro jedoch im Kongress über genug Unterstützung, um solche Vorhaben zu blockieren. Dazu gehört auch die Rückendeckung des Präsidenten der Abgeordnetenkammer, der nach derartigen Forderungen die entsprechenden Prozesse in die Wege leiten müsste.

Bestechung in den Verhandlungen um Corona-Impfstoffe vermutet

In den vergangenen Wochen ist Brasilia außerdem von mehreren Beschuldigungen erschüttert worden. Staatliche Beamte hätten Bestechungsgelder verlangt, um den Kauf des indischen Impfstoffes Covaxin der Firma Bharat Biotech voranzutreiben. Ende Juni hatte der brasilianische Gesundheitsminister den Kaufvertrag über 1,6 Milliarden Reias (etwa 260 Mio. Euro) ausgesetzt.

Ein Beamter des Gesundheitsministeriums und ein Kongressabgeordneter gaben an, ihre Zweifel an der Einigung mit Covaxin gegenüber Bolsonaro ausgedrückt zu haben. Der Präsident habe jedoch anscheinend daraufhin keine Maßnahmen eingeleitet. Vergangene Woche ließ eine Richterin des Obersten Gerichtshofs deshalb Ermittlungen gegen Bolsonaro wegen Vernachlässigung seiner Pflicht zu.

Während die Ablehnung gegen ihn wächst, fährt Bolsonaro mit dem Motorrad umher und lässt sich mit Anhänger*innen fotografieren

Anfang Juli erreichte die Ablehnungsrate gegen Bolsonaro in einer Umfrage von Datafolha bis zu 51 Prozent. Ein solch hoher Wert war in seiner Amtszeit bisher noch nie verzeichnet worden.

Während Tausende gegen ihn demonstrierten, fuhr Bolsonaro im Hauptstadtdistrikt mit dem Motorrad umher und posierte für Fotos mit Anhänger*innen, wie Videos in sozialen Netzwerken zeigen. Die Minister Braga Neto und Luiz Eduardo Ramos begleiteten ihn.

Die Staatsanwaltschaft hat außerdem weitere Ermittlungen gegen Bolsonaros Regierung angeordnet. Sie soll im Kontext der Verhandlungen um Impfstoffe je einen Dollar pro AstraZeneca-Impfdosis kassiert haben.

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